Lindenau Museum BlogLindenau Museum Blog Beschreibunghttp://lindenau-museum.de/2024-02-05T10:00:00+01:00Contao Open Source CMS1 Jahr studioDIGITAL <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Am 15. Januar 2023 wurde das <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/kunstvermittlung/studiodigital" target="_blank">studioDIGITAL</a> eröffnet. Seitdem ist viel passiert. Die neue Werkstatt ist ein fester Bestandteil des <a href="http://lindenau-museum.de/studio"><em>studios </em>im Lindenau-Museum</a> geworden und ein Ort, an dem Kunst, Geschichte, Technik und <a rel="noopener" href="https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/kulturelle-bildung/kulturelle-bildung_node.html#:~:text=Kulturelle%20Bildung%20bef%C3%A4higt%20zum%20sch%C3%B6pferischen,auch%20emotionale%20und%20gestalterische%20Handlungsprozesse." target="_blank">kulturelle Bildung</a> miteinander verschmelzen. Hier können Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene auf interaktive und fesselnde Weise in die Welten der Kunst und der Medien eintauchen. In einer Zeit, in der digitale Technologien unser tägliches Leben durchdringen, versuchen wir eine Verbindung zwischen analoger Kunst und moderner Technik zu schaffen. Dabei dient die Technologie nicht nur als Mittel zur Darstellung von Kunstwerken, sondern als Werkzeug zur kulturellen Bildung.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Bunt, verrückt und manchmal auch laut: Das studioDIGITAL als Ort zum Ausprobieren und Experimentieren</h3> <p>Als Teil der Abteilung <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/studio-kunstvermittlung" target="_blank">studio+Kunstvermittlung</a> ist das studioDIGITAL in alle Kursformate integriert. So können beispielsweise Familien im Rahmen der Offenen Familienwerkstatt unsere studios kennenlernen und ausprobieren. Im studioDIGITAL wurden zum Beispiel Malroboter gebaut, die mit Stiften und Pinseln bestückt, faszinierende Bilder entstehen ließen.</p> <p>Wer tiefer in die Technik einsteigen möchte, kann sich zu unseren <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/kunstvermittlung/studioangebote/kurse-und-workshops" target="_blank">Kursen</a> anmelden. Über mehrere Wochen erwerben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer technische Grundlagen sowie redaktionelle oder künstlerische Fähigkeiten. Sie können aufwändigere Medienproduktionen erarbeiten und sich kreativ ausprobieren. Dabei werden sie von erfahrenen Medienschaffenden unterstützt. Aktuell ist es möglich, einen Podcastkurs und einen Trickfilmkurs zu besuchen. Es wurden auch Schnupperkurse für digitales Zeichnen und Fotografie angeboten. Weitere Kursformate werden folgen. So sollen nach den Winterferien 2024 Kinder und Jugendliche beispielsweise 3D-Druck ausprobieren können.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h6>Wie klingt eigentlich eine Softeismaschine?</h6> <p>Auch in den Ferien gibt es immer wieder spannende Angebote, in denen sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können. So wurden bereits erste Podcasts und Hörstücke in unserem Tonstudio produziert. In der Podcastreihe „<a rel="noopener" href="https://soundcloud.com/lindenau-museum-altenburg" target="_blank">Von wegen leise</a>“ entstehen immer neue Folgen, Hörstücke und Soundcollagen, die auf dem Soundcloudkanal des Lindenau-Museums zu hören sind.</p> <p>In einem der ersten Ferienkurse im studioDIGITAL entstand beispielsweise ein lustiges Geräusche-Quiz. Bestückt mit Mikrofon und Tablets ging eine Gruppe von Sieben- bis Neunjährigen der Frage nach: Wie klingt eigentlich der Sommer? Sie sammelten Geräusche, nahmen Texte auf und schnitten diese am Computer zusammen. Dabei waren die Geräusche gar nicht so einfach zu erraten. Denn wenn plötzlich ein lautes Brummen und Dröhnen ertönt, stellt sich die Frage: Was hat das mit dem Sommer zu tun? Ganz einfach: Es war die Softeismaschine einer nahegelegenen Eisdiele.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Lernen durch Selbermachen: Kunstvermittlung durch aktive Medienarbeit</h3> <p>Unsere Angebote stehen immer in Beziehung zu den Kunstsammlungen des Museums. Einzelne Kunstwerke, aber auch Themen von Sonderausstellungen dienen als Inspiration für spannende Projekte. Die Kinder und Jugendlichen setzen sich mit den Geschichten der Sammlungsobjekte, deren Entstehung oder Machart auseinander und setzen dann das Gelernte im eigenen kreativen Schaffen um. So wurden bereits griechische Mythen in Trickfilmen lebendig, Bilder <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Etrusker" target="_blank">etruskischer</a> Grabhöhlen dienten als Vorlagen für animierte <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Graphics_Interchange_Format" target="_blank">GIFs</a> und im <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/3D-Druck" target="_blank">3D-Drucker</a> entstand Weihnachtsdekoration.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_Wir%20bringen%203DDruck%20ins%20Spiel2_je.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_Wir%20bringen%203DDruck%20ins%20Spiel2_je.png" width="2400" height="1600" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Impression aus dem Sommerferienkurs „Wir bringen 3D Druck ins Spiel“, Foto: Julia Ehrhardt</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <h6>Wir bringen 3D Druck ins Spiel</h6> <p>Doch nicht nur unsere eigenen Ausstellungsobjekte inspirieren uns bei der Arbeit. Die Ausstellung „<a rel="noopener" href="https://www.abg-net.de/aktuelles/inhalte/kunst-kultur-freizeit/2023/05/alles-in-einer-hand-100-jahre-spielkartenmuseum-altenburg" target="_blank">Alles in einer Hand – 100 Jahre Spielkartenmuseum</a>“ auf dem <a rel="noopener" href="https://www.residenzschloss-altenburg.de/residenzschloss-altenburg.html" target="_blank">Residenzschloss Altenburg</a> diente in den Sommerferien 2023 Kindern und Jugendlichen als Anregung für ein eigenes Spiel. Eine erfahrene Spielpädagogin und ein 3D-Drucktechniker gestalteten mit acht Kindern und Jugendlichen Karten, Spielbretter und Spielfiguren. Mit Tablets, aber zum Teil auch ganz analog mit Papier und Stiften, wurden die Entwürfe gestaltet. Die Spielfiguren wurden mit einem Computerprogramm entworfen und dann im 3D-Drucker gedruckt. Das dabei nicht immer alles auf Anhieb klappt, wurde schnell klar. So brachen die feinen Barthaare einer kleinen Katze immer wieder ab, der Propeller auf der Mütze eines Frosches knickte um und manch eine Figur wollte einfach nicht stehen bleiben. Am Ende waren jedoch alle Figuren gedruckt und drei zauberhafte Spiele fertig zum Ausprobieren. Und die Katze? Die muss nun eben ohne Barthaare über das Spielbrett schleichen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung oder was eine Pilzkuh in einem Film zu suchen hat</h3> <p>Das studioDIGITAL arbeitet wie alle Werkstätten eng mit den anderen Abteilungen des Lindenau-Museums zusammen, besonders intensiv jedoch mit der <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/alles-neu/lindenau21plus/digitalisierung" target="_blank">Digitalisierungsabteilung</a>. Hier werden Gemälde und Grafiken, aber auch dreidimensionale Objekte digitalisiert und online sichtbar gemacht. Diese Digitalisate können mit Tablets und speziellen Apps bemalt werden. So wurden bereits Skulpturen coloriert und neue Kunstwerke kreiert. Dank zweier 3D-Drucker wurden auch erste Skulpturen und antike Vasen mit Filament gedruckt. Eine mehr als 2.000 Jahre alte etruskische Ölflasche in Form eines Hasen kann nun angefasst und ihre Funktionsweise erprobt werden.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_Kindermuseumsnacht_jpt.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_Kindermuseumsnacht_jpt.png" width="2074" height="1383" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Digitales Bemalen von antiken Vasen, Foto: Jens Paul Taubert</figcaption> </figure> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Das studioDIGITAL profitiert aber nicht nur von der Digitalisierung von Kunstwerken. Auch die Vielfalt der Werkstätten des <em>studios </em>bietet Potential. Uns ist es dabei wichtig, immer wieder eine Verbindung zwischen der analogen und der digitalen Welt zu schaffen und Werkstätten miteinander zu verbinden. So gestalteten Jugendliche einer Förderschule tolle Figuren aus Holz. Sie sägten, schliffen und bemalten ihre Tiere. Es entstanden, Robben, Hunde und ein Fantasiewesen mit dem lustigen Namen Pilzkuh. An einem zweiten Vormittag ging es ins studioDIGITAL. Hier dachten sich die Jugendlichen Geschichten rund um ihre Tiere aus und setzten diese als Animation um. Ein sprudelnder Vulkan verjagte die Pilzkuh und eine Robbe platzte in eine Strandparty. Es war wunderbar zu sehen, wie diese Jugendlichen aufblühten, wie sie ihre Scheu verloren und wie stolz sie über ihre Ergebnisse waren.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Das studioDIGITAL als außerschulischer Lernort</h3> <p>Neben den Kurs-Angeboten ist das <em>studio </em>im Lindenau-Museum Altenburg seit Jahren fester Anlaufpunkt für Schulen. Schülerinnen und Schüler können so auch ihre <a rel="noopener" href="https://www.schulportal-thueringen.de/lernorte" target="_blank">Lernreise außerhalb des Schulgebäudes</a> fortsetzen. Bei uns werden Kunst und Geschichte erlebbar gemacht und darüber hinaus Medienkompetenz gefördert. Die Schülerinnen und Schüler gestalten eigene Medienprojekte. Sie lernen, digitale Medien nicht nur zu konsumieren, sondern auch selbst kreativ zu werden. Neben diesen praktischen Kompetenzen werden auch Fähigkeiten zur kritischen Analyse und Interpretation geschult. Die unmittelbare Begegnung mit den Kunstwerken im Museum und die Umsetzung in eigenen Arbeiten ermöglicht ein tieferes Verständnis sowie vor allem eine emotionale Verbindung zu den behandelten Themen. Denn bei uns darf es auch gern mal farbenfroh und verrückt zugehen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h6>Athena trägt Prada</h6> <p>Ganz kreativ waren zum Beispiel die Schülerinnen und Schüler einer 5. Klasse. In einem Workshop zur farbigen Antike hatten sie die Möglichkeit, eine der antiken Skulpturen zu bemalen. Dafür wurden Fotos und 3D-Objekte aus der Digitalisierung verwendet. Mit bunten Kleidern und verrückten Frisuren wurden die weißen Gipsabgüsse neu in Szene gesetzt. Auch lustige Flipflops und Handtaschen bekamen die alten Götter angezogen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_digitalesZeichnen_nf.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_digitalesZeichnen_nf.png" width="2016" height="1352" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Antike Skulpturen bekommen digitale bunte Kleider und verrückte Frisuren, Foto: Nora Frohmann</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <h6>Wie kommt eigentlich Athena zur Welt?</h6> <p>Unsere <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/antikensammlungen" target="_blank">Sammlung von Gipsabgüssen</a> mit Skulpturen der Antike bietet immer wieder spannende Ansatzpunkte für die Medienarbeit. Wie Geschichten und Mythen rund um die antiken Götter begeistern können, durften wir mit der 6. Klasse einer Realschule erleben. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich die Figur der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Athene#:~:text=Athena%20ist%20Schutzg%C3%B6ttin%20und%20Namensgeberin,und%20Schutzg%C3%B6ttin%20der%20mykenischen%20Herrscher." target="_blank">Athena</a> genau anschauen, während zeitgleich verschiedene Geschichten vorgestellt wurden. Zu diesem Zeitpunkt des Projektes blickten wir noch in die müden Gesichter von Schülerinnen und Schülern, die wenig Lust hatten, sich mit der Antike zu beschäftigen. Doch schnell war klar, die antiken Mythen sind spannend. Mit einer Axt wurde dem Göttervater Zeus der Kopf gespalten und Athena kam zur Welt. Diese Geschichte wählten die meisten Jugendlichen aus und setzten sie als Trickfilm um. Die Figuren mussten gebastelt und ein Hintergrund gestaltet werden. Doch wie spaltet man einen Kopf? Wie erscheint Athena? Und wie klingt das Ganze? Für all diese Fragen musste eine Lösung gefunden werden. Nach drei Stunden intensiver Arbeit stellten sich die Schülerinnen und Schüler stolz ihre Filme vor. Die ungewöhnliche Geburt der Athena werden sie wohl so schnell nicht vergessen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Mit Kunstblut und Kamera in den Wald: Das studioDIGITAL ist auch mobil</h3> <p>Nicht nur im Museum und in der Werkstatt lässt sich mit der Technik des studioDIGITAl arbeiten, wir gehen auch hinaus. So konnten acht Jugendliche in den Sommerferien 2023 ein spannendes, gar unheimliches Filmprojekt auf dem Residenzschloss Altenburg erleben. Unter Anleitung des Produzenten des lokalen Fernsehsenders TV Altenburg und des Schauspieldirektors des <a rel="noopener" href="https://theater-altenburg-gera.de/" target="_blank">Theaters Altenburg Gera</a> drehten Kinder und Jugendliche eine Woche lang einen richtigen <a rel="noopener" href="https://youtu.be/qQ8EOZ79l2c?feature=shared" target="_blank">Gruselfilm</a>, der im studioDIGITAL auch seine Filmpremiere feierte.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_SFW_Filmwoche_je.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202402_SFW_Filmwoche_je.png" width="1815" height="1361" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Dreharbeiten während der Filmwoche in den Sommerferien 2023, Foto: Julia Ehrhardt</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die vielen Ideen der Kinder wurden in ein spannendes Drehbuch verpackt. Mit Kamera und Tonangel bestückt, ging es in den Schlosspark, um das Geheimnis einer verschollenen Prinzessin zu lösen. An Theaterschminke und Kunstblut wurde dabei nicht gespart. Schließlich müssen böse Geister auch gruselig aussehen. Nach drei Drehtagen im Wald und im Residenzschloss ging es ins studioDIGITAL. Hier haben die Jugendlichen die ersten Grundlagen des Filmschnitts kennengelernt und im Tonstudio durften sie sogar richtig laut schreien. Und das Ende des Films? Es gibt keins! Ein zweiter Teil folgt vielleicht im nächsten Jahr.</p> </div> </div> </div> 2024-02-05T10:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/1-jahr-studiodigitalOnline-RedaktionAltenburger Praxisjahr 2023/34 – Die vier Jahrespraktikantinnen stellen sich vor <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Das <a rel="noopener" href="https://www.altenburger-praxisjahr.de/" target="_blank">Altenburger Praxisjahr 2023/24</a> begann für uns vier Praktikantinnen sehr ereignisreich: Mit der Arbeit in der <a rel="noopener" href="https://www.neukirchner-villa.de/" target="_blank">Villa Neukirchner</a> in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Thalheim/Erzgeb." target="_blank">Thalheim im Erzgebirge</a>. Wir restaurierten hier zu fünft, unter der Leitung von Dr. Arnulf Dähne, das Wandgemälde in der Kuppel des Gebäudes. Da wir Praktikantinnen in einer Ferienwohnung für die Woche untergebracht waren, lernten wir uns während der Arbeit, aber auch beim gemeinsamen Kochen und bei den Abendgesprächen schnell besser kennen.</p> <p>In der Villa stiegen wir unter leichtem Schwindel jeden Morgen zusammen auf das Baugerüst, um unsere Arbeit zu beginnen. Wir fingen mit der Freilegung der Malerei an, welche teilweise noch unter Putz verborgen lag, und machten uns mit Skalpellen daran, diesen Putz zu entfernen. Dafür war, wie sich schnell herausstellte, mehr Fingerspitzengefühl gefragt, als man zunächst vermuten würde. Zu viel Druck oder eine stumpfe Klinge konnten zur Beschädigung der Malerei oder aber zum Abbrechen der Klinge führen. Stetig gewannen wir mehr und mehr Vertrauen in uns und ein Gefühl für die Technik. Nachdem die Malerei freigelegt war, mussten die Fehlstellen geschlossen werden. Dafür nutzten wir einen Kreidekitt, welche wir mit Spachteln an die Wand brachten. Überschüssiges nahmen wir nach dem Antrocknen mit einem nassen Schwamm ab, sodass sich die Kittung auf einer Ebene mit der Malschicht befand. Im Anschluss konnten wir mit der Retusche beginnen – und darauf hatten wir alle gespannt gewartet. Ohne viel Übung stellte sich diese Aufgabe als besondere Herausforderung dar. Aber wir tasteten uns langsam an die Farbe heran, machten zwischendurch Versuche an der Wand, und kamen unter der Anleitung von Arnulf Dähne alle zu einem Ergebnis, auf dass wir stolz waren. Nach diesem gemeinsamen Start in das Altenburger Praxisjahr 2023/24 ging es für uns zunächst in unsere jeweiligen Arbeitsstellen: Fritzi Hoy ist bei Arnulf Dähne von <a rel="noopener" href="https://pons-asini.de/index.html" target="_blank">pons asini</a> im Einsatz, Rieke Meißner bei Mario Gawlik im <a rel="noopener" href="https://www.residenzschloss-altenburg.de/residenzschloss-altenburg.html" target="_blank">Residenzschloss</a>, Saskia Rudolph im Lindenau-Museum bei Natalie Meurisch und Mareike Möller und Alva Kozempel bei Johannes Schaefer von <a rel="noopener" href="https://www.restaurierung-schaefer.de/index.php?id=2" target="_blank">Schaefer Restaurierung</a>. Im Folgenden stellen wir uns und unsere Jahresprojekte kurz vor:</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Rieke%20Mei%C3%9Fner.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Rieke%20Mei%C3%9Fner.png" width="768" height="1024" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Rieke Meißner, Foto: Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Ich heiße Rieke Meißner und bin im Residenzschloss Altenburg angestellt. Für das Altenburger Praxisjahr bin ich aus Baden-Württemberg nach Thüringen gezogen. Ich muss sagen, in einem Schloss zu arbeiten ist wirklich etwas Besonderes! Vor allem, weil hier in Ausstattung, Bauwerken usw. die verschiedensten Kunst- und Architekturepochen zusammenkommen. Fragen kann ich jederzeit stellen, wodurch ich ein gutes Bild von den unterschiedlichen Themen bekomme, die wir in der Theorie behandeln. Meine Arbeit spielt sich hauptsächlich in der hauseigenen Restaurierungswerkstatt, unter der Anleitung von Mario Gawlik, ab. Der Schwerpunkt der Stelle im Schloss liegt bei der Holzrestaurierung und -konservierung. Das passt für mich persönlich sehr gut, da ich gerne in diese Richtung studieren und Möbelrestauratorin werden möchte. Dies in einem Umfeld mit historischen Möbeln tun zu können, die ich genauestens unter die Lupe nehmen darf, ist toll. Die Arbeit an hölzernen Wandleisten aus einem prunkvollen Flur des Schlosses nahm bis jetzt die meiste Zeit in Anspruch. Ich lernte anhand dieser Arbeiten zwei verschiedene Vergoldungstechniken kennen, welche in den meisten Kunsthandwerken große Relevanz haben. Ich übernehme auch die Restaurierung einer Tür der Schlosskirche, welche meine Vorgängerin begonnen hat. Hier stehen besonders das Kitten, also das Ausgleichen von Fehlstellen, und die Retusche in den unterschiedlichen Farbtönen des Holzes im Vordergrund. Zurzeit übe ich auch den Umgang mit Holz, indem ich schnitze oder Holzverbindungen baue. Zusätzlich findet die ausführliche Recherche zu meinem Praxisobjekt statt, die ich in meiner Restaurierungsdokumentation zusammenfasse. Es waren bis jetzt schon ereignisreiche vier Monate und die Zeit vergeht wie im Flug. Ich schätze dieses Umfeld wirklich sehr und freue mich auf alles, was ich noch lernen werde! Jetzt stehen aber erstmal die Bewerbungen an den Hochschulen an.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Alva%20Kozempel.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Alva%20Kozempel.png" width="768" height="1024" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Alva Kozempel, Foto: Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mein Name ist Alva Kozempel, ich komme aus der Nähe von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bingen_am_Rhein" target="_blank">Bingen am Rhein</a> und mein Hauptarbeitsplatz ist das Atelier von Johannes Schaefer. Hier arbeite ich momentan an einem Epitaph, welches ich zu Beginn des Praktikums zunächst gefestigt und gereinigt habe. Im Anschluss daran habe ich die Fehlstellen mit Kreidegrund gekittet. Nun bin ich dabei, diese zu vergolden. Die Kenntnisse hierfür haben wir im Vergoldekurs von Mario Gawlik gelernt – das hat mir besonders viel Spaß macht! Im Atelier konnte ich außerdem ein Gemälde reinigen und an diesem auch eine Firnisabnahme durchführen. Allein der Prozess der Reinigung des recht stark verschmutzten Gemäldes war schon eine sehr faszinierende Arbeit. Der Vorher-Nachher-Vergleich hat mich umso mehr gefreut, da die Farben wieder strahlen.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Die Abnahme eines vergilbten Firnisses von einem Gemälde ist meist das, was die meisten Menschen mit Restaurierungsarbeiten verbinden. Und es war auch für mich der Anstoß, beruflich in diese Richtung zu gehen. Da ich mir zu Beginn des Jahres noch nicht sicher war, in welcher Fachrichtung ich mich sehe, hatte ich mir als Praxisobjekt ein Papierobjekt gewünscht. Dieses habe ich in Form von drei Büchern bekommen, die sich in Inhalt und Heftung grundlegend unterscheiden. Es stellt sich heraus, dass ich tatsächlich zur Fachrichtung Buch und Papier tendiere! Im Museum arbeite ich deshalb zurzeit an einer Druckgrafik von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Kokoschka" target="_blank">Oskar Kokoschka (1886–1980)</a> und mache Übungen zur Rissschließung sowie zum Glätten von Papier. Studieren möchte ich gern in Köln, Stuttgart oder Wien, in den Fachrichtungen Buch, Grafik und Fotografie.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Saskia%20Rudolph.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Saskia%20Rudolph.png" width="576" height="1024" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Saskia Rudolph, Foto: Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mein Name ist Saskia Rudolph. Die ersten Monate des Praktikums sind nun schon Geschichte. Kaum zu glauben, sehe ich mich doch noch beim Vorstellungsgespräch sitzen. Ich bekam die Stelle im Lindenau-Museum. Dort wurde ich mit dem Museumsbetrieb vertraut gemacht und kam mit der Papier- und der Gemälderestaurierung in Berührung. Mein Praxisobjekt, ein barockes Leinwandgemälde inklusive Rahmen aus dem Residenzschloss Altenburg, konserviere und restauriere ich mit Betreuung von Natalie Meurisch, Restauratorin für Gemälde, Skulptur und moderne Materialien, und Johannes Schaefer, Diplom-Restaurator für Konservierung und Restaurierung polychromer Bildwerke, Bildtafeln und Retabel. Das Gemälde zeigt das Portrait <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_II._(Mecklenburg)" target="_blank">Karl II. Herzog von Mecklenburg-Strelitz (1741–1816)</a>. Neben der Arbeit an meinem Praxisobjekt erlebe ich täglich den Museumsbetrieb. Ich konnte schon bei der Hängung der Ausstellung <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/details-ausstellungen/19-oktober-2023-bis-14-januar-2024-kunst-von-kuehl-erwerbungen-aus-einer-dresdner-galerie" target="_blank">„Kunst von Kühl – Erwerbungen aus einer Dresdner Galerie“</a> mithelfen, im Depot Gemälde für Transporte vorbereiten, Gipse reinigen, an Teambesprechungen teilnehmen und an einem Schmuckrahmen arbeiten. An diesem führte ich eine Reinigung durch. Gerade bin ich dabei, Fehlstellen mit Kreidegrund zu kitten und diese dann zu schleifen. Nach den vielen Erfahrungen, die ich bis jetzt schon sammeln durfte, bin ich sehr gespannt, was mich noch erwartet. Bewerben möchte ich mich in Dresden für die Fachrichtung Bildwerke und Raumausstattung und in Wien für die Fachklasse Gemälde-Skulptur.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Fritzi%20Hoy.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2024/202401_Fritzi%20Hoy.png" width="768" height="1024" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Fritzi Hoy, Foto: Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die Eindrücke, die ich – Fritzi Hoy – bereits gewinnen durfte, haben meine Erwartungen an das Praxisjahr in jeder Hinsicht übertroffen. Wir bekommen durch die zahlreichen Stunden in den Ateliers und Werkstätten nicht nur einen Überblick über die verschiedenen Fachrichtungen in der Restaurierungsarbeit, sondern dürfen diese auch praktisch kennenlernen. Es ist spannend zu sehen, wie die einzelnen Disziplinen miteinander im Austausch stehen und sich gegenseitig ergänzen. Mit meinem Praxisobjekt aus dem Depot des Residenzschlosses Altenburg, einem <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/chrome-extension%3A//efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https%3A//www.fh-erfurt.de/fileadmin/Dokumente/BKR/KR/Projekte/Archaeologie/Roemhilder_Kaestchen.pdf" target="_blank">Römhilder Kästchen</a>, kann ich in den Fachbereich Holz, Stein, Papier und Metall eintauchen. Wenn ich nicht an meinem Arbeitsplatz im Torhaus bei Arnulf Dähne bin, durfte ich schon Orte besichtigen, die trotz ihres Zustandes bewundernswert, außergewöhnlich und idyllisch, oft jedenfalls ganz in unserer Nähe sind. Dabei wird jede erdenkliche Kunstepoche in ihrer Einzigartigkeit widergespiegelt. Für welche Fachrichtung ich mich entscheiden werde, steht noch nicht ganz fest, in Dresden werde ich mich aber auf jeden Fall bewerben. Ich bin gespannt auf die weiteren Monate sowie die anstehenden Bewerbungen und Eignungsprüfungen an den Universitäten, die uns Anfang 2024 erwarten.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Wir sind sehr dankbar, dass sich so viele Menschen bereiterklärt haben, ihr Wissen mit uns zu teilen, um uns eine gute Vorbereitung zu ermöglichen! Direkt zu Beginn dieses neuen Jahres werden wir unsere Mappen mit lange erarbeiteten künstlerischen Arbeiten und Praktikumsberichten rausschicken, um dann hoffentlich zu den Prüfungen eingeladen zu werden. Wir sind natürlich alle sehr aufgeregt, freuen uns aber auch sehr auf das, was da noch kommt!</p> </div> </div> </div> 2024-01-10T10:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/altenburger-praxisjahr-2023-34-die-vier-jahrespraktikantinnen-stellen-sich-vorOnline-RedaktionCarl Lohse – ein Maler knalliger Porträts und stürmischer Landschaften <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Carl%20Lohse%2C%20Portr%C3%A4t%20Buschbeck%2C%20Fabrikant%2C%20um%201920%2C%20%C3%96l%20auf%20Presspappe%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg%2C%20Foto%20punctum_Bertram%20Kober.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Carl%20Lohse%2C%20Portr%C3%A4t%20Buschbeck%2C%20Fabrikant%2C%20um%201920%2C%20%C3%96l%20auf%20Presspappe%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg%2C%20Foto%20punctum_Bertram%20Kober.png" width="1138" height="1536" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Carl Lohse, Porträt Buschbeck (Fabrikant), um 1920, Öl auf Presspappe, 75,8 × 57 cm (88,8 × 70,3 cm), Lindenau-Museum Altenburg, Inv.-Nr. 2320, Foto: punctum/Bertram Kober © VG-Bildkunst, Bonn 2023</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Feurige Ohren, kirschrote Lippen, die Haut rosarot, die Haare ergraut, dazu eine lose gebundene Krawatte, die den knittrigen Hemdkragen umfasst, ein Herrenporträt vor grün-gelblicher Wand: Doch wer ist hier nur dargestellt?</p> <p>Der Künstler Carl Lohse (1895–1965) interpretierte in seiner kurzen expressiven Phase um 1920 in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bischofswerda" target="_blank">Bischofswerda</a> die klassische Bildgattung des <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Portr%C3%A4t" target="_blank">Porträts</a> völlig neu. Gerade weil er den Ausschnitt des Brustbildes eher konventionell wählte, stellen das brennende Rot und das giftige Grüngelb die Autorität des Porträtierten keineswegs in Frage, obwohl zunächst nicht ersichtlich wird, wen Lohse hier überhaupt ins Bild setzte.</p> <p>Vereinzelte, gezielt verwendete kühne und prägnante Linien steigern die wesentlichen Gesichtszüge des Darstellten ins <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karikatur" target="_blank">Karikatur</a>hafte. Die knalligen, kräftigen Farben in Kombination mit einem expressiven Pinselstrich ermöglichten Lohse einen schwungvollen, pastosen und direkten Farbauftrag, ohne dass er dafür die Malfläche hätte grundieren müssen. Die Umrisse sind schemenhaft, Details so gut wie nicht vorhanden: Hat der Porträtierte die Augen geöffnet oder geschlossen? Der Künstler spielt mit der Ambivalenz aus eindeutigen Merkmalen des Wiedererkennens und allgemeingültigen, unspezifischen Attributen. Um zu erfahren, wen genau Lohse hier porträtierte, ist ein Blick in die Vergangenheit des Bildes bis hin zu seiner Entstehung unerlässlich. Dafür stellt sich zunächst die Frage, wie das Bild überhaupt in die Gemäldesammlung des Lindenau-Museums kam.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>„Mit dem Ankauf zweier typischer Gemälde des Künstlers, einem Porträt und einer Landschaft, könnte der Galerie ein kraftvoll eigenständiger Beitrag deutscher nachexpressionistischer Malerei hinzugefügt werden.“ In ihrem Anfang November 1985 gestellten Antrag beabsichtigte die damalige Direktorin des Lindenau-Museums Jutta Penndorf die Kostenübernahme durch den Kulturfonds der DDR für die Erwerbung zweier Gemälde des zwanzig Jahre zuvor verstorbenen Malers Carl Lohse. Zu seinem 90. Geburtstag hatte die Kunstausstellung Kühl vom 20. Oktober bis zum 16. November 1985 eine Gedächtnisausstellung veranstaltet, von der das Lindenau-Museum die zwei Werke „Kopf Schweinchen“ für 2.500,- M (Abb. 1) und „Stürmische Landschaft“ (Abb. 2) für 5.500,- M ankaufte. Den wenig schmeichelhaften Titel „Kopf Schweinchen“ hatte <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_K%C3%BChl_(K%C3%BCnstler)" target="_blank">Johannes Kühl</a> dem Bild verpasst, im Lindenau-Museum wurde das Herrenbildnis dagegen als „Porträt Buschbeck (Fabrikant)“ inventarisiert.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Carl%20Lohse%2C%20St%C3%BCrmische%20Landschaft%2C%20undatiert%2C%20%C3%96l%20auf%20Leinwand%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg%2C%20Foto%20punctum_Bertram%20Kober.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Carl%20Lohse%2C%20St%C3%BCrmische%20Landschaft%2C%20undatiert%2C%20%C3%96l%20auf%20Leinwand%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg%2C%20Foto%20punctum_Bertram%20Kober.png" width="1557" height="1287" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Carl Lohse, Stürmische Landschaft, undatiert, Öl auf Leinwand, 74 x 89 cm (90,5 x 105,8 cm), Lindenau-Museum Altenburg, Inv.-Nr. 2321, Foto: punctum/Bertram Kober © VG-Bildkunst, Bonn 2023</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Beide Gemälde verkaufte Kühl „im Namen und für Rechnung“ einer dritten Person, wie aus den Unterlagen im Archiv der Dresdner Galerie hervorgeht. Die „Stürmische Landschaft“ stammt aus dem Nachlass Lohses, den seine Witwe Johanna Lohse (1894−1977) in Bischofswerda verwaltete. Nach ihrem Tod erbten ihre Töchter Marie Gundlach in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Aalen" target="_blank">Aalen</a> und Gerda Sieber in Jena die im Nachlass verbliebenen Werke des Künstlers. Die Landschaft befand sich im Eigentum von Gerda Sieber, bevor sie durch Kühl an das Lindenau-Museum verkauft wurde.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Ein Etikett auf der Bildrückseite belegt, dass sich auch das „Porträt Buschbeck“ im Nachlass von Carl Lohse befand (Abb. 3). Es wechselte als „Kopf Buschbeck (rosa Haut, graues Haar)“ bezeichnet am 26. Juni 1977 für 800,- M den Besitzer und gelangte über die Kunstausstellung Kühl nach <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Radebeul" target="_blank">Radebeul</a> zu einer Käuferin oder einem Käufer namens Heinze. 1985 nahm Johannes Kühl das „Porträt Buschbeck“ erneut in Kommission, nun von der Dresdnerin Charlotte Berta Julianne Beyer (1910−1992) für die erwähnte Gedächtnisausstellung.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Nachlassaufkleber%20auf%20der%20R%C3%BCckseite%20von%20Lohses%20Portr%C3%A4t%20Buschbeck%2C%20Foto%20punctum_Bertram%20Kober.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Nachlassaufkleber%20auf%20der%20R%C3%BCckseite%20von%20Lohses%20Portr%C3%A4t%20Buschbeck%2C%20Foto%20punctum_Bertram%20Kober.png" width="1907" height="1385" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Nachlassaufkleber auf der Rückseite von Lohses Porträt Buschbeck, Foto: punctum/Bertram Kober</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Der gebürtige Hamburger Carl Lohse ging im Oktober 1919 als freischaffender Künstler nach Bischofswerda, wo bis zum April 1921 sein expressionistisches Frühwerk entstand. 1920 nahm er an einer Ausstellung der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dresdner_Sezession_Gruppe_1919" target="_blank">Dresdner Sezession Gruppe 1919</a> in der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Galerie_Arnold">Galerie Arnold</a> teil. Heinrich Kühl arbeitete dort und lernte den Maler vermutlich auf diesem Weg kennen. 1931 hatte Lohse seine erste Sonderschau in der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kunstausstellung_K%C3%BChl" target="_blank">Kunstausstellung Kühl</a>. Zwischen 1952 und 1985 wurden seine Werke achtzehnmal bei Kühl präsentiert. Die enge Verbindung der Galerie zu Carl Lohse zeigt sich auch darin, dass Heinrich Kühl im Mai 1965 an der Beerdigung Lohses im kleinen Kreis teilnahm. Der Kunsthändler starb nur ein halbes Jahr später. 1966 fand unter der Galerieleitung von Johannes Kühl bereits eine Gedächtnisausstellung zu Lohse statt.</p> <p>Hermann Adolph Buschbeck (1847−1905) gehörte gemeinsam mit Friedrich Emil Hebenstreit (1852−1916) zu den Gründern der Fabrik Buschbeck und Hebenstreit, die Armaturen aus Metall, Eisen- und Stahlguss für Heizung, Dampf, Wasser und Gas herstellte. Die 1874 in Dresden gegründete Firma hatte ab 1899 eine Zweigstelle in Bischofswerda. Zu Lohses erstem Aufenthalt in der Stadt kam es durch die Einladung des Fabrikanten Karl Emil Hebenstreit (1877−1945), dem Sohn von Friedrich Emil, der ab Oktober 1919 sein Mäzen und ab 1925 durch Lohses Heirat mit Johanna Scheumann auch sein Schwager wurde. In den Fabrikhallen der Metalldreherei und Gießerei der Firma Buschbeck und Hebenstreit malte Lohse regelmäßig. Dort lernte er auch den Kaufmann und Mitinhaber Hermann Walter Buschbeck (1881−1927) kennen, den er um 1920 porträtierte. Anhand der Provenienzrecherchen ist heute genau nachvollziehbar, welcher Fabrikant aus der Familie Buschbeck hier dargestellt ist und welche Geschichte das Gemälde erzählt.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Im Dezember 2023 erscheint die erste Buchpublikation, die ausschließlich der Herkunft von Kunstwerken im Lindenau-Museum gewidmet ist. Der Band mit dem Titel „Kunst von Kühl. Erwerbungen aus einer Dresdner Galerie“ begleitet die gleichnamige KUNSTWAND-Ausstellung, die noch bis zum 14. Januar 2024 im Interim des Lindenau-Museums in der Kunstgasse 1 zu sehen ist. Zwischen 1953 und 1991 gelangten 31 Gemälde und zahlreiche grafische Blätter über die Kunstausstellung Kühl ins Lindenau-Museum. Über fast vier Jahrzehnte hinweg war die Dresdner Galerie einer der wichtigsten Partner beim Aufbau der neuen Sammlungen. Angekauft wurden in erster Linie Kunstwerke des 19. und 20. Jahrhunderts. Heinrich Kühl und später sein Sohn Johannes vermittelten dem Lindenau-Museum unter anderem Gemälde von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Sterl" target="_blank">Robert Sterl</a> (1867–1932), <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_von_Hofmann" target="_blank">Ludwig von Hofmann</a> (1861–1945), <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Berlit" target="_blank">Rüdiger Berlit</a> (1883–1939) und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Edith_Jasmand-Gro%C3%9Fmann" target="_blank">Edith Jasmand-Großmann</a> (1896–1985). Nach einem Einblick in die Geschichte der Kunstausstellung Kühl und in die Erwerbungspraxis stehen die Bilder und ihre Herkunft im Blickpunkt der Publikation. Im Zuge der Recherchen konnten nicht nur Provenienzen rekonstruiert, sondern auch Datierungen ermittelt, Dargestelltes identifiziert, Werkzusammenhänge erkannt sowie das ein oder andere interessante Detail aus dem Leben der Künstlerinnen und Künstler in Erfahrung gebracht werden, wie das Porträt von Hermann Walter Buschbeck des Malers Carl Lohse anschaulich belegt.</p> </div> </div> </div> 2023-12-13T13:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/carl-lohse-ein-maler-knalliger-portraets-und-stuermischer-landschaftenOnline-RedaktionWerkbetrachtung: Gerhard Altenbourgs "Janus und die Kinder der Zeit" (1955) <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p><a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/gerhard-altenbourg" target="_blank">Gerhard Altenbourg (1926–1989)</a> hat sich zeitlebens sehr für antike Mythologie interessiert, die immer wieder auch Eingang in sein Werk gefunden hat. Anhand der prächtigen Zeichnung „Janus und die Kinder der Zeit“ (1955) lässt sich dies gut nachvollziehen. Der Titel bezieht sich auf <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Janus_(Mythologie)" target="_blank">Janus</a>, den römischen Gott von Anfang und Ende, der den Ursprung der Dinge symbolisiert, aber auch unvereinbare Gegensätze in sich vereinigt. Im alten Rom wurden Janusskulpturen als Hüter und Torwächter von Gebäudeein- und -ausgängen eingesetzt. Im Künstlerhaus von Gerhard Altenbourg, welches er während der SED-Diktatur bewohnte und gestaltete, finden sich sowohl die Zeichnung „Janus“ von 1961 als auch mehrere selbst entworfene Kupfer- und Messingarbeiten, die auf den doppelköpfigen Janus Bezug nehmen. Die künstlerische Auseinandersetzung ist also eng mit seinem unmittelbaren Lebensumfeld verwoben. In seinem Künstlerbuch „O Janus oh Janus“ (1960) heißt es dazu passend: „Schaue rechts links schaue / Schaue nach oben schaue nach unten / Doch immer siehst Du nur Dich in Dich hinein". In einem Brief an <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erhart_K%C3%A4stner" target="_blank">Erhart Kästner</a> bekannte Altenbourg außerdem, der „Komplex des Janushaften“ stehe für „Ambivalenz [...], Doppeldeutigkeit, für Mehrschichtigkeit und oft auch für Zweigeschlechtlichkeit, als Eins von Mann und Weib“ (1969, aus: E. Kästner: "Das dritte Auge", 1992, S.55). Damit platzierte der Künstler ein unerwartet aktuelles Thema queerer Ambivalenzen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/Seite%20Altenbourg/Gerhard%20Altenbourg%20%28Werk%29/2_Zeichnung%20farbig%20I_Gerhard%20Altenbourg_Janus%20und%20die%20Kinder%20der%20Zeit_1955.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/Seite%20Altenbourg/Gerhard%20Altenbourg%20%28Werk%29/2_Zeichnung%20farbig%20I_Gerhard%20Altenbourg_Janus%20und%20die%20Kinder%20der%20Zeit_1955.jpg" width="1024" height="799" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Gerhard Altenbourg, Janus und die Kinder der Zeit, 1955, Aquarell und Tempera auf grauem Italienisch-Ingres, Lindenau-Museum Altenburg (Inv.-Nr. Z 16666) © Stiftung Gerhard Altenbourg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Auf dem kleinteiligen Querformat auf grauem Papier, mit feinem Pinsel in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Aquarell" target="_blank">Aquarell</a> und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tempera" target="_blank">Tempera</a> bearbeitet, sind im zentralen Vordergrund zwei in Gelb ausgemalte Figuren vor blauen und rötlichen bzw. schwarz gestrichelten Flächen zu sehen. Diese Gestalten scheinen aus dem Blatt herauszublicken.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Um die fantastisch anmutenden Figuren mit einerseits rotem, zweigeteiltem Schädelumriss (Janus) und andererseits schnabelartigem Profil reihen sich weitere Figuren, die wirken, als strebten sie in verschiedene Richtungen. Übertragen auf zeitliche Dimensionen dürfte die Komposition aus Schemen, Traumfiguren und ungegenständlichen Flächen zwischen „Anfang und Ende“ der Zeit angeordnet sein. Aus dem oberen Bilddrittel blickt eine weitere rötliche Gestalt einäugig aus einer offenen Fläche hervor, als käme sie aus einer tieferen, hinter der Darstellung liegenden Bildfläche. Damit ist sowohl die individuelle Wahrnehmung von Zeit (und Raum) wie auch der Gegensatz von Traum und Wirklichkeit angesprochen. Zugleich ist die Komposition Ausdruck des künstlerischen Selbstfindungsprozesses. „Wenn ich zeichne“, so Altenbourg 1987, „trete ich aus der Zeit heraus.“ Altenbourg wird gewissermaßen selbst zu einem Protagonisten und Bewohner der eigenen Fantasiewelt. Damit steht er dem <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Phantastischer_Realismus" target="_blank">fantastischen Realismus</a> nahe, einer von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Bellmer" target="_blank">Hans Bellmer</a> (1902–1975) und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Salvador_Dal%C3%AD" target="_blank">Salvador Dalí</a> (1904–1989) aus dem <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Surrealismus" target="_blank">Surrealismus</a> entwickelten Stilrichtung, zu welcher sich Altenbourg selbst aber nie ausdrücklich bekannt hat.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Das Blatt darf als ein Schlüsselwerk Gerhard Altenbourgs angesehen werden. Es ist eine der ersten Arbeiten des Künstlers, die bereits 1956 vom Lindenau-Museum Altenburg erworben wurden. 1957 war sie in der bis 1989 einzigen Ausstellung zu Altenbourgs Werken im Lindenau-Museum erstmals öffentlich zugänglich und anschließend im Kunstkabinett Berlin (1958) ausgestellt. Der während der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Demokratische_Republik" target="_blank">DDR</a> als Sonderling kritisch beäugte Gerhard Altenbourg war Repressalien ausgesetzt und wurde 1964 wegen eines Zollvergehens (dem Verkauf von Drucken in den Westen) zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Unter anderem aus diesem Grund würdigte man ihn erst zwei Jahrzehnte später in Ausstellungen.</p> <p>Die Zeichnung „Janus und die Kinder der Zeit“ war nach 1989 in Altenburg erst wieder in der Ausstellung „Gerhard Altenbourg und die Antike“ (2013) sowie in „Altenbourg in Altenburg“ (2016) zu sehen. Zuletzt wurde das Blatt in <a rel="noopener" href="https://www.kunstsammlungen-chemnitz.de/ausstellungen/carlfriedrich-claus-and-gerhard-altenbourg-in-dialogue/" target="_blank">Gegenüberstellung mit Werken von Carlfriedrich Claus</a> 2021 in Chemnitz präsentiert.</p> </div> </div> </div> 2023-11-14T10:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/werkbetrachtung-gerhard-altenbourgs-janus-und-die-kinder-der-zeit-1955Online-RedaktionVon Büchern und Menschen – Teil 1 <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Gehören auch Sie zu den Menschen, die Ihren Namen in die eigenen Bücher eintragen? Tatsächlich finden sich bereits in mittelalterlichen Handschriften wiederholt Namenseinträge früherer Besitzerinnen und Besitzer. Augenfällig ließ sich durch solche Vermerke der eigene Besitzanspruch auf das kostbare Werk dokumentieren.</p> <p>Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde zudem damit begonnen, Farbstempel zu nutzen, um Bücher als das Eigentum einer Privatperson oder einer Institution zu kennzeichnen. Im Lindenau-Museum Altenburg finden sich so noch heute einzelne Exemplare, die durch den Stempelabdruck „BIBLIOTH. DUC. ALTENBURG“ als früherer Besitz der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Sachsen-Gotha-Altenburg" target="_blank">Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg</a> erkennbar sind.</p> <p>Bis in die Gegenwart nutzen vor allem Bibliotheken Stempel, um ihre Bestände zu kennzeichnen. Dabei finden sich Stempelabdrücke an den unterschiedlichsten Stellen der Bücher. Sei es auf dem <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schmutztitel" target="_blank">Schmutztitel</a>, dem Titelblatt, der Impressumsseite oder gar auf einer Textseite.</p> <p>Daneben existieren seit dem 15. Jahrhundert auch Blätter, die als Besitzvermerk mit Wappen bedruckt wurden. Ab dem 18. Jahrhundert wichen diese zunehmend Symbolen und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Allegorie" target="_blank">Allegorien</a>, christlichen Bildmotiven oder Bildern nach literarischen Vorlagen.</p> <p>Bezeichnet werden solche Blätter als <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/Exlibris" target="_blank">Exlibris</a>. Der Begriff entstammt dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt „aus den Büchern“. Häufig auf der Innenseite des vorderen Deckels angebracht, ist die grafische Gestaltung mit dem Namen der besitzenden Person oder einer Sammlung verknüpft.</p> <p>Für die Forschung sind jedwede Besitzvermerke von größter Bedeutung. Daher möchten wir in diesem Blog in loser Folge Stempel, Exlibris und handschriftliche Notizen vorstellen, denen wir bei der täglichen Arbeit in den uns anvertrauten Bücherschätzen der Bibliothek des Lindenau-Museums begegnen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Stempel%20Kunstgewerbe-Verein.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Stempel%20Kunstgewerbe-Verein.jpg" width="1342" height="2036" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Stempel des Kunstgewerbe-Vereins Altenburg, S.-A.</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Kunstgewerbeverein Altenburg</h3> <p>Unter A 400 D verortet die Bibliothek des Lindenau-Museums ein Exemplar des Statistischen Handbuchs für Kunst und Kunstgewerbe im Deutschen Reich 1881, welches Rudolf Springer im gleichen Jahr in Berlin herausgegeben hat. In diesem findet sich der querovale Stempel des Kunstgewerbevereins Altenburg. Zusätzlich klebte der Verein sein Exlibris ein. Das hochrechteckige Blatt, welches von dem 1877 in Meuselwitz geborenen Künstler Ernst Geitel geschaffen wurde, zeigt im oberen Drittel mittig ausgerichtet ein von Astwerk eingefasstes Wappen. Dieses stellt sich als Malerwappen mit drei Schilden sowie den darübergelegten Attributen des Bauhandwerks in Form von Hammer und Zeichendreieck dar. Flankiert wird das Wappen von Hand und Rose aus dem Schildbild des <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Altenburg#/media/Datei:Wappen_Altenburg.svg" target="_blank">Altenburger Stadtwappens</a>. Darunter erscheinen zunächst Bücher, ein Zirkel, eine Zeichnungsmappe und eine Malerpalette mit Pinseln. Ein Schriftband mit der Aufschrift „EXLIBRIS Kunstgewerbeverein Altenburg. S.A.“ bildet schließlich den unteren Abschluss des Motivs.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/assets/images/3/Exlibris%20Kunstgewerbeverein-a5185412.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/assets/images/3/Exlibris%20Kunstgewerbeverein-a5185412.jpg" width="1157" height="1622" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Exlibris des Kunstgewerbevereins Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>1879 gegründet, hatte es sich der Kunstgewerbeverein Altenburg zum Ziel gesetzt, das hiesige Kunsthandwerk zu fördern und zu stärken. Zu diesem Zwecke unterhielt der Verein für seine Mitglieder eine Bibliothek und eine Sammlung an Vorlageblättern und Modellen. Auch wurden regelmäßig Vorträge zur Schulung angeboten. Nach Auflösung des Vereins im Jahre 1935 gingen dessen Bestände, darunter auch die Vereinsbibliothek, an das Lindenau-Museum, während das Aktenmaterial an das <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Landesarchiv_Th%C3%BCringen" target="_blank">Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg</a> übergeben wurde.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Walter Grünert</h3> <p>In dem 1905 erschienenen Buch „Scraps from a collector‘s note book (…)“ von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Hirth_(Sinologe)" target="_blank">Friedrich Hirth</a> (Lindenau-Museum Altenburg, C 400 Ch) findet sich am unteren Rande des Titelblatts der Stempelabdruck „AUS D. BÜCHEREI WALTER GRÜNERT“.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Der Genannte arbeitete von 1929 bis 1964 am heutigen Staatsarchiv Altenburg. Daneben ist <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Gr%C3%BCnert" target="_blank">Walter Grünert</a> zwischen 1933 und 1939 als ehrenamtlicher Bibliothekar am Lindenau-Museum beschäftigt gewesen. Wie <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Mock" target="_blank">Heinrich Mock</a> auch, der das Kunstmuseum von 1933 bis 1937 geleitet hat, gehörte Grünert bis 1937 dem Vorstand des Kunstvereins an.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Stempel%20Gr%C3%BCnert.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Stempel%20Gr%C3%BCnert.jpg" width="547" height="217" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Stempel am unteren Rande des Titelblatts von „Scraps from a collector‘s note book (…)“</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Neben dem Stempel findet sich in dem Band zugleich das von Grünert gebrauchte Exlibris. Auf dem Bild erscheint ein schwebender Mensch mit langem Haar vor dunklem Hintergrund. Unterbrochen wird dieser von einer Sonne, umgeben von mehreren Sternen. Am unteren rechten Bildrand schwebt ein kreisrunder Körper, der als Planet gedeutet werden kann. Ein mit Flammenbildern bekröntes Schriftband, auf welchem das Schillerzitat „NVR DVRCH DAS MORGENTOR DES SCHONEN / DRANGST DU IN DER ERKENNTNIS Lan[D]“ zu lesen ist, durchquert hinter der schwebenden Figur die Szenerie.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/assets/images/d/Exlibris%20Gr%C3%BCnert-731de01b.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/assets/images/d/Exlibris%20Gr%C3%BCnert-731de01b.jpg" width="1083" height="1597" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Exlibris von Walter Grünert</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Als dritter Vermerk zeigt sich ein bis 1945 verwendeter Stempel der Bibliothek des Lindenau-Museums. Aufgrund der zeitlichen Überschneidung ist anzunehmen, dass der Band während der Dienstzeit Grünerts an das Museum gelangte.</p> </div> <div class="ce_text block"> <h3>Herman Anders Krüger</h3> <p>Ein besonders schönes Beispiel für ein Exlibris findet sich im ersten Band der Autobiographie von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Bode" target="_blank">Wilhelm Bode</a>: Mein Leben, 1. Bd. Berlin 1930, (Lindenau-Museum Altenburg, B 900 Bode). Die zweifarbige Grafik ist 1902 von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Petzold" target="_blank">Gustav Petzold</a> geschaffen worden. Auf blauem Papier gedruckt, erscheint vor rot gefärbtem Hintergrund die <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Portr%C3%A4t" target="_blank">Halbfigur</a> einer Frau, welche ein ebenfalls in Halbfigur gezeigtes Skelett hinterfängt. Während die Frau durch die auf ihren Schultern sitzenden Eulen und die in der linken Hand gehaltene Sanduhr als Personifikation des Todes gedeutet werden kann, ist das Skelett durch Krone und Hermelinmantel als verstorbener fürstlicher Herrscher charakterisiert. Das Motiv verweist somit eindringlich auf die Vergänglichkeit alles Irdischen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Exlibris%20Kr%C3%BCger.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Exlibris%20Kr%C3%BCger.jpg" width="1083" height="1315" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Exlibris von Herman Anders Krüger</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Unter dem Bild findet sich in zwei Zeilen notiert „Bücherzeichen des Dr. Herm. Anders Krüger“. Der Genannte ist in Altenburg beileibe kein Unbekannter. Seit 1928 hat der Literaturwissenschaftler als Direktor die Altenburger Landesbibliothek geleitet. Aus politischen Gründen wurde Krüger 1934 durch die Nationalsozialisten seines Amtes enthoben. Nur wenige Wochen nach seiner Entlassung überließ Krüger dem Lindenau-Museum, damals unter Heinrich Mocks Leitung, seine privat zusammengetragene Kollektion druckgrafischer Arbeiten. Diese großzügige Schenkung bildete den Grundstock für die Grafische Sammlung. Dass seinerzeit nicht Krügers Grafiken an das Haus gelangt sind, belegt der kleine grünfarbige Stempelabdruck „Krügers Graphicum“, der neben dem Exlibris in dem vorgestellten Buch zu finden ist.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Stempelabdruck%20Kr%C3%BCgers%20Graphicum.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Stempelabdruck%20Kr%C3%BCgers%20Graphicum.png" width="960" height="603" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Stempelabdruck „Krügers Graphicum“</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Haben wir Ihre Neugierde geweckt? Wir freuen uns darauf, künftig weitere Geschichten aus der Bibliothek des Lindenau-Museums mit Ihnen zu teilen.</p> </div> </div> </div> 2023-10-10T15:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/von-buechern-und-menschen-teil-1Online-RedaktionErlebnisportal Altenburg – Der einfachste Weg nach Thüringen <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Im September 2023 hat in Altenburg ein Erlebnisportal eröffnet. Davon gibt es im <a rel="noopener" href="https://thueringen.de/" target="_blank">Freistaat Thüringen</a> nun insgesamt drei: in <a rel="noopener" href="http://de.wikipedia.org/wiki/Eisenach" target="_blank">Eisenach</a>, in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Weimar" target="_blank">Weimar</a> und nun auch in Altenburg. Bei Letzterem besteht die Besonderheit darin, dass das hiesige Erlebnisportal vormals auf dem Gelände des Petersberg zur <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesgartenschau_2021" target="_blank">Bundesgartenschau</a> besichtigt werden konnte. Das „Erlebnisportal Altenburg – Thüringen entdecken“ stellt als interaktiver Ausstellungsraum in den kommenden Jahren touristische Ziele Thüringens sowie der Region vor und gibt gleichsam einen Ausblick auf die Zukunft des Lindenau-Museums Altenburg. </p> <p>Auf Initiative der Thüringer Staatskanzlei und des Lindenau-Museums und durch die großzügige Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Projektes Lindenau21PLUS konnte das Erlebnisportal in enger Zusammenarbeit mit der hiesigen Stadtverwaltung nach Altenburg geholt werden. </p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Das Anliegen aller Projektbeteiligten war es, die Gegebenheiten, Eigenheiten und Schönheiten des Altenburger Landes sichtbar zu machen – stets unter der Maßgabe, den Charakter eines Thüringen-Portals beizubehalten. So galt es feinfühlig auszutarieren, wie groß der „Altenburger Anteil“ sein durfte, denn danach bemaß sich schließlich, welche Ausstellungselemente aus <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erfurt" target="_blank">Erfurt</a> unverändert oder mit Modifikationen übernommen werden konnten. Die ersten Konzepte zur künftigen inhaltlichen Gliederung des Erlebnisportals sahen vier Sektionen vor: „Lokalkolorit“, „Kultur & Geschichte“, „Natur“ sowie einen separaten Bereich zum Lindenau-Museum. Unter allen Projektbeteiligten wurde schlussendlich der Konsens geschlossen, dass der Ausstellungsraum künftig in die Bereiche „Natur erleben“, „Kultur genießen“, „Geheimtipps entdecken“ und „Altenburg erkunden“ gegliedert wird. Im Zentrum der Ausstellung steht ein „Marktplatz“, der als zentraler Orientierungspunkt des Erlebnisportals fungiert. </p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Blick%20in%20die%20R%C3%A4umlichkeiten%20vor%20Beginn%20der%20Umbauma%C3%9Fnahmen%20zum%20Erlebnisportal%20Altenburg_Foto%20Tessina-Larissa%20Schramm.JPG" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Blick%20in%20die%20R%C3%A4umlichkeiten%20vor%20Beginn%20der%20Umbauma%C3%9Fnahmen%20zum%20Erlebnisportal%20Altenburg_Foto%20Tessina-Larissa%20Schramm.JPG" width="4032" height="3024" alt="Abbildungen diverser Käferarten in einem Buch aus dem 19. Jahrhundert"> </a> <figcaption class="caption">Blick in die Räumlichkeiten vor Beginn der Umbaumaßnahmen zum Erlebnisportal Altenburg, Foto: Tessina-Larissa Schramm</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Zugleich wurden die bestehenden Inhalte aus Erfurt gewissenhaft geprüft, gegebenenfalls aus der bisherigen Präsentation gestrichen und durch neue Inhalte ersetzt. So musste nicht nur eine Selfie-Station mit Bezug zu den <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Feengrotten" target="_blank">Saalfelder Feengrotten</a> weichen, sondern auch eine Glaskugel-Installation, die auf die Handwerkstradition Thüringens verweist. Die eigenen Ideen wurden ebenfalls stets hinterfragt und im Zweifel verworfen: Eine Skulptur aus Spielkarten hat es ebenso nicht in das Erlebnisportal geschafft wie Werkkataloge bedeutender Thüringer Künstlerinnen und Künstler. So lässt sich die Qualität des Altenburger Erlebnisportals nicht nur an dem ablesen, was in dem Portal zu sehen ist, sondern auch an den guten Vorschlägen und Ideen, die letztlich nicht umgesetzt wurden. Die Wand berühmter Thüringer Köpfe verdeutlicht dies am einfachsten: Neben bereits vorhandenen Persönlichkeiten wie Johann Sebastian Bach oder Walter Gropius wurden nun (selbstverständlich) Bernhard August von Lindenau und die Gründerväter der Freistaaten Sachen und Thüringen, Albrecht und Ernst, ergänzt. Margaretha von Österreich oder Kaiser Barbarossa, die ebenfalls in Betracht gezogen wurden, konnte leider nicht berücksichtigt werden. </p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Weitestgehend neu entstanden ist die Sektion „Altenburg erkunden“, die die gegenwärtigen Kulturprojekte der Stadt vorstellt. Ein ganz wesentlicher Schwerpunkt liegt hierbei auf den aktuellen Entwicklungen rund um das Lindenau-Museum. In der Hauptverantwortung standen hierbei meine Kolleginnen Nora Frohmann, Tessina-Larissa Schramm und ich. Zentral war für uns die Frage, was im Erlebnisportal gezeigt werden muss, um die aktuelle Situation des Lindenau-Museums zu veranschaulichen und zu erklären. So richteten wir den Fokus auf die Arbeiten am „neuen“ Lindenau-Museum, auf die gegenwärtigen Standorte des Lindenau-Museums und auf das <em>studio</em>, das sich gegenwärtig so groß wie nie präsentiert und im Bereich der Kunstvermittlung eine Spitzenposition im mitteldeutschen Raum einnimmt.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Marktplatz%20im%20Erlebnisportal%20Altenburg_Foto%20Tessina-Larissa%20Schramm.JPG" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Marktplatz%20im%20Erlebnisportal%20Altenburg_Foto%20Tessina-Larissa%20Schramm.JPG" width="3024" height="4032" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Vom sogenannten Marktplatz aus kann man das Erlebnisportal Altenburg mit all seinen Sektionen erkunden, Foto: Tessina-Larissa Schramm</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Ganz wesentliche Impulse bei der Erstellung neuer Inhalte erhielten wir dabei von der Dresdner Agentur <a rel="noopener" href="https://whitebox-dresden.de/" target="_blank">whitebox</a>, die für die Ausstellungsgestaltung verantwortlich zeichnet und auf einen wertvollen Erfahrungsschatz in diesem Bereich zurückgreifen kann. In enger Abstimmung haben wir uns für einen Mix aus Fotografien, Bewegtbildern, dreidimensionalen Objekten und Ausstellungstexten entschieden. Neben dem Schreiben und der Recherche von Fotografien und geeigneten studioExponaten mussten auch kurze Videos produziert werden. Ein besonderer „Hingucker“ ist ein Modell des Lindenau-Museums, das den Entwurf von <a rel="noopener" href="https://www.hoskinsarchitects.com/" target="_blank">Hoskins Architects</a> zum neu zu bauenden Stadtgeschoss des Gebäudes zeigt und nun dauerhaft für alle Interessierten zu sehen ist.</p> <p class="Text">Besonders im Hinblick auf die ständigen Veränderungen am Bau des Lindenau-Museums werden über die nächsten Jahre immer wieder Anpassungen an den entsprechenden Stationen stattfinden müssen. Während momentan Interviews zu den Überlegungen hinsichtlich baulicher Veränderungen am Gebäude, der Rekonstruktion von Altären oder der Entwicklung der Kunstschule Lindenaus hin zum <em>studio</em> im künftigen Museumsgebäude zu sehen sind, werden perspektivisch beispielsweise auch Einblicke in restauratorische Maßnahmen am Gebäude oder der Ausstellungspräsentation antiker Exponate ermöglicht. Mit der Wiedereröffnung des Lindenau-Museums, voraussichtlich 2026/27, wird sich der Fokus schließlich auf den zweiten Abschnitt des Bauprojektes richten – den Herzoglichen Marstall.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Als Teil der Altenburger Museen lag ein weiteres Interesse in der Sichtbarmachung des <a rel="noopener" href="https://www.residenzschloss-altenburg.de/residenzschloss-altenburg.html" target="_blank">Residenzschlosses Altenburg</a>. In Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Schloss- und Spielkartenmuseums konnten so besondere Spielkarten innerhalb des Portals platziert werden, die auf das Museum hinweisen. Eine bereits in Erfurt verwendete „Sounddusche“ erklingt fortan mit Stücken aus der Schlosskirche, gespielt an der berühmten Trost-Orgel. </p> <p>So ist die multimediale Ausstellung nicht nur ein Beispiel für erfolgreiche Nachnutzung von Ausstellung(selement)en, sondern auch eine Blaupause für künftige Ausstellungsprojekte, an denen eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure mitwirken. Sie ist für alle Projektbeteiligten das Zeugnis nervenaufreibender Arbeit — und für die Stadt Altenburg ein Gewinn.</p> <p>Die Gesamtkosten für die Erstellung des Portals beliefen sich auf ca. 1.040.000 Euro. Davon wurden 970.000 Euro über Fördermittel (80 % EFRE-Mittel und 20 % mit dem Förderprojekt Lindenau21PLUS) finanziert. Das Erlebnisportal (Markt 2, 04600 Altenburg) kann zu folgenden Öffnungszeiten kostenfrei besichtigt werden: Montag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 bis 14 Uhr.</p> </div> </div> </div> 2023-09-15T15:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/erlebnisportal-altenburg-der-einfachste-weg-nach-thueringenOnline-RedaktionAsta Gröting: Wolf and Dog (2021) <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Asta%20Gr%C3%B6ting%2C%20Videostill%20aus%20Wolf%20and%20Dog%2C%202021_1.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Asta%20Gr%C3%B6ting%2C%20Videostill%20aus%20Wolf%20and%20Dog%2C%202021_1.jpg" width="3840" height="2160" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Asta Gröting, Videostill aus Wolf and Dog, 2021, Video, 9:58 min</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Seit einiger Zeit gibt es wieder <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf" target="_blank">Wölfe</a> im <a rel="noopener" href="https://altenburg.travel/" target="_blank">Altenburger Land</a>. Fotografien und Berichte bezeugen die Rückkehr des <em>Canis lupus</em> aus der Familie der Hunde (<em>Canidae</em>). Nicht alle sehen das mit Begeisterung, denn von alters her ist der Wolf gefürchtet. In Märchen und Fabeln aus aller Welt steht er für das Böse und Bedrohliche, für Verschlagenheit und Habgier. Bauern fürchteten mit jeder Sichtung eines Wolfes um ihre Nutz- und Haustiere. Diese einseitig negative Sicht führte dazu, dass die Tiere in ihren Verbreitungsgebieten über Jahrhunderte erbarmungslos gejagt wurden und daher in einigen Regionen selten geworden oder sogar ausgestorben sind. In den letzten Jahrzehnten ist das Verständnis für den Wolf gewachsen, gerade in naturfernen Stadträumen erfährt er gar eine <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Glorifizierung" target="_blank">Romantisierung</a>. Tatsächlich haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass Wölfe eine wichtige Rolle im <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kosystem" target="_blank">Ökosystem</a> spielen und gegenüber Menschen normalerweise scheu und vorsichtig sind. Es handelt sich um eine hochsoziale und intelligente Tierart, deren Verhalten auf intensiver Kommunikation basiert. Der Schutz und das Verständnis für diese Art sind entscheidend, um die ökologische Vielfalt aufrechtzuerhalten und so zum Gleichgewicht in unserem Ökosystem beizutragen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die Künstlerin <a rel="noopener" href="https://astagroeting.de/" target="_blank">Asta Gröting</a> widmete sich in ihrer filmischen Arbeit „Wolf and Dog“ aus dem Jahr 2021 der genauen Beobachtung von Wolf und Hund und setzt sich darüber hinaus mit ihrer Herkunft und Kommunikation untereinander sowie ihrem Wesen auseinander. In einer der Schlüsselarbeiten ihres Werkes aus dem Jahr 2021 hielt Gröting die Begegnung zwischen den artverwandten Tieren mit einer Hochgeschwindigkeitskamera fest. Neben eindrucksvollen Nahaufnahmen und intensiven Blicken untereinander sieht man eine hochaufgeladene Spannung. Wie werden sich die beiden wohl im nächsten Moment zueinander verhalten? Während der Wolf ein wildes Tier ist, erscheint uns der Hund – durch den Menschen domestiziert – rangniedriger. Überraschend ist die Reaktion des vermeintlich stärkeren Tieres, als eine menschliche Hand in das Geschehen eingreift.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Mit der genauen Beobachtung durch die Kamera eröffnet Asta Gröting sensible Denkräume über das Wesen der Tiere und was sich dahinter verbirgt. Dabei richtet sie mit Videofilmen und Skulpturen ihre Betrachtung inhaltlich und technisch, vor allem aber mikroskopisch genau auf Beziehungen. Gröting stellt in ihren Skulpturen und Videos Zusammenhänge zwischen Lebewesen und auf sie Einfluss nehmende Faktoren dar. Zudem entsteht die Frage, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen, ob wir uns als Teil der Natur begreifen und bereit sind, anderen Arten ihren Raum für Entfaltung zurückzugeben. Dass der Wolf in den deutschen Wäldern wieder heimisch wird, sehen nicht alle wohlwollend. In der Kunst jedoch zeichnet sich ein neues Bild des Tieres, das lange als Symbol für individuelle Freiheit und Einzelgängertum, aber auch für Hinterlist und Grausamkeit stand. Mit Werken wie „Wolf and Dog“ von Asta Gröting erfährt das Tier eine neue Beachtung und wird befreit von einem Ruf, der durch Fabeln und Märchen entstanden ist und seinem wahren Wesen nicht gerecht wird.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Asta%20Gr%C3%B6ting%2C%20Videostill%20aus%20Wolf%20and%20Dog%2C%202021_2.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Asta%20Gr%C3%B6ting%2C%20Videostill%20aus%20Wolf%20and%20Dog%2C%202021_2.jpg" width="3840" height="2160" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Asta Gröting, Videostill aus Wolf and Dog, 2021, Video, 9:58 min</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die Ausstellung „Asta Gröting. Das Wesen von x – Gerhard Altenbourg-Preis 2023" zeigt Videoarbeiten der Künstlerin, in denen sie sich vor allem mit der Beziehung zwischen Menschen und Tieren sowie der Ergründung ihrer Wesen auseinandersetzt. Zu sehen ist die Sonderschau im Prinzenpalais des Residenzschlosses vom 20. August bis 31. Oktober 2023, Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen, 12–18 Uhr, 4/3 EUR (ermäßigt).</p> </div> </div> </div> 2023-08-24T10:15:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/asta-groeting-wolf-and-dog-2021Online-Redaktion175 Jahre Lindenau-Museum Altenburg: Festrede von Prof. Dr. Arnold Nesselrath zum Jahresempfang der Altenburger Museen <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Es ist großartig, dass das Lindenau-Museum mit dem Konzept seines Stifters 175 Jahre alt wird. Und es ist bemerkenswert, dass dieser Anlass trotz der notwendigen und zukunftsorientierten Umbauten mit der einhergehenden Schließung gebührend gefeiert wird. Seit vielen Jahren bin ich ein begeisterter Anhänger des Museums und noch mehr der Vision und des Konzeptes <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Lindenau" target="_blank">Bernhard August von Lindenaus</a> (1779–1854) und seiner Kunstschule für die Jugendlichen der Region, denn: Kultur kommt nicht nur aus den großen Metropolen, dort gedeiht sie lediglich und wird allzu oft ausgebeutet – heute vor allem durch die globalisierte Tourismusindustrie. Kultur entsteht vielmehr in der Provinz, sie wird von Menschen hervorgebracht und lebt von der Individualität ihrer Schöpfer, sie braucht eine breite Grundlage und Vielfalt!</p> <p>Bernhard August von Lindenau (1779–1854) hatte sich das <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Revolutionen_1848/1849" target="_blank">Revolutionsjahr 1848</a> für seine Stiftung gewiss nicht ausgesucht; genauso wenig war sie eine Reaktion auf das im Februar desselben Jahres erschienene <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_Kommunistischen_Partei" target="_blank">Kommunistische Manifest</a> von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx" target="_blank">Karl Marx</a> (1818–1883) und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Engels" target="_blank">Friedrich Engels</a> (1820–1895). Dennoch entstanden seine Schule und Sammlung in einem Klima fundamentaler kulturhistorischer Dynamik in einer sich international grundsätzlich verändernden Gesellschaft: <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/William_Morris" target="_blank">William Morris</a> (1834–1896) fing in jenen Jahren an, die Kunst in England auf ein neues, gesellschaftliches Fundament zu stellen. Etwa zeitgleich entstanden in Mettlach an der Saar die Sammlung und Zeichenschule, die <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_von_Boch" target="_blank">Eugen von Boch</a> (1809–1898) in seiner Keramikfabrik, die wir heute als <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Villeroy_%26_Boch" target="_blank">Villeroy & Boch</a> kennen, eingerichtet hatte. Zwar lieferten die <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Hochschule_f%C3%BCr_Bildende_K%C3%BCnste_%E2%80%93_St%C3%A4delschule" target="_blank">Städelsche Kunstschule</a> und Sammlung ein halbes Jahrhundert vorher ein Vorbild und boten mittellosen Kindern ohne Ansehen von Geschlecht und Religion einen Zugang zu Bildung und Kunst, jedoch stellte die Frankfurter Metropole ein ganz anderes Umfeld dar als das ländliche oder industrielle, für das sich Lindenau und Boch engagierten.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/175%20Jahre%20Lindenau-Museum%20Altenburg_Foto_Mario%20Jahn.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/assets/images/b/175%20Jahre%20Lindenau-Museum%20Altenburg_Foto_Mario%20Jahn-38e6b547.png" width="400" height="200" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Foto: Mario Jahn</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>So ähnlich die Bestrebungen der unterschiedlichsten Stifterpersönlichkeiten und Protagonisten sind, allen Gesellschaftsschichten die Möglichkeit zu geben, ihre Kreativität zu entdecken, zu entfalten und dadurch einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten, so vielfältig sind die Objekte, die sie als Anschauungssammlung erwarben. Bei Boch handelt es sich dabei eher um antike Objekte unter einer besonderen Einbeziehung der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Provinzialr%C3%B6mische_Arch%C3%A4ologie" target="_blank">Provinzarchäologie</a> neben den griechischen Vasen – vielleicht ist das auch dem Umfeld der Fabrikproduktion geschuldet. Lindenau wagte es, wie <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_St%C3%A4del" target="_blank">Städel</a>, trotz der Konkurrenz vor allem aus Berlin ein Museum aufzubauen, das mit seiner Sammlung von italienischer Malerei der Frührenaissance bis heute eine der eindrucksvollsten Sammlungen nicht nur in deutschen Landen, sondern ganz allgemein nördlich der Alpen darstellt. Aus diesem Museum wurde ein umfassendes Bildungsprogramm, indem Kopien nach für ihn nicht erreichbaren Bildern, eine beachtliche Gipsabguss-Sammlung nach antiken, aber auch nach-antiken Skulpturen, seinerseits eine Sammlung antiker Vasen und schließlich <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Korkmodell" target="_blank">Korkmodelle</a> von antiken Bauten, die die wichtige architektonische Komponente repräsentierten, hinzukamen.</p> <p>Unterschiedliche Gründe sind denkbar, warum Lindenau mit seiner Stiftung von Kunstschule und Museum aus <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dresden" target="_blank">Dresden</a>, wo er kulturpolitisch bedeutende Akzente gesetzt hatte, auf seinen vom Vater ererbten <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pohlhof" target="_blank">Pohlhof</a> zurückkehrte. In Altenburg selbst hat mehr als ein <em>genius loci</em> seine tiefen Spuren hinterlassen. Mit <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(HRR)" target="_blank">Kaiser Barbarossa</a> (um 1122–1190), <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Spalatin" target="_blank">Georg Spalatin</a> (1484–1545), dessen Grab die Stadtkirche hütet, oder der reformationsgeschichtlich weitreichenden Unterredung zwischen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther" target="_blank">Martin Luther</a> (1483–1546) und dem päpstlichen Kanoniker <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_von_Miltitz_(Nuntius)" target="_blank">Karl von Miltitz</a> (1490–1529), das auf der Altenburger Burg stattfand, fügt Bernhard August von Lindenau seinen Beitrag zu einem interessanten Profil der Stadt hinzu.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mich hatte Lindenaus Bildungsansatz aus unterschiedlichen Gründen lange fasziniert, als 2011 die damalige Direktorin Jutta Penndorf und die heutige Frau Forster, Leiterin der Kunstvermittlung, vermittelt durch meine Schülerin Sarah Kinzel, mich und meine Bachelor-Studentinnen und -Studenten der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Humboldt-Universit%C3%A4t_zu_Berlin" target="_blank">Humboldt-Universität zu Berlin</a> einluden. Eine Woche lang überließen sie uns ihr Museum für ein Seminar und geleiteten uns durch alle Abteilungen hindurch, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen konnten, wie ein richtiges Museum funktioniert. Die ganze Stadt mit dem Schlossberg bis hin zur Superintendentin der Stadtkirche war inbegriffen, so dass das Lindenau-Museum in seinem organischen Umfeld erlebbar wurde. Wir konnten auf diese Weise selbst erfahren, dass Lindenaus großartige Stiftung lebendig war und wie sie fruchtbar gemacht wurde. Aus dem Seminar sind Bachelor-, Magister- und Doktorarbeiten hervorgegangen.</p> <p>Es ist wichtig, an Lindenaus Einrichtung immer wieder zu erinnern, sie zu feiern und fortzusetzen. Denn ob die Stifter und Protagonisten Bankier oder Adliger, Politiker oder Künstler waren, alle verfolgten damals ein soziales Engagement. Es ist offensichtlich, dass Lindenaus Initiative schließlich in eine europäische Dimension eingebettet war, die ihre Parallelen in den englischen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4raffaeliten" target="_blank">Präraffaeliten</a>, <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/John_Ruskin" target="_blank">John Ruskin</a> (1819–1900) und etwas später William Morris‘ <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Arts_and_Crafts_Movement" target="_blank">Arts and Crafts-Bewegung</a> hatte. Es ist verständlich, dass Lindenau vor allem frühe italienische Malerei aus dem Tre- und Quattrocento sammelte und dass diese damals besonders populär war, denn sie war Ausdruck eines großen Aufbruchs in ein verheißungsvolles republikanisches Zeitalter, das natürlich vielerorts bald usurpiert wurde, in dem man aber bis heute den Beginn der Neuzeit, also unseres modernen Zeitalters, sieht. Es ist entscheidend, dass die Kunst von jedem elitären Beigeschmack befreit wurde. William Morris sprach es explizit aus: „I do not want art for a few, anymore than education for a few, or freedom for a few” [„Ich möchte keine Kunst für wenige, ebenso wenig wie Bildung für wenige, oder Freiheit für wenige“]. Kunst für Jedermann heißt dann ganz passend das Buch von Sarah Kinzel zu Lindenaus Sammlung.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Bemerkenswert ist, dass Lindenau und seine ähnlich gesinnten Zeitgenossen der Kultur gegenüber dem Bekenntnis zum allseits propagierten Fortschritt in Industrie und Wissenschaft ihren gesellschaftlichen Stellenwert gaben und sie aktiv mit großem finanziellem Aufwand propagierten. Selbst bei der didaktischen Vermittlung legte Lindenau einen hohen Anspruch an. Er wählte keine <a rel="noopener" href="https://de.wiktionary.org/wiki/wohlfeil" target="_blank">wohlfeilen</a> multimedialen Werkzeuge, denn Kopien von Bildern sind selbst Gemälde, Abgüsse von Statuen sind Skulpturen, alle sind durch sensible Grade von Qualität differenziert.</p> <p>Die Vision von Bernhard August von Lindenau lebt nicht nur in der Gastfreundschaft, die ich mit meinem Berliner Seminar hier genossen habe. Sie hat in ihrer bewegten Geschichte immer wieder aktiv eingegriffen und gewinnt jetzt eine neue Gestalt in dem grandiosen, stets aktualisierten Masterplan für die Altenburger Museen, der in erster Linie die Schulen der Region und die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und dieser Gegend einbezieht. Er umfasst Infrastruktur bis hin zum Marstall und dem Schlossberg und zeichnet sich durch einen sehr differenzierten Umgang mit dem Tourismus aus, der natürlich ein Wirtschaftsfaktor sein kann, dessen Gefahren und immensen Schäden in materieller, infrastruktureller und gesellschaftlicher Dimension aber in hohem Maße z. B. in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Venedig" target="_blank">Venedig</a> und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Florenz" target="_blank">Florenz</a>, aber auch in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rom" target="_blank">Rom</a> zu spüren sind und in dem sich der begrenzte Horizont der Politik bis nach Brüssel manifestiert. Auch Kultureinrichtungen schaffen Arbeitsplätze, natürlich andere als Hotels und Restaurants, aber in unterschiedlichen Sparten der Bildungseinrichtungen für die durch diese angeregten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Kunstvermittlerinnen und -vermittler, Restauratorinnen und Restauratoren oder Kulturschaffenden bis zum Handwerk, Wachpersonal und vielen mehr. Wie Kulturminister <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin-Immanuel_Hoff" target="_blank">Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff</a> in seiner vorangegangenen Rede betont hat, steigern Kultureinrichtungen wie Theater, Orchester, Museen etc. die Lebensqualität in der Region enorm und sichern diese nachhaltig. Wir sollten uns daran erinnern, dass mittelalterliche Republiken wie <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Siena" target="_blank">Siena</a> einfach in die Schönheit ihrer Stadt investiert haben, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst daran erfreuten und um sie auswärtigen Gästen einfach nur darzubieten, nicht um diese abzuzocken. Repräsentation wurde ein Wert beigemessen, an dem alle Anteil hatten, der auch alle in einer Gemeinschaft verband. Damit meine ich keineswegs eine Identitätspolitik oder eine Leitkultur, denn bekanntlich hat unsere abendländische Kultur der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Antikes_Griechenland" target="_blank">Griechen</a> und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misches_Reich" target="_blank">Römer</a> die Null nie erfunden und folglich ganz anders gezählt. Die Null, ohne die heute keine Bilanz und kein Computer funktioniert, verdanken wir den arabischen und islamischen Völkern. Mit Waffen kann man sich vielleicht verteidigen, Frieden stiften sie nicht. Dass man dazu die Kultur braucht, wusste schon <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_der_Gro%C3%9Fe" target="_blank">Alexander der Große</a> (356 v. Chr.–323 v. Chr.). Es geht also heute darum, der Kultur einen globalen Rang zu sichern. Das bedeutet nicht, sie in Normdaten zu speichern und digital zu zerlegen, sondern sie zugänglich zu machen und ihre Faszination zur Wirkung zu bringen. Die Faszination ist entscheidend! Die eigene Kultur zu verstehen und andere Kulturen ernsthaft kennen zu lernen, führen zu einer wirklichen Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Erfahrung. Integration ist keine Einbahnstraße. Dies ist auch eine Botschaft der Sammlung des Bernhard August von Lindenau, denn die frühen Italiener waren dem deutschen 19. Jahrhundert durchaus fremd und eine Herausforderung.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Bildungsprozesse sind lang, deshalb ist das Engagement für Schülerinnen und Schüler sowie junge Menschen allgemein unverzichtbar. Der Umweltschutz wird von politischen Programmen benutzt, um weit über die eigene Verantwortung hinaus zu planen. Umso mehr gedeiht auch der Umweltschutz nur auf dem Fundament der Bildung und einer ästhetischen Wertschätzung. Die Unwirtlichkeit unserer Städte, vor der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Mitscherlich" target="_blank">Alexander Mitscherlich</a> (1908–1982) in den 1960er-Jahren gewarnt hat, ist heute Realität – auch hier ist Altenburg noch eine Ausnahme. In vielen bundesdeutschen Städten haben die sogenannten Stadtsanierungen in der Folge des Wirtschaftswunders mehr zerstört als der Zweite Weltkrieg. Das erfordert zusammen mit den Museen eine solide, kompetente und potente <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Denkmalpflege" target="_blank">Denkmalpflege</a>. Unsere Umwelt beginnt bei unserer Kultur, bei unserer Architektur, in der wir leben.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Prof.%20Dr.%20Arnold%20Nesselrath%20w%C3%A4hrend%20seiner%20Festrede_Foto_Mario%20Jahn.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Prof.%20Dr.%20Arnold%20Nesselrath%20w%C3%A4hrend%20seiner%20Festrede_Foto_Mario%20Jahn.png" width="1916" height="1277" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Prof. Dr. Arnold Nesselrath während seiner Festrede anlässlich des Jahresempfangs der Altenburger Museen, Foto: Mario Jahn</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Der englische Schriftsteller <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Oscar_Wilde" target="_blank">Oscar Wilde</a> (1854–1900) schrieb 1891 in seinem Essay <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Seele_des_Menschen_unter_dem_Sozialismus" target="_blank"><em>The Soul of Man under Socialism</em></a>: “A beautiful thing helps us, by being what it is.“ [„Ein schönes Ding hilft uns, indem es ist, was es ist.”] Darin liegt eine Provokation für Politik und Gesellschaft. Wenn wir den Mut nicht aufbringen, solche Herausforderungen anzunehmen und durch unsere Kultureinrichtungen verständlich zu machen, wird unsere Welt weder friedlicher noch klimafreundlicher. Deshalb ist Lindenaus Pohlhof aus Kunstschule und Sammlung nach 175 Jahren aktueller denn je, auch wenn das ursprüngliche Gebäude längst nicht mehr steht. Das Lindenau-Museum ist jedoch an seine Stelle getreten, und wir alle sind auf die Realisierung der gegenwärtigen Projekte, die Umsetzung der Planung und zukünftige Ideen gespannt. Lindenaus Schöpfung und Stiftung ist ein Beitrag, der überall und immer spürbar wird und Begeisterung hervorruft, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen in der ganzen Welt über das Lindenau-Museum spricht. Lindenau hat mit Kultur und Bildung an vielen Stellen seines Wirkens Ernst gemacht. Den Optimismus, den sein Erfolg über 175 Jahre generiert, den Weitblick und die Inspiration durch und an Bernhard August von Lindenau, wünsche ich Ihnen allen zu diesem großartigen Jubiläum. Er funktioniert!</p> </div> </div> </div> 2023-07-17T09:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/175-jahre-lindenau-museum-altenburg-festrede-von-prof-dr-arnold-nesselrath-zum-jahresempfang-der-altenburger-museenOnline-RedaktionKunst ist Trumpf: Eine Woche am Lindenau-Museum Altenburg – Gastbeitrag von Vincent Rudolf <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Nicht nur alphabetisch liegen die beiden Städte <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Aachen" target="_blank">Aachen</a> und Altenburg in der Pole-Position – sie verbindet kurioserweise auch der Maler <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Pers%C3%B6nlichkeiten_aus_Melide_TI" target="_blank">Carlo Ludovico Castelli</a> (1671–1738), der sowohl im Altenburger Schloss als auch dem Aachener Rathaus tätig war. Zudem schmückt ein großformatiger "Sächsischer Prinzenraub" des Malers <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_von_Beckerath" target="_blank">Moritz von Beckrath</a> (1838–1896) die Wände des <a rel="noopener" href="https://suermondt-ludwig-museum.de/" target="_blank">Suermondt-Ludwig-Museums</a>. Ausgangspunkt für den aktuellen Austausch war aber die Ausstellung der Sammlung Felix und Herlinde Peltzer-Stiftung in Aachen, anlässlich deren feierlichen Inauguration die Idee aufkam, den Kontakt zwischen den Häusern auch über dieses Projekt hinaus zu erhalten und zu fördern. So hatte ich das große Vergnügen und Privileg, einen Gegenbesuch antreten zu dürfen – und zwar erfreulicherweise zu einem Zeitpunkt, zu dem viele alte Bekannte aus der als Dauerleihgabe übereigneten und nun bedeutend erweiterten Sammlung Peltzer im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg Quartier bezogen haben.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Kunst%20ist%20Trumpf_Vincent%20Rudolf%20und%20Karoline%20Schmidt_Foto_Tessina-Larissa%20Schramm.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Kunst%20ist%20Trumpf_Vincent%20Rudolf%20und%20Karoline%20Schmidt_Foto_Tessina-Larissa%20Schramm.jpg" width="4032" height="3024" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Vincent Rudolf und Karoline Schmidt tauschen sich über die grafische Sammlung des Lindenau-Museums Altenburg aus, Foto: Lindenau-Museum Altenburg/Tessina-Larissa Schramm</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Zwar führen nicht alle Wege nach Altenburg, doch die Bahn hatte gnädigerweise ein Einsehen und gestaltete die Anreise nicht als <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Via_Dolorosa" target="_blank"><em>via dolorosa</em></a> aus. Unter diesen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Auspizien" target="_blank">Auspizien</a> konnte die angedachte Woche nur glücklich beginnen, zumal bereits beim Umstieg in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Leipzig" target="_blank">Leipzig</a> erster Kunstgenuss geboten war. Mit einem minutiösen Terminplan gewappnet, widmete sich der Montag gänzlich dem Künstler <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/gerhard-altenbourg" target="_blank">Gerhard Altenbourg</a> (1926–1989), der sein ehemaliges Elternhaus in ein außergewöhnliches Refugium verwandelte. Derzeit noch nicht zu besichtigen, soll es als Teil der <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/stiftung-gerhard-altenbourg" target="_blank">Stiftung Gerhard Altenbourg</a> künftig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, ohne den Zauber von bemalten Wänden und handgeschmiedeten Schlüsseln zu vertreiben. Vom Auratischen ins Digitale wechselnd, bot sich an diesem Tag zudem die Möglichkeit, mehr über das wissenschaftliche Digitalmanagement am Lindenau-Museum und dessen Zusammenarbeit mit der <a rel="noopener" href="https://www.thulb.uni-jena.de/home" target="_blank">ThULB Jena</a> zu erfahren. </p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Der zweite Tag führte in die Ausstellung "<a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/details-ausstellungen/4-mai-bis-30-juli-2023-kirchner-pechstein-werefkin-meisterwerke-aus-der-sammlung-peltzer" target="_blank">Kirchner, Pechstein, Werefkin – Meisterwerke aus der Sammlung Peltzer</a>", die derzeit im Prinzenpalais gastiert. Mit dem Kurator, Herrn Dr. Rux, konnten neue Erkenntnisse über die Sammlung erörtert sowie ausgiebig über die Gestaltung gesprochen werden. Im Anschluss daran ging es in das sogenannte <a rel="noopener" href="https://teehaus-altenburg.de/teehaus/zur-geschichte-von-teehaus-und-orangerie/" target="_blank">Teehaus</a> – ein zwischen 1706 und 1712 nach Entwürfen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_Gengenbach" target="_blank">Johann Heinrich Gengenbach</a> (um 1645/50–1717) errichtetes Lusthaus, das in den letzten Jahren zur Veranstaltungsstätte ertüchtigt wurde. Einblicke in die allgemeine Verwaltungsstruktur sowie das laufende Planungsverfahren hinsichtlich der Neukonzeption des Lindenau-Museums gewährte die Museumsleitung in einem eigenen Termin. Es folgte ein Besuch in der Restaurierungswerkstatt, wo mir auch das sogenannte <a rel="noopener" href="https://www.altenburger-praxisjahr.de/" target="_blank">Altenburger Praxisjahr für Kunstgut- und Denkmalrestaurierung</a>, welches studienvorbereitend praktische Einblicke in unterschiedliche Bereiche gewährt und sehr gut angenommen wird, vorgestellt wurde. Am Abend konnte im Rahmen des Besuches durch den Thüringer Tourismusverband die Vision für die Neupositionierung des Hauses vertieft und zum Abschluss der Alte Friedhof mit dem Grab des Gründers besucht werden.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Der Folgetag begann mit einer Vorstellung der derzeitigen Überlegungen hinsichtlich der <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/planungsstaende" target="_blank">Ausgestaltung des Eingangsbereiches</a> des Museumsgebäudes, bevor diese nach einer internen Dienstberatung mit der Präsentation der Räumlichkeiten der Antikensammlungen sowie über den Museumsgründer <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Lindenau" target="_blank">Bernhard August von Lindenau</a> (1779–1854) fortgeführt wurden. Interessanterweise soll hier mit <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Graphic_Novel" target="_blank">Graphic Novels</a> zur Visualisierung der Biografie Lindenaus gearbeitet werden. Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der Bibliothek und des Archives, in dem auch die Veranstaltungspapeterie akribisch gesammelt wird und so Aufschluss über sich wandelnde Vorlieben und Gestaltungen bietet.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Den Donnerstag bestimmte die bedeutende <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/grafische-sammlung" target="_blank">grafische Sammlung</a>, unter der hauptsächlich der Bestand an Mappenwerken eine prominente Rolle einnimmt. Diese werden derzeit mit der <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/alles-neu/lindenau21plus" target="_blank">Bundesförderung Lindenau21PLUS</a> digitalisiert, wozu die daran arbeitenden Museologinnen und Museologen wichtige Stichworte lieferten. Eine Entdeckung waren dabei die Arbeiten von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Felixm%C3%BCller" target="_blank">Conrad Felixmüller</a> (1897–1977). Am frühen Abend ging es dann nach Langenleuba-Niederhain, wo durch Betreuung eines Fördervereins das bau- wie kunsthistorisch äußerst bedeutende "<a rel="noopener" href="https://halbes-schloss.de/" target="_blank">Halbe Schloss</a>" gesichert und erforscht wird.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mit dem Freitag näherte sich bereits der letzte Tag, welcher der Vermittlung verschrieben war. Ausführlich wurde mir die Genese des <em>studios </em>im Lindenau-Museum und dessen Vielfalt nähergebracht. Besonders beeindruckend ist das breitgefächerte Angebot in Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern, das von Keramik bis hin zu 3D-Druck sowie <a rel="noopener" href="https://soundcloud.com/lindenau-museum-altenburg" target="_blank">Podcast-Beiträgen</a> reicht und auf eine bereits vom Gründer begonnene Tradition zurückblicken kann. Der Nachmittag schließlich war dem <a rel="noopener" href="https://www.residenzschloss-altenburg.de/residenzschloss-altenburg.html" target="_blank">Altenburger Schloss</a> zugeeignet, das als ehemalige Residenz mit einer vielschichtigen Baustruktur und außergewöhnlichen Exponaten beredtes Zeugnis von der wechselvollen Vergangenheit ablegt. Lindenau-Museum und Residenzschloss werden künftig noch enger verbunden sein als in der bisherigen Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Altenburger Museen. Ein selbst angehängter Tag schuf die Möglichkeit, Glauchau, Waldenburg und Wolkenburg inmitten gelb ausgebreiteter Rapsfelder zu erkunden, um dann schließlich in die turbulenten Ausläufer eines abgesagten Warnstreikes hinein die Heimreise anzutreten.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Kunst%20ist%20Trumpf_Blick%20auf%20Altenburg_Foto_Vincent%20Rudolf.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Kunst%20ist%20Trumpf_Blick%20auf%20Altenburg_Foto_Vincent%20Rudolf.jpg" width="2029" height="2706" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Blick auf das Residenzschloss Altenburg, Foto: Vincent Rudolf</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Allen Beteiligten gilt an dieser Stelle mein herzliches Dankeschön! Das Team des Suermondt-Ludwig-Museums freut sich schon auf den weiteren fachlichen Austausch sowie den Gegenbesuch von Frau Stadie, wissenschaftliche Volontärin am Lindenau-Museum Altenburg.</p> </div> </div> </div> 2023-06-06T10:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/kunst-ist-trumpf-eine-woche-am-lindenau-museum-altenburg-gastbeitrag-von-vincent-rudolfOnline-RedaktionMarianne Werefkin: „Die Blaue Reiter-Reiterin“ <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Im Jahr 1911 setzt <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Marianne_von_Werefkin" target="_blank">Marianne Werefkin</a> (1860–1938) die Rückenfigur einer reitenden, schwarzen Gestalt in eine unheimliche nächtliche – womöglich am Meer gelegene – Landschaft. Die Künstlerin selbst verbringt den Sommer in diesem Jahr im <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Prerow" target="_blank">Ostseebad Prerow</a>. Werefkins Reiter bahnt sich zwischen den Hügeln seinen Weg, an dessen Ende die Umrisse einer Stadt zu erkennen sind. Das Hochformat in Ölfarben auf Malkarton suggeriert den Beobachtenden, dass der größte Streckenabschnitt noch zu bewältigen ist. Der Weg führt bergauf und bergab, vorbei an den dunklen Silhouetten einer Windmühle sowie an einzelnen, knorrigen Bäumen, bis er schließlich in einer endlos scheinenden, dünnen Schlangenlinie verstummt. Zieht ein Unwetter auf? Die Dunkelheit absorbiert nicht nur das wenige Licht im Bildgeschehen, sondern auch das im Ausstellungsraum. Ein Loch an der Wand tut sich auf. Sogartig fängt einen das Blau und die <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Melancholie" target="_blank">melancholische Stimmung</a> ein. Ob es die einsame schwarze Gestalt, die sich mit eingezogenem Kopf über ihren <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schimmel_(Pferd)" target="_blank">Schimmel</a> beugt, rechtzeitig ans Ziel schaffen wird?</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Marianne%20Werefkin%2C%20Der%20Landarzt%2C%201911%2CSammlung%20Felix%20und%20Herlinde%20Peltzer-Stiftung.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Marianne%20Werefkin%2C%20Der%20Landarzt%2C%201911%2CSammlung%20Felix%20und%20Herlinde%20Peltzer-Stiftung.png" width="1232" height="1619" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Marianne Werefkin, Der Landarzt, 1911, Sammlung Felix und Herlinde Peltzer-Stiftung, Foto: Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die Szene könnte Theodor Storms "<a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schimmelreiter" target="_blank">Der Schimmelreiter</a>" (1888) entsprungen sein. Marianne Werefkin betitelte ihr Bild selbst als "Der Landarzt". Die düstere Atmosphäre erweckt sogleich weitere literarische Assoziationen mit der Figur des Landarztes, die sich in den gleichnamigen Erzählungen von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Honor%C3%A9_de_Balzac" target="_blank">Honoré de Balzac</a> (1833) und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka" target="_blank">Franz Kafka</a> (1917) sowie in Gustave Flauberts "<a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Madame_Bovary" target="_blank">Madame Bovary</a>" (1857) wiederfindet. Im Gründungsjahr des "Blauen Reiters" entstanden, mag man in dem Landarzt gar selbst einen blauen Reiter erkennen. Ob es bloßer Zufall ist, dass die fortschreitende Dämmerung den Schimmel in ein blaues Licht hüllt?</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Das Gemälde "Der Landarzt" von Marianne Werefkin ist seit Anfang Mai 2023 in der Ausstellung "<a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/details-ausstellungen/4-mai-bis-30-juli-2023-kirchner-pechstein-werefkin-meisterwerke-aus-der-sammlung-peltzer" target="_blank">Kirchner, Pechstein, Werefkin – Meisterwerke aus der Sammlung Peltzer</a>" im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg zu sehen. Gemeinsam mit 35 weiteren Dauerleihgaben aus der Sammlung Felix und Herlinde Peltzer-Stiftung erlaubt es einen Einblick in die Themen und wiederkehrenden Motive der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Moderne" target="_blank">Klassischen Moderne</a>. Schlaglichtartig bringen sie den Besucherinnen und Besuchern die Lebenswelt der Künstlerinnen und Künstler im beginnenden 20. Jahrhundert näher.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Eine dieser Künstlerinnen ist die in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Russland" target="_blank">Russland</a> geborene Marianne Werefkin. Um ihrer Bedeutung für die Entwicklung des deutschen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Expressionismus" target="_blank">Expressionismus</a> gerecht zu werden, kann man sie gleichermaßen Malerin und Kunsttheoretikerin nennen. Marianne Werefkin wächst im Russischen Kaiserreich in aristokratischen Kreisen auf. Sie wird von Vertretern des <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Neuere_russische_Literatur#Russischer_Realismus" target="_blank">russischen Realismus</a> ausgebildet. In der Heimat erlangt sie Bekanntheit als russische Version des berühmten niederländischen Barockmalers <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rembrandt_van_Rijn" target="_blank">Rembrandt van Rijn</a> (1606–1669). Der Beiname zeugt von dem großen Talent, das man ihr nachsagt. Zu dieser Zeit malt Werefkin noch im realistischen Stil. In ihrem Geburtsland kommt es zur schicksalshaften Begegnung mit <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexej_von_Jawlensky" target="_blank">Alexej Jawlensky</a> (1864–1941), den sie künstlerisch und finanziell unter ihre Fittiche nimmt. Für die nächsten drei Jahrzehnte verbindet die beiden ein kompliziertes Geflecht aus Lehrerin-Schüler-Verhältnis, Freundschaft und Lebenspartnerschaft.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Nach dem Tod von Werefkins Vater 1896 bauen sich die beiden russischen Kunstschaffenden ein Leben in München auf. Die Wohnung in der Giselastraße 23 im Stadtteil Schwabing wird alsbald zum Treffpunkt der Münchener Avantgarde und Marianne Werefkin erhält einen neuen Spitznamen. Hier nennt man sie 'die Baronin'.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Der Direktor der Bremer Kunsthalle <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Pauli" target="_blank">Gustav Pauli</a> (1866–1938) gastierte ebenfalls im sogenannten "Salon der Giselisten". Über die Aura und den intellektuellen Einfluss Werefkins schreibt er in seinen Erinnerungen im Jahr 1936:</p> <p><em>„Neben der bekannten Kunstwelt, die sich in ihren Erfolgen sonnte, blühte im Schatten die Opposition der Jugend etwa so wie eine kommunistische Verschwörung inmitten einer bürgerlichen Gesellschaft. […] In dieser Welt […] bildete der Salon der Werefkin einen Mittelpunkt. Sie war die international erzogene Tochter eines russischen Generals, weltgewandt, gescheit und kritisch beredt. Um ihren Teetisch sammelte sich täglich das Grüpplein der Getreuen, meist russischen Künstler, […] und ihre Münchner Freunde, eine ziemlich bunte Gesellschaft, in der sich die bayerische Aristokratie mit dem fahrenden Volk der internationalen Bohème begegnete. […] Nie wieder habe ich eine Gesellschaft kennengelernt, die mit solchen Spannungen geladen war. Das Zentrum, gewissermaßen die Sendestelle der fast physisch spürbaren Kräftewellen, war die Baronin. Die zierlich gebaute Frau mit den großen dunklen Augen […] beherrschte nicht nur die Unterhaltung, sondern ihre ganze Umgebung. […] Über alle Fragen der Kunst und Literatur, der alten und neuen, wurde […] mit unerhörtem Eifer und ebensoviel Geist debattiert.“</em></p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Aus diesem Kreis diskursfreudiger Gleichgesinnter, die sich um die Künstlerin scharen, gründet sich im Jahr 1909 die "<a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_K%C3%BCnstlervereinigung_M%C3%BCnchen" target="_blank">Neue Künstlervereinigung München</a>" (kurz: N.K.V.M.), aus der zwei Jahre später "<a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Blaue_Reiter" target="_blank">Der Blaue Reiter</a>" hervorgehen wird. Zu den Gründungsmitgliedern der "N.K.V.M." gehören neben Marianne Werefkin auch Alexej Jawlensky, <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wassily_Kandinsky" target="_blank">Wassily Kandinsky</a> (1866–1944) und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriele_M%C3%BCnter" target="_blank">Gabriele Münter</a> (1877–1962). Neben dem Salon Werefkins in der Giselastraße ist das bayerische <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Murnau_am_Staffelsee" target="_blank">Murnau</a> der zweite wichtige Ort für den Zusammenschluss der Expressionistinnen und Expressionisten. In den Sommern 1908 und 1909 kommen hier dieselben Protagonistinnen und Protagonisten zusammen, um gemeinsam der künstlerischen Arbeit nachzugehen. In den gemeinsamen Motiven finden sie zu ihrer individuell abstrakten Malerei. Wenig später kommt auch <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Marc" target="_blank">Franz Marc</a> (1880–1916) hinzu. Unstimmigkeiten in der Ausstellungspraxis sind der Grund für den Austritt von Kandinsky, Münter und Marc. Aus dieser Abspaltung bildet sich im Schlüsseljahr 1911, in dem auch das ausgestellte Gemälde "Der Landarzt" entsteht, schließlich "Der Blaue Reiter". Der Name ist zunächst die Bezeichnung für ein kunsttheoretisches Programm, das Wassily Kandinsky und Franz Marc unter Mitwirkung Gabriele Münters als <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Almanach" target="_blank">Almanach</a> herausgeben. Es folgen zwei weltberühmte Ausstellungen in den Jahren 1911 und 1912, die den Theorieteil mit praktischem Anschauungsmaterial untermauern. Ab 1912 stellt auch Marianne Werefkin mit dem "Blauen Reiter" aus. Heute wird "Der Blaue Reiter" im weiteren Sinne als Bezeichnung für alle im Umkreis der Herausgeber tätigen und damals zusammen ausgestellten Künstlerinnen und Künstler gebraucht.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Marianne%20Werefkin%2C%20Der%20Landarzt%2C%201911%2CSammlung%20Felix%20und%20Herlinde%20Peltzer-Stiftung.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/assets/images/d/Marianne%20Werefkin%2C%20Der%20Landarzt%2C%201911%2CSammlung%20Felix%20und%20Herlinde%20Peltzer-Stiftung-0b6064f7.png" width="400" height="200" alt="Abbildungen diverser Käferarten in einem Buch aus dem 19. Jahrhundert"> </a> <figcaption class="caption">Marianne Werefkin, Der Landarzt (Detail), 1911, Sammlung Felix und Herlinde Peltzer-Stiftung, Foto: Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>1913 erfindet <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Else_Lasker-Sch%C3%BCler" target="_blank">Else Lasker-Schüler</a> (1869–1945) für Marianne Werefkin den bezeichnenden Ausdruck der "Blauen Reiter-Reiterin". Die zeitgenössische Äußerung der befreundeten Dichterin verdeutlicht, dass die Künstlerin nicht bloß eine der Frauen im Hintergrund des "Blauen Reiters" war. Vielmehr erhebt der Titel der "Blauen Reiter-Reiterin" den Anspruch Werefkins als geistige Impulsgeberin für die Entstehung der Künstlergruppe, als Netzwerkerin und nicht zuletzt als intellektuelle Vordenkerin für den deutschen Expressionismus.</p> <p><em>Mehr zu Marianne Werefkin und dem ausgestellten Werk "Der Landarzt" können Sie in der wissenschaftlichen <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/aktuelle-publikationen-details/kirchner-pechstein-werefkin-meisterwerke-aus-der-sammlung-peltzer" target="_blank">Publikation zur Ausstellung</a> nachlesen und im dazugehörigen <a rel="noopener" href="https://guide.lindenau-museum.de/peltzer" target="_blank">Audio-Guide zur Ausstellung</a> nachhören. Die Ausstellung "Kirchner, Pechstein, Werefkin – Meisterwerke aus der Sammlung Peltzer" ist noch bis zum 30. Juli 2023 zu sehen (Di–So & an Feiertagen 12–18 Uhr, 4,00 € | 3,00 € ermäßigt).</em></p> </div> </div> </div> 2023-05-24T10:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/marianne-werefkin-die-blaue-reiter-reiterinOnline-RedaktionÖsterliches Langohr aus Etrurien – Über ein etruskisches Salbölgefäß in Hasengestalt aus den Antikensammlungen des Lindenau-Museums <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Hätten Sie es gewusst? Der Hase war <em>das </em>Jagdwild des <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Altertum" target="_blank">Altertums</a>! Und das zeigt unser museumseigenes Langohr – ein antikes Gefäß in Hasengestalt – auf ganz besondere Weise: Wie bei einer Jagdbeute hängen Kopf und Löffel nach hinten, die Vorderläufe sind ausgestreckt. Als träge ihn ein <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%A4ger" target="_blank">Jäger</a> über die Schulter geworfen hinfort oder hätte den frisch Erlegten an den Vorderläufen zum Zeichen des Jagdglücks aufgehangen. Eine solche Szene ist auch auf einer <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Attische_Vasenmalerei" target="_blank">attischen</a> Trinkschale des <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tleson-Maler" target="_blank">Tleson-Malers</a> aus der Sammlung des <a rel="noopener" href="https://www.britishmuseum.org/" target="_blank">British Museum</a> in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/London" target="_blank">London</a> abgebildet. Der grimmig blickende weiße Hund des Jägers hat neben einem Hasen sogar einen Fuchs zur Strecke gebracht.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230409_Umzeichnung%20nach%20einer%20Trinkschale%20des%20Tleson-Malers%20aus%20der%20Sammlung%20des%20British%20Museum%20in%20London%2C%20Grafik%20Ronny%20Teuscher.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230409_Umzeichnung%20nach%20einer%20Trinkschale%20des%20Tleson-Malers%20aus%20der%20Sammlung%20des%20British%20Museum%20in%20London%2C%20Grafik%20Ronny%20Teuscher.png" width="7756" height="7629" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Umzeichnung nach einer Trinkschale des Tleson-Malers aus der Sammlung des British Museum in London, Grafik: Dr. Ronny Teuscher</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Das „Corpus Vasorum Altenburg“ von 1959, das erste Nachschlagewerk für antike Gefäßkeramik im Lindenau-Museum, vermutete noch eine ostgriechische Manufaktur hinter dem hasengestaltigen Altenburger Gefäß. Unser Hase aber ist ein Italiener. Er stammt aus dem mittelitalienischen Etrurien – der Heimat der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Etrusker" target="_blank">Etrusker</a>. Hervorzuheben sind die Etrusker am Haus unter anderem deswegen, weil viele der griechischen Vasen der Museumssammlung aus Gräbern der Etruskerstadt <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Vulci" target="_blank">Vulci</a> stammen. So auch der Hase.</p> <p>In Altenburg befindet sich unser Hase seit dem Winter 1845/46. Er hatte dabei eine lange Reise hinter sich: Von der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Toskana" target="_blank">Toskana</a> aus ging es zu einem römischen Kunsthändler, von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Rom" target="_blank">Rom</a> – Hauptstadt der Welt – führte ihn sein Weg dann mit dem Schiff von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Livorno" target="_blank">Livorno</a> über <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg" target="_blank">Hamburg</a> und schließlich per Eisenbahn nach Thüringen in die Residenzstadt Altenburg.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>In Rom für die Sammlung Lindenaus erfolgreich erjagt hatte den Hasen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Braun" target="_blank">Emil Braun</a> (1809–1856), Erster Sekretär des <em>Instituto di Corrispondenza Archeologica</em> in Rom, Landsmann Lindenaus und sein „Kunstagent“. Dieser stellte dem sächsischen Politiker und Mäzen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Lindenau" target="_blank">Bernhard August von Lindenau</a> (1779–1854) eine Kollektion von etwa 200 «alt griechisch–etrurische[n] bemalte[n] Vasengefäße[n]» für 2404 Scudi zusammen, die seit 1848 in dem von Lindenau gegründeten Museum gemeinsam mit Gipsabgüssen nach antiken Skulpturen und frühitalienischer Tafelmalerei öffentlich ausgestellt waren. An ihren Formen und Vasenbildern sollten die Schüler der dem Museum angeschlossenen Kunstschule ihren Geschmack sowie ihre künstlerischen Fertigkeiten ausbilden.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Emil Braun sprach das <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zoomorphismus" target="_blank">zoomorphe</a> Gefäß in Hasengestalt noch als Reh an. Vielleicht brachte sein getüpfeltes Fell ihn zu dieser Zuschreibung. Doch auch andere figürliche Gefäße der sogenannten etrusko-korinthischen Keramik, die gänzlich in die 1. Hälfte des 7. Jh. v. Chr. datieren, zeigen diese Punktierung. Funktionell dienten sie als Parfümflakons, die kostbare Salböle beinhalteten und dies durch ihre besondere Gestalt zur Schau stellten. Neben Hasen gab es auch Wasservögel, Affen, Panther, Rehe, Hirsche und Igel.</p> <p>Es ist gut möglich, dass Bernhard August von Lindenau während seines Aufenthaltes in Rom ein Pendant zu unserem Hasen gesehen hat. Lindenau schreibt am 10. Dezember 1850 von Altenburg an Braun in Rom: «Bei meiner großen Vorliebe für die Etrusker, frage ich an […] ob nichts über dies merkwürdige mit Ihnen im Vatican besehene Grab von Caere erschienen ist».</p> <p>Die Briefstelle zeigt, dass Lindenau auf seiner Italien-Reise, die insbesondere den Erwerbungen für sein zukünftiges Museum galt, Ende 1843 unter der fachlichen Begleitung Emil Brauns das weltweit erste Etruskermuseum <a rel="noopener" href="https://www.museivaticani.va/content/museivaticani/de/collezioni/musei/museo-gregoriano-etrusco.html" target="_blank"><em>Museo Gregoriano</em></a> (gegründet 1837 unter <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gregor_XVI." target="_blank">Papst Gregor XVI.</a>) besucht haben muss. Glanzstück des Museums war und ist das Grabinventar der <a rel="noopener" href="https://www.museivaticani.va/content/museivaticani/de/collezioni/musei/museo-gregoriano-etrusco/sala-ii--tomba-regolini-galassi/tomba-regolini-galassi.html" target="_blank">Tomba Regolini-Galassi</a>, des für Lindenau ganz nach der ursprünglichen Wortbedeutung «merkwürdigen» <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BCgelgrab" target="_blank">Tumulusgrabbaus</a> aus der Orientalisierenden Phase der etruskischen Kultur (7. Jh. v. Chr.).</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Braun offerierte, die beiden Bände des «Museo Gregoriano-Etrusko des Vatican's» für Altenburg zu erwerben. Beide Werke zieren noch heute die <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/kunstbibliothek" target="_blank">Lindenausche Kunstbibliothek</a>, die Lindenau wiederum für den Unterricht an seiner Kunstschule mit der seinerzeit wichtigsten Fachliteratur zum Klassischen Altertum ausstattete. Der zweite Teil des erwähnten Bandes bildet ein Salbölgefäß aus eben genannter Tomba Regolini-Galassi in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Cerveteri" target="_blank">Cerveteri</a> ab, das stark unserem Altenburger Exemplar ähnelt. Es ist augenscheinlich, dass sie aus ein und derselben Werkstatt stammen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230409_Etruskisches%20Salb%C3%B6lgef%C3%A4%C3%9F%20in%20Hasengestalt%2C%20600-550%20v.%20Chr.%2C%20Inv.-Nr.%20CV%2021%20%28240%29%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230409_Etruskisches%20Salb%C3%B6lgef%C3%A4%C3%9F%20in%20Hasengestalt%2C%20600-550%20v.%20Chr.%2C%20Inv.-Nr.%20CV%2021%20%28240%29%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg.png" width="1792" height="940" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Etruskisches Salbölgefäß in Hasengestalt, 600-550 v. Chr., Inv.-Nr. CV 21 (240), Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Unser Hase soll in der künftigen Dauerausstellung des Lindenau-Museums Altenburg zusammen mit einem zeitgleichen Vorratsgefäß (<a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pithos" target="_blank">Pithos</a>), einer älteren Bronze-Fibel, einer subgeometrischen Kanne und einem <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Skarab%C3%A4us" target="_blank">Skarabäus</a> die etruskische Früh- und Hochzeit, also den Zeitraum von etwa 650 bis 550 v. Chr., präsentieren. Da sie innerhalb der Vasensammlung Lindenaus eine schwergewichtige Rolle einnehmen, ist geplant, den Etrusker einen eigenen Raum zukommen zu lassen. Unser Hase kann dabei aufgrund seiner besonderen Gestaltung als auch seiner Vatikanischen Schwester und seiner Herkunft eine geeignete Vermittlerrolle einnehmen.</p> </div> </div> </div> 2023-04-06T08:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/oesterliches-langohr-aus-etrurien-ueber-ein-etruskisches-salboelgefaess-in-hasengestalt-aus-den-antikensammlungen-des-lindenau-museumsOnline-RedaktionAltenburger Terrassen – Ein Gastbeitrag von Robert Anton anlässlich der Ausstellung "Die Neue Remise – Gedankenspiele für einen Depotneubau der Altenburger Museen" <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p><strong>Einführung</strong></p> <p>Im heute (noch) leerstehenden Herzoglichen Marstall in Altenburg sollen im Rahmen einer Förderung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Thüringen für das Lindenau-Museum Altenburg Flächen für Depots und Werkstätten, ein Schaudepot, Büros und Veranstaltungen entstehen. Ergänzend dazu hat das Lindenau-Museum gemeinsam mit dem Residenzschloss Altenburg einem Gedankenspiel Raum gegeben, in dem im Rahmen der Planungen der KAG Altenburger Museen Depots und Werkstätten für beide Häuser geplant werden – und zwar im Marstall und in einem möglichen Nebengebäude – der an alter Stelle in freier Form wieder errichteten „Neuen Remise“. Dazu gab es einen von den Landesämtern für Denkmalpflege und Archäologie in Ostdeutschland ausgelobten Ideenwettbewerb im Rahmen der <a rel="noopener" href="https://www.denkmal-leipzig.de/de/erleben/programm/messeakademie/" target="_blank">Messeakademie 2022</a>, dessen Ergebnisse jüngst im Lichthof des Lindenau-Museums Altenburg in der Kunstgasse 1 ausgestellt wurden. Im Folgenden stellt der Preisträger Robert Anton von der <a rel="noopener" href="https://www.uni-weimar.de/de/universitaet/start/" target="_blank">Bauhaus-Universität Weimar</a> seinen Siegerentwurf genauer vor. Er geht mit den Autoren des künftigen Masterplans für den Schlossberg davon aus, dass die "Neue Remise" für Depots und Werkstätten errichtet wird und dass sich an der Stelle des heutigen Parkplatzes ein neu gedachter Küchengarten befindet. Zum Gedankenspiel gehört auch die Wiederrichtung eines Gebäudes an der Stelle der Ruine des ehemaligen Schönhauses auf halbem Wege zwischen Marstall und Lindenau-Museum.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Neue%20Remise.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Neue%20Remise.jpg" width="1960" height="1181" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Entwurfszeichnung der "Neuen Remise" des Messeakademie-Preisträgers 2022 Robert Anton (Bauhaus-Universität Weimar)</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p><strong>Eine neue Adresse</strong></p> <p>Wenn wir den Altenburger Schlossgarten an der Erich-Mäder-Straße betreten, haben wir die Wahl zwischen drei Wegen, die uns zu ganz unterschiedlichen Orten führen. Da wäre einerseits eine gepflasterte Straße, die uns linkerhand hinauf zum <a rel="noopener" href="https://www.residenzschloss-altenburg.de/residenzschloss-altenburg.html" target="_blank">Residenzschloss Altenburg</a> leitet. Andererseits gibt es einen Kiesweg, über den wir zwischen dichtem Grün und einer Mauer hindurch zum <a rel="noopener" href="https://www.ratskeller-altenburg.de/ueber-uns/locations/teehaus-altenburg.html" target="_blank">Orangerie-Garten und dem Teehaus</a> gelangen. Schließlich existiert rechterhand eine asphaltierte Zufahrt, die an den Toren des Marstalls vorbei und eine Böschung hinab zum Besucherparkplatz führt. Scheinbar erst dahinter, wo der kleine Wald beginnt, befinden wir uns dann im eigentlichen Schlosspark, dessen Wege bis zum Lindenau-Museum hinunterführen.</p> <p>Wenn wir uns am Parkplatz noch einmal umsehen, fallen uns alte Mauern auf, die die Grenze zum eigentlichen Park markieren. Der Freiraum rund um den Parkplatz, den sie umgeben, ist nicht einfach zu benennen. Er hat die Wirkung eines Vorbereiches des dahinter liegenden Schlossparks. Tatsächlich ist er einer der ältesten Teile der Schlossgärten. Wir stehen im ehemaligen Küchengarten, der in der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Renaissance" target="_blank">Renaissance</a> angelegt und mit Mauern eingefasst wurde. Lange, bevor man oben an der Orangerie seltene <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tropische_Frucht" target="_blank">Südfrüchte </a>sammelte und auf einem Spaziergang das Schönhaus entdecken konnte, wurden hier bereits Lebensmittel angebaut.</p> <p>Auf der Böschung, die wir heruntergekommen sind, stand ab etwa 1850 die alte Wagenremise des <a rel="noopener" href="https://www.thueringen.info/altenburg-der-marstall.html" target="_blank">Marstalls</a>, bis sie zu Anfang der 2000er-Jahre abgerissen wurde. Ihre hohe Stützmauer fing den Geländeunterschied ab und fasste den Küchengarten damit nach Süden hin ein. Von der Zufahrt zum Marstall erreichte man in erster Linie den Rangierhof der Remise. Erst durch die neue Pkw-Zufahrt, die wir heute als Parkzugang wahrnehmen, hat dieser Ort seine öffentliche Funktion erhalten. Da der Marstall zukünftig ein öffentliches Gebäude sein wird, dürfte die Bedeutung dieses Weges in den Park und damit auch des Küchengartens weiter zunehmen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>All diese Beobachtungen sind entscheidend für die Überlegung, mit dem Neubau eines Depot- und Werkstattgebäudes an der Stelle der ehemaligen Remise auch den Parkzugang am Marstall neu zu denken. Die Chance liegt darin, den Küchengarten auf der Südseite durch den Neubau wieder einzufassen und ihn in diesem Zuge als einen eigenständigen Teil der Schlossgärten neu zu gestalten.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>An die Stelle der Zufahrt und des Parkplatzes tritt eine <a rel="noopener" href="https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/terrassierung/16445" target="_blank">Terrassierung </a>des Geländes, die sich in der Baulinie des Neubaus fortsetzt. Der Parkzugang erhält am Kopf des Neubaus einen Zielpunkt. Hier entsteht ein Ort des Ankommens und Orientierens, an dem sich Besuchenden ein einerseits räumlicher, aber auch zeitgeschichtlicher Überblick über die Freiräume des Parks bietet.</p> <p>Beim Betreten des Schlossparks taucht das neue Werkstatt- und Depotgebäude langsam hinter dem Eckpfeiler des Marstalls auf. Es zeigt sich als ein Gebäude, das tatsächlich als eine „Neue Remise“ verstanden werden kann: Einerseits als ein dienendes, nichtöffentliches Nebengebäude des Marstalls, das in seiner äußeren Erscheinung mit diesem verwandt ist. Andererseits als ein zeitgemäßes Forschungsgebäude, das selbstbewusst seinen Platz in der Parklandschaft einnimmt und optimale Arbeitsbedingungen bietet.</p> <p>Zum Logistikhof zeigt es sich als hölzernes, recht geschlossenes Nebengebäude mit einigen Toren und einem flach geneigten <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Satteldach" target="_blank">Satteldach</a>. Größere Verglasungen am Gebäudekopf markieren den Eingang für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gäste des Restaurierungsbetriebes.</p> <p>Beim Erreichen der neuen Terrasse zwischen Orangerie und Neubau bietet sich ein Überblick über den Küchengarten, bevor beim Herabsteigen einer Treppenanlage das massive Sockelgeschoss der „Neuen Remise“ sichtbar wird. Hier liegen die Gemäldedepots verborgen. Tief eingeschnittene Lichtschächte zwischen großformatigen <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Betonwerkstein" target="_blank">Betonwerksteinen </a>verstärken den schützenden Eindruck der Konstruktion.</p> <p>Im darüber liegenden <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holzbau" target="_blank">Holzbau </a>zeichnen sich hinter der verglasten Nordfassade die Restaurierungswerkstätten ab. Sie profitieren von optimalem Arbeitslicht und bieten einen freien Blick über den Küchengarten. Im Dachgeschoss befinden sich weitere Depots, die hinter einer wiederum geschlossenen Fassade verborgen sind.</p> <p>Die plastische Gestaltung der Fassade bedient sich einiger Anleihen aus dem wuchtigen Stil des Marstalls, die in die leichtere, filigrane Sprache des Holzbaus übersetzt werden. Inmitten der orange-ockerfarbenen Putzfassaden der historischen Bauten des Parks setzt die neue Remise mit ihrer graubläulich lasierten Fassade einen bewussten Akzent.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p><strong>Das Schönhaus – Ort der Inszenierung</strong></p> <p>Im bewaldeten Teil des Schlossparks liegt die Ruine des <a rel="noopener" href="http://www.museen.thueringen.de/Objekt/DE-MUS-865812/lido/dc00001715" target="_blank">Schönhauses</a>. Es war Teil der fürstlichen Bräuche, die den Park als Kulisse von Aufführungen, Festen und Spaziergängen einschlossen. Nach der Zerstörung durch einen Brand ist nur noch seine Terrasse erhalten. Wenn wir jedoch nicht nur das Schönhaus, sondern auch den Park ringsum als Teil dieser Kulisse verstehen, sind davon noch heute wichtige Teile erhalten: Die verschlungenen Wege, der <a rel="noopener" href="https://geo.viaregia.org/pubtest/Material.Datenbank/Geschichte/Einzelereignisse.Geschichten.Personen/Altenburg/Hussiten.in.Altenburg.html" target="_blank">Hussitengraben </a>und der Wald, der das Schönhaus umgibt.</p> <p>Bisher bestand die Idee, am Schönhaus einen kleinen musealen Neubau zu schaffen, an dem die Geschichte des Schlossgartens erzählt wird. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Erzählung dieses Ortes nicht durch eine im wörtlichen Sinne inszenierte Nutzung bereits in seinem jetzigen Zustand neu belebt werden könnte. Hierzu bräuchte es nur einige wenige Eingriffe, wie etwa die Einrichtung von Sitzstufen rund um die Terrasse. Dann könnten hier außergewöhnliche sommerliche Aufführungen und Schauspiele fernab der musealen Orte des Schlossgartens im Mittelpunkt stehen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Neue%20Remise_Visualisierung_Robert%20Anton.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/Neue%20Remise_Visualisierung_Robert%20Anton.png" width="1576" height="958" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Das Gedankenspiel der "Neuen Remise" in frühlingshafter Umgebung</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p><strong>Kurzvita</strong></p> <p>Robert Anton (*1996) begann nach dem Abitur in seiner Geburtsstadt <a rel="noopener" href="https://startseite.jena.de/de" target="_blank">Jena</a> 2015 das Studium der Architektur an der Bauhaus-Universität in <a rel="noopener" href="https://www.weimar.de/" target="_blank">Weimar</a>. Nach Studien- und Berufsaufenthalten in Deutschland, Israel und Frankreich nahm er im letzten Jahr am Weimarer Lehrstuhl von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Rudolf_Meier" target="_blank">Prof. Hans-Rudolf Meier</a> am Wettbewerb der Messeakademie 2022 teil. Sein Beitrag für den Altenburger Schlosspark wurde auf der Denkmalmesse in Leipzig ausgezeichnet.</p> </div> </div> </div> 2023-03-22T12:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/altenburger-terrassen-ein-gastbeitrag-von-robert-anton-anlaesslich-der-ausstellung-die-neue-remise-gedankenspiele-fuer-einen-depotneubau-der-altenburger-museenOnline-RedaktionPeter Schnürpel und die SAMSTAGSZEICHNER – Der erste studioKurs an der KUNSTWAND <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230223_blog_KUNSTWAND_01.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230223_blog_KUNSTWAND_01.jpg" width="1181" height="787" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Kursleiter Peter Schnürpel, Foto: Nora Frohmann</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Eines der vielen Projekte der Kunstvermittlung ist die Bespielung der KUNSTWAND im Interim des Lindenau-Museums Altenburg. Diese Präsentationsmöglichkeit soll neben Werken der Sammlungen auch relevante Themen der Museumsarbeit wie <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/provenienzforschung" target="_blank">Provenienzforschung</a>, <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/restaurierung" target="_blank">Restaurierung</a> oder die Arbeit des <em>studios </em>in den Fokus rücken.</p> <p>Von nun an einmal jährlich wird durch eine Ausstellung, ein Begleitprogramm und eine Schriftenreihe die Arbeit der zahlreichen <a rel="noopener" href="http://lindenau-museum.de/kunstvermittlung/studioangebote/kurse-und-workshops" target="_blank">studioKurse </a>vorgestellt. Besucher:innen bekommen Einblicke, sie begegnen Werken und Arbeitsweisen der Teilnehmenden und Dozent:innen. Den Anfang machen die „Samstagszeichner:innen“ unter Anleitung von <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Schn%C3%BCrpel" target="_blank">Peter Schnürpel</a>. In monatlichen Treffen widmen sie sich gemeinsam zeichnerischen und grafischen Aufgaben und besprechen mitgebrachte freie Arbeiten. Sie begeben sich damit auf die Suche nach dem eigenen Ausdruck und integrieren Feedback als wichtigen Teil des künstlerischen Prozesses.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Im ATELIER im studio haben die Teilnehmenden die Möglichkeit zu zeichnen, zu malen und zu drucken. Sowohl die Räumlichkeiten im historischen Museumsgebäude als auch die des Interims in der Kunstgasse 1 dien(t)en ihnen als Bildmotive: Gipsabgüsse antiker Statuen, architektonische Zusammenhänge und aktuelle Ausstellungen.</p> <p>An der KUNSTWAND finden sich Zeichnungen, <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Aquarell" target="_blank">Aquarelle </a>und <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Radierung" target="_blank">Radierungen</a>, die in der Tradition der Kunstschule <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Lindenau" target="_blank">Bernhard August von Lindenaus</a> (1779–1854) im Kurs entstanden sind oder aber an ganz anderen Orten, zu Hause oder vielleicht sogar im Atelier.</p> <p>Für die Auswahl und Zusammenstellungen der Arbeiten wollte ich – <a rel="noopener" href="https://www.norafrohmann.com/" target="_blank">Nora Frohmann</a>, Kunstvermittlerin am Lindenau-Museum Altenburg und Kuratorin der KUNSTWAND – die Kunstschaffenden und ihre Stimmen mit einbeziehen, gemeinsam die Blätter besprechen und nach Zusammenhängen suchen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230223_blog_KUNSTWAND_02.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230223_blog_KUNSTWAND_02.jpg" width="787" height="1181" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Druckergebnis, Foto: Nora Frohmann</figcaption> </figure> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Dazu hatte ich mich für einen Samstagvormittag angekündigt und die Teilnehmenden darum gebeten, ihre freien Arbeiten mitzubringen, von denen sie sich vorstellen können, sie auszustellen. Im Austausch und bei der Sichtung kam mir die Idee, die Kursteilnehmenden jeweils über ein <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Portr%C3%A4t" target="_blank">Portrait </a>vorzustellen, das wiederum eine andere Teilnehmerin oder ein anderer Teilnehmer gezeichnet hatte. Zudem sollten jeweils Ansichten aus dem historischen Museum an der Gabelentzstraße sowie aktuelle Ansichten aus dem Interim und freie Arbeiten vertreten sein. Um die Wichtigkeit des Gruppengefüges und das Prozesshafte herauszustellen, wählte ich eine großformatige, farbige Skizze von Alf Stolze für die zentrale Präsentation in der Mitte der Wand aus. Von dort aus streute ich die Portraits und setzte in deren Nähe jeweils die Arbeiten der Abgebildeten. Somit ergab sich eine sehr stimmige, vielfältige Zusammenstellung, die die Arbeitsweisen und Interessen der „Samstagszeichner:innen“ widerspiegelt: Linie, Zeichnung, Drucktechniken, Portrait, Prozess, Gemeinsames, Ausprobieren.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mit dem Ziel einer ausführlicheren Präsentation der studioKurse und aus Gründen der Sichtbarkeit und Dokumentation entstand zur Ausstellung eine Broschüre, die der Auftakt einer studioSchriftenreihe sein soll. Um eine konventionelle Vorstellung der Kunstschaffenden zu umgehen – eine Auflistung von Solo- und Gruppenausstellungen – verschickte ich Fragebögen mit mehr oder weniger seriösen Fragen zu ihrer Beschäftigung mit Kunst, der Zeit im studio, der eigenen Lieblingsfarbe und -künstler:in, dem beruflichen Hintergrund etc. Ein Zitat zum persönlichen Wert von Kunst ergänzt großformatige Werkabbildungen. Um das Gesamtgefüge der Gruppe und der Ausstellung zu veranschaulichen, wurde auch eine Wandansicht abgedruckt.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230223_blog_KUNSTWAND_04.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230223_blog_KUNSTWAND_04.jpg" width="1181" height="787" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Verschiedene Techniken auszuprobieren, ist Teil des Kurses, Foto: Nora Frohmann</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Eine die Präsentation flankierende Abendveranstaltung lud dazu ein, der Arbeitsweise der „Samstagszeichner:innen“ zu folgen und gemeinsam im Interim auf Motivsuche zu gehen, zu zeichnen und das Wahrgenommene in <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Monotypie" target="_blank">Monotypien </a>umzusetzen. Diese Sonderform der <a rel="noopener" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Grafik" target="_blank">Druckgrafik </a>ermöglicht es, Eigenschaften der Druckfarbe, Strukturen, Linien und Flächen zu nutzen, um das Gezeichnete zu beleben. Im Gegensatz zu anderen Drucktechniken entstehen hierbei aber Unikate. Elf Interessierte widmeten sich in sehr angenehmer, angeregter Arbeitsatmosphäre der Zeichnung. Vorlagen aus dem Internet, aus dem Gedächtnis oder vor Ort wurden meist direkt zur Monotypie. Auch Experimente wie das Schaben mit einer Plastikgabel, das Reiben mit Handballen und Bürsten oder Negativvarianten fanden ihren Platz. Peter Schnürpel, Alf Stolze und Marlene Hofmann gaben als Kursmitglieder ihre Erfahrungen zum Farbauftrag, zu Grauwerten und zur Komposition weiter. Beglückt und mit schönen Ergebnissen bestückt traten die Teilnehmenden des Abendkurses den Heimweg an. Gut möglich, dass ein paar von ihnen künftig auch zu den „Samstagszeichner:innen“ zählen werden…</p> </div> </div> </div> 2023-02-23T13:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/peter-schnuerpel-und-die-samstagszeichner-der-erste-studiokurs-an-der-kunstwandOnline-RedaktionZeitlos modern – Die Künstlerinnen Erna Pinner und Jacoba van Heemskerck <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230117_Erna%20Pinner%2C%20o.%20T.%2C%201923%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2023/20230117_Erna%20Pinner%2C%20o.%20T.%2C%201923%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg.jpg" width="684" height="646" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Erna Pinner, o. T., 1923, Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Während der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Weimarer_Republik" target="_blank" rel="noopener">Weimarer Republik</a> (1918–1933) wandelte sich die Rolle der Frau. Nach dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg" target="_blank" rel="noopener">Ersten Weltkrieg</a> mussten viele von ihnen plötzlich für ihren eigenen Unterhalt sorgen und entwickelten ein Interesse für Berufszweige, die zuvor nur von Männern ausgeübt wurden. Doch sie traten nicht nur als weibliche Angestellte in Erscheinung. Frauen kämpften für ihre Sichtbarkeit und Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Auch in der Kunst suchten und fanden sie Wege und Formen, sich auszudrücken und ihre Gedanken und Gefühle festzuhalten. Einige von ihnen setzten sich selbstbewusst über die Zwänge der Gesellschaft sowie die künstlerischen Lehren der männlichen Kollegen hinweg und fanden ihre eigene Bildsprache. Sowohl das Überwinden gültiger Normen und Verhaltensweisen als auch das Aufbrechen herkömmlicher Geschlechterrollen führten jedoch nicht nur zur Selbstbestimmtheit, sondern lösten auch Ängste und gesellschaftlichen Druck aus. In der Grafischen Sammlung des Lindenau-Museums Altenburg finden sich neben abstrakten und realistischen Naturdarstellungen, Porträts sowie fantasievollen Buchillustrationen auch visuelle Anklagen der Künstlerinnen – Bilder, die ungeschönt und direkt die Nöte und Sorgen, aber auch die Errungenschaften und Kräfte der Zeit widerspiegeln. Auf eindringliche Weise zeigen die Frauen ihre Perspektiven auf die Welt, in der sie lebten. Dabei haben viele der Werke einen beeindruckend zeitlosen und modernen Charakter. </p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Bereits in ihrer Jugend fertigte die aus einem jüdischen Großbürgertum stammende <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erna_Pinner" target="_blank" rel="noopener">Erna Pinner</a> (1890–1987) Skizzen und Zeichnungen im <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zoo_Frankfurt" target="_blank" rel="noopener">Frankfurter Zoo</a> an. Nachdem sie ihre künstlerische Ausbildung am <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4delsches_Kunstinstitut" target="_blank" rel="noopener">Städelschen Kunstinstitut</a> begonnen hatte, studierte sie beim Maler <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lovis_Corinth" target="_blank" rel="noopener">Lovis Corinth</a> (1858–1925), der ein guter Freund der kunstinteressierten Familie Pinner wurde. Anschließend ging sie nach Paris und nahm Unterricht an der renommierten <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Acad%C3%A9mie_Ranson" target="_blank" rel="noopener">Acádemie Ransson</a> bei <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%A9lix_Vallotton" target="_blank" rel="noopener">Félix Vallotton</a> (1865–1925), <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Denis" target="_blank" rel="noopener">Maurice Denis</a> (1870–1943) und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_S%C3%A9rusier" target="_blank" rel="noopener">Paul Sérusier</a> (1864–1927). Bevor der Erste Weltkrieg ausbrach, kehrte Pinner zurück nach Frankfurt und entwickelte neben zahlreichen grafischen Arbeiten fantasievolle und ungewöhnliche Puppen – die so genannten Pinner-Puppen, von denen heute leider keine mehr im Original erhalten geblieben ist. Im Jahr 1916 lernte sie den Schriftsteller und Mitbegründer der „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Darmst%C3%A4dter_Sezession" target="_blank" rel="noopener">Darmstädter Sezession</a>“ <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kasimir_Edschmid" target="_blank" rel="noopener">Kasimir Edschmid</a> (1890–1966) kennen, mit dem sie neben einer persönlichen auch eine künstlerische Partnerschaft und lebenslange Freundschaft verband. Gemeinsam mit ihm reiste sie durch Südeuropa und Nordafrika, schrieb für den Feuilleton, illustrierte seine Werke und fertigte Kostüme für seine Bühnenstücke an.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mit der Unterstützung des Kunsthändlers, Galeristen, Publizisten und Verlegers <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Flechtheim" target="_blank" rel="noopener">Alfred Flechtheim</a> (1878–1937) erschienen zahlreiche von Pinners Fotografien, Aufsätzen und Zeichnungen in dessen Magazin „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Querschnitt" target="_blank" rel="noopener">Der Querschnitt</a>“. Ihre Illustrationen in Edschmids Buch „Zur Naturgeschichte der Antilopen“ zeigen in wenigen Flächen und zarten Linien <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Antilope" target="_blank" rel="noopener">Antilopen</a> aus verschiedenen Perspektiven. Aufgrund der sparsamen Formensprache erscheinen die Tiere modern und zeitlos.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Als Jüdin sah sich Erna Pinner, wie viele andere Menschen, dem stetig wachsenden <a href="https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/?field_filter_format=all&field_tags_keywords[0]=-1&d=1" target="_blank" rel="noopener">Antisemitismus</a> und den damit einhergehenden Repressionen ausgesetzt. Während Edschmid in die ‚innere Emigration‘ ging, entschied sich Pinner gemeinsam mit ihrer Mutter ins Exil nach England zu fliehen. Hier knüpfte sie Kontakte zu Zoologen, Biologen und Anthropologen, deren wissenschaftliche Publikationen sie illustrierte. Die Natur stand zeitlebens im Mittelpunkt von Pinners künstlerischem Schaffen, wobei sie oftmals ein Augenzwinkern in ihre Arbeiten einfließen ließ. Im Jahr 1959 erhielt sie durch <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Heuss" target="_blank" rel="noopener">Theodor Heuss</a> (1884–1963) das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Verdienstorden_der_Bundesrepublik_Deutschland" target="_blank" rel="noopener">Bundesverdienstkreuz</a>. Bis ins hohe Alter von 97 Jahren bewahrte sie sich ihre Liebe zur Kunst und zur Wissenschaft. Das Buch „Zur Naturgeschichte der Antilopen“ erschien im Jahr 1923 in einer Auflage von 100 Exemplaren im Verlag „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Dachstube" target="_blank" rel="noopener">Die Dachstube</a>“ in Darmstadt.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Jacoba van Heemskerck (1876–1923) schuf ein beeindruckend zeitloses <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gesamtwerk" target="_blank" rel="noopener">Œuvre</a> an Gemälden, Grafiken, Mosaiken und Glasarbeiten. Ihre rhythmischen und organisch anmutenden Kompositionen orientieren sich am vorherrschenden <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Expressionismus" target="_blank" rel="noopener">Expressionismus</a>, zeigen jedoch eine individuelle Formensprache, die im gleichen Maß an der Natur angelehnt ist und von ihr abweicht. Die Künstlerin zergliederte Motive wie Seen, Berge, Bäume und Flüsse prismatisch in ihre geometrischen Teile und fügte diese symmetrisch und harmonisch wieder zusammen. Alle Elemente scheinen dabei ausgewogen und fließend miteinander in Verbindung zu stehen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Ausstellungen/Ausstellungen%202022/Jacoba%20van%20Heemskerck%2C%20Komposition%20%28Fjord%29%2C%20um%201916%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Ausstellungen/Ausstellungen%202022/Jacoba%20van%20Heemskerck%2C%20Komposition%20%28Fjord%29%2C%20um%201916%2C%20Lindenau-Museum%20Altenburg.png" width="1588" height="1249" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Jacoba van Heemskerck, Komposition (Fjord), um 1916, Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Noch bevor Frauen ab 1919 offiziell an Kunsthochschulen studieren durften, erlernte van Heemskerck von 1897 bis 1901 die Grundlagen der Malerei an der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Koninklijke_Academie_van_Beeldende_Kunsten" target="_blank" rel="noopener">Königlichen Akademie für Bildende Künste</a> in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Den_Haag" target="_blank" rel="noopener">Den Haag</a>. Da sie hier jedoch nichts über moderne zeitgenössische Kunst erfuhr, ging sie nach Paris und anschließend zurück in die Niederlande, um sich durch verschiedene Stilrichtungen inspirieren zu lassen. Die Hinwendung zum <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Luminismus" target="_blank" rel="noopener">Luminismus</a> und zur Arbeit mit Glas verlieh ihren Arbeiten etwas Spirituelles. In Berlin begegnete sie im Jahr 1914 dem Verleger der Wochenschrift „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Sturm_(Zeitschrift)" target="_blank" rel="noopener">Der Sturm</a>“ <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Herwarth_Walden" target="_blank" rel="noopener">Herwarth Walden</a> (1879–1941). Er wurde ihr Agent und Mentor und machte die Niederländerin mit den Künstlerinnen und Künstlern des „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Blaue_Reiter" target="_blank" rel="noopener">Blauen Reiter</a>“ bekannt. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wassily_Kandinsky" target="_blank" rel="noopener">Wassiliy Kandinsky</a> (1866–1944), <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Marc" target="_blank" rel="noopener">Franz Marc</a> (1880–1916), <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriele_M%C3%BCnter" target="_blank" rel="noopener">Gabriele Münter</a> (1877–1962) und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexej_von_Jawlensky" target="_blank" rel="noopener">Alexej Jawlensky</a> (1864–1941) sollten ihren Weg in die Abstraktion maßgeblich beeinflussen. Ihnen gleich wollte sie die Welt so darstellen, wie sie ihr erschien und nicht, wie sie wirklich war. Nachdem vier ihrer <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holzschnitt" target="_blank" rel="noopener">Holzschnitte</a> in der amerikanischen Zeitschrift „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/The_Dial" target="_blank" rel="noopener">The Dial</a>“ abgedruckt worden waren, bat sie Walden um die Organisation einer Ausstellung in den USA, zu deren Umsetzung es jedoch nicht mehr kam. Nach ihrem frühen Tod im Jahr 1923 werden ihre Werke nun beinahe hundert Jahre später in zahlreichen Museen wiederentdeckt. Ihre Mappe erschien höchstwahrscheinlich im Jahr 1915 mit einer unbekannten Auflage im Verlag „Der Sturm“ in Berlin, herausgegeben von Herwarth Walden.</p> </div> </div> </div> 2023-01-17T14:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/zeitlos-modern-die-kuenstlerinnen-erna-pinner-und-jacoba-van-heemskerckLindenau MuseumAus der Weihnachtsbäckerei? – Antike „Lebkuchenmänner“ in den Antikensammlungen des Lindenau-Museums <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Wie aus der weihnachtlichen Backstube muten sie an – die kleinen Männchen, deren Körper scheinbar aus braunem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lebkuchen" target="_blank" rel="noopener">Lebkuchenteig</a> geformt sind: Die dicken Arme auf die Brust geknetet oder auch doppelhenkelförmig in die Seiten gestemmt, die Augen mittels Halmen kreisförmig <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Punze_(Werkzeug)" target="_blank" rel="noopener">gepunzt</a>, Frisuren und Kleider durch Schnurabdrücke altertümlich verziert. Ohne Beine und Füße, dafür mit einem stämmigen Unterteil versehen. Im Boden ein Loch, um sie zur Zierde aufstellen zu können (Abb. 1). Doch was haben diese Figuren überhaupt in der Antikensammlung des Lindenau-Museums zu suchen?</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%201%20Antiker%20Baumbehang%C2%A9punctum_Esther%20Hoyer.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%201%20Antiker%20Baumbehang%C2%A9punctum_Esther%20Hoyer.jpg" width="2664" height="2362" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Abb. 1 Früh-etruskische Figuren (?) aus den Antikensammlungen des Lindenau-Museums Altenburg, Foto: punctum/Esther Hoyer</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Auf den ersten Blick – das Auge an der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Malerei_der_Antike" target="_blank" rel="noopener">klassischen Kunst der Antike</a> geübt – würdigt der Archäologe solch kuriose „Lebkuchenmänner“ aus Ton gering, weil er sie nicht einzuordnen weiß. Er hält sie für alles – nur nicht für antik. Und so lagerten die Figuren auch sechzig Jahre lang ungedeutet und unausgestellt im Depot des Museums. Zugehörig waren die Figuren der privaten Antikensammlung des Malers <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_de_Mar%C3%A9es" target="_blank" rel="noopener">Horst de Marées</a> (1896–1988). Andere Stücke dieser Sammlung waren viel leichter zu bestimmen. So handelt es sich größtenteils um Gefäßkeramik aus etruskischen Gräbern der nördlichen Toskana. Beschäftigt man sich näher mit der Geschichte und Archäologie der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Etrusker" target="_blank" rel="noopener">Etrusker</a>, der ersten Hochkultur auf italischem Boden, fallen in der Frühzeit dieses bis heute faszinierenden antiken Volkes (8./7. Jahrhundert v. Chr.) figürliche Urnenaufsätze auf (Abb. 2), die schlagartig Assoziationen zu unseren Altenburger „Lebkuchenmännern“ wecken. </p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%202%20Umzeichnung%20nach%20der%20Vaso%20Paolozzi%20im%20Museum%20Chiusi.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%202%20Umzeichnung%20nach%20der%20Vaso%20Paolozzi%20im%20Museum%20Chiusi.jpg" width="2480" height="3508" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Abb. 2 Umzeichnung nach der Vaso Paolozzi im Museum Chiusi</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die um eine große Deckelfigur angeordneten kleineren Figuren stellen dabei vielleicht die den Toten beklagenden Angehörigen dar. Die den <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Leichenbrand" target="_blank" rel="noopener">Leichenbrand</a> enthaltenden Urnen zeigen auf der Schulter aus dem Ton der Keramik geformte Stifte, auf die die Figuren aufgesteckt wurden. Die bei den Altenburger Figuren festgestellten Löcher könnten also auf diese Funktion hinweisen. Figurenvasen dieses Typs sind aus dem Gebiet um <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Chiusi" target="_blank" rel="noopener">Chiusi</a> bekannt, das heute für seine etruskischen Funde der Früh- und Spätzeit berühmt ist.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Bereits im 19. Jahrhundert wurden solche Vasen nach den bekannten und den Namen ihrer Sammler tragenden Vasi Paolozzi und Gualandi gefälscht, um die Nachfrage nach solchen raren Stücken zu befriedigen.* Möglicherweise sind die Altenburger Figuren, deren Ähnlichkeit mit den figürlichen Aufsätzen der chiusinischen Urnen augenfällig ist, also Fälschungen des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich allerdings um eine archäologische Fundgattung, bei der es noch viel zu erforschen gibt, ja noch gar nicht geklärt ist, ob solche Figuren nicht sogar einzeln mit in das Grab gegeben wurden. Eine <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Thermolumineszenzdatierung" target="_blank" rel="noopener">Thermolumineszenzanalyse</a>, die feststellen kann, wann der Ton der Figuren zuletzt gebrannt worden ist, kann helfen, die Altenburger „Lebkuchenmänner“ künftig besser einzuordnen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%203%20Antiker%20Baumbehang%C2%A9punctum_Esther%20Hoyer.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%203%20Antiker%20Baumbehang%C2%A9punctum_Esther%20Hoyer.jpg" width="2360" height="2360" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Abb. 3 Sich umarmendes Figurenpaar, womöglich eine Fälschung nach dem Deckel von Poggio Renzo, Foto: punctum/Esther Hoyer</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mag bei den beschriebenen Figuren noch ein Restzweifel bestehen, ob sie etruskische Vorbilder haben, so ist dies bei einer dritten Figur offensichtlich (Abb. 3). Das sich umarmende Paar erinnert stark an die Deckelfiguren einer <a href="https://www.wissen.de/lexikon/villanova-kultur" target="_blank" rel="noopener">villanovazeitlichen</a> Urne der <a href="http://musei.beniculturali.it/en/museums?mid=470&nome=necropoli-di-poggio-renzo" target="_blank" rel="noopener">Nekropole von Poggio Renzo</a>, die heute im <a href="https://www.visittuscany.com/de/attraktionen/nationale-archaeologische-museum-von-chiusi/#:~:text=Das%20Nationale%20Arch%C3%A4ologische%20Museum%20von,der%20Pellegrina%20(Pilgerin)%20bewundern." target="_blank" rel="noopener">Archäologischen Museum in Chiusi</a> bewundert werden können (Abb. 4).</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%204%20Umzeichnung%20nach%20dem%20Urnendeckel%20der%20Nekropole%20von%20Poggio%20Renzi.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221219_Abb.%204%20Umzeichnung%20nach%20dem%20Urnendeckel%20der%20Nekropole%20von%20Poggio%20Renzi.jpg" width="2480" height="3508" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Abb. 4 Umzeichnung nach dem Urnendeckel der Nekropole von Poggio Renzo</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Selbst wenn diese drei Figuren in Zukunft als Fälschungen entlarvt werden sollten, sind sie ein Gewinn für die Antikensammlungen, orientieren sie sich doch an bedeutenden Ausgrabungsfunden Mittelitaliens und zeichnen auch als Fälschung ein besonderes Bild der Antike. Vor allem geben sie uns einen prägnanten Eindruck von der prähistorischen Seite des spannenden Volkes der Etrusker.</p> <p>* <em>Siehe hierzu die Studie von Giulio Paolucci, Veri e falsi: i Vasi tipo Gualandi, Paolozzi, Coleman riconsiderati, in: Mediterranea XVIII, 2021, S. 595-604.</em></p> </div> </div> </div> 2022-12-19T08:33:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/aus-der-weihnachtsbaeckerei-antike-lebkuchenmaenner-in-den-antikensammlungen-des-lindenau-museumsLindenau MuseumZum Geburtstag von Gerhard Altenbourg: Die „Schnepfenthaler Suite“ <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Altenbourg" target="_blank" rel="noopener">Gerhard Altenbourg</a> (1926 –1989) wäre am 22. November dieses Jahres 96 Jahre alt geworden. Der in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schnepfenthal" target="_blank" rel="noopener">Schnepfenthal</a> geborene Zeichner, Lithograf und Dichter Gerhard Ströch, der sich selbst den ortsverbundenen Künstlernamen Altenbourg gab, verbrachte den größten Teil seines Lebens in seinem Haus am Braugartenweg in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Altenburg" target="_blank" rel="noopener">Altenburg</a>. Seine Schwester Anneliese Ströch gründete 2002 die <a href="http://lindenau-museum.de/stiftung-gerhard-altenbourg.html" target="_blank" rel="noopener">Stiftung Gerhard Altenbourg</a>, die nach deren Tod die Verwaltung und Betreuung des Nachlasses übernahm. Die Stiftung Gerhard Altenbourg und das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lindenau-Museum" target="_blank" rel="noopener">Lindenau-Museum</a> sind eng miteinander verbunden.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%206_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" title="Blatt 6: "Piepe, mein Vogel, piepe: die Zügel, ja die Zügel"" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%206_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" width="1537" height="1235" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Gerhard Altenbourg: Schnepfenthaler Suite, Blatt 6, Stiftung Gerhard Altenbourg © VG Bild-Kunst, Bonn 2022</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p style="text-align: right;"><strong>„Ich sitze an der Spinnbahn“ (Gerhard Altenbourg)</strong></p> <p>Schnepfenthal, der Geburtsort des Künstlers Gerhard Altenbourg, hätte schon eine Wortfindung von ihm selbst sein können. Schnepfenthal und Rödichen sind aber bereits als Rodungssiedlungen 1186 als „Snephindal“ und 1295 als „Rode“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt worden. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6dichen" target="_blank" rel="noopener">Rödichen</a> liegt im einstigen Waldgebiet, das dem heutigen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Th%C3%BCringer_Wald" target="_blank" rel="noopener">Thüringer Wald</a> vorgelagert war. Altenbourgs zeichnerisches und druckgrafisches Werk ist eng verflochten mit den urtypischen Landschaften, den Wäldern, Tälern und Hügeln <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Th%C3%BCringen" target="_blank" rel="noopener">Thüringens</a>. Für ihn waren aber nicht nur seine Herkunft und die charakteristischen Orte wichtig, ihm ging es auch um „Benennungen, Bannungen und Heimsuchungen, um Verbergen und Beschwören“, um uralte, mythologische Bezüge, wie auch um die Spuren des Lebens (und des Sterbens), die in der Landschaft erkennbar bleiben.</p> <p>Im künstlerischen Nachlass der Stiftung hat sich Altenbourgs Arbeitsexemplar einer Druckserie erhalten, in welchem Altenbourg erstmals <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kaltnadelradierung" target="_blank" rel="noopener">Kaltnadelradierungen</a> ausgearbeitet hat, die nach dem Schnepfenthal benannt wurden: Die „Schnepfenthaler Suite“, bestehend aus 100 Einzelblättern mit Kaltnadelradierungen. Zwei weitere Exemplare besitzt das Lindenau-Museum Altenburg. Insgesamt betrug die Auflage nur vierzehn nummerierte, signierte und bezeichnete Exemplare – zwölf davon waren für den Handel, die beiden anderen für den Künstler und seinen Drucker bestimmt.</p> <p>Die „Suite“ ist Altenbourgs umfangreichste und eindringlichste Arbeit. „Er liebt und beherrscht die klare Linie wie das Netz feinster Geflechte der Zeichnung“ (Dieter Brusberg, 1989). Aus den 100 Blättern wurde ein großangelegtes erotisch-anzügliches und zugleich ironisches Welttheater en miniature, ein scheinbar heiteres und heikles Spiel der Liebe, der großen Gefühle im intimen Format. Altenbourg selbst gab in der von Dieter Brusberg herausgegebenen Edition den Hinweis auf den „berühmten Schnepfenstrich“, die Schnepfenjagd und „das Hin- und Herziehen der Schnepfen, das Löffeln=gehen! Na ja: Löffeln: der sinnlichen liebe nachgehen, karessieren, bei Mädchen und Weibern löffeln. Und: Löffler gleich Liebesläufer, Karessant […].“ Ähnlich den Idyllen des 18. Jahrhunderts diente es einerseits der Betrachtung von Szenen aus der Vorstellungswelt des Künstlers und andererseits der Begegnung mit Gerhard Altenbourg selbst, dessen schelmenhaftes Wesen beim Durchblättern und Betrachten der Suite immer wieder zu erkennen ist.</p> <p>Ohne den Künstler und Drucker <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Ranft_(Grafiker)" target="_blank" rel="noopener">Thomas Ranft</a> gäbe es die „Suite“ vermutlich nicht. In den 1970er-Jahren hatte Ranft erste Einblicke in das Atelier und das Schaffen von Gerhard Altenbourg gewonnen, als er noch an der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hochschule_f%C3%BCr_Grafik_und_Buchkunst_Leipzig" target="_blank" rel="noopener">Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig</a> studierte. Altenbourg und Ranft eint das Nachdenken über die Welt, die Natur und den Umgang mit ihr. Altenbourg war (wie Ranft) ein leidenschaftlicher Gärtner, was in Altenbourgs heute allerdings etwas überwucherten Garten am Braugartenweg nachvollziehbar bleibt. Die mannigfaltigen Gebilde und Einfälle der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Flora" target="_blank" rel="noopener">Flora</a> und das Herumstreifen in der Natur fließen in ihren künstlerischen Auseinandersetzungen homogen ein.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2013_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" title="Blatt 13: "Wieviele kleine Kosmoi: Lusthuber / Greif=Arm / Lüsteklein / Tänzi Tänzi / Flappenzieher Stehbereit / vor Flatter=Gehege; immerhin Armleuchter rennt geduckt davon / subtil und unvermischt gierig"" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2013_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" width="2680" height="434" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Gerhard Altenbourg: Schnepfenthaler Suite, Blatt 13, Stiftung Gerhard Altenbourg © VG Bild-Kunst, Bonn 2022</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p style="text-align: right;"><strong>„Gerhard Altenbourg zerfaserte, um zusammenzufügen.“</strong></p> <p>Thomas Ranft war aufgefallen, dass neben allen grafischen Ausdrucksmöglichkeiten Altenbourgs Zeichnung, Aquarell, Mischtechniken, Lithografie und Holzschnitt die Radierung fehlte, denn Altenbourgs bevorzugte <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holzschnitt" target="_blank" rel="noopener">Holzschnitt</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lithografie" target="_blank" rel="noopener">Lithografie</a>. Nachdem Ranft an Gerhard Altenbourg eine Radierplatte und das nötige Werkzeug geschickt hatte, unternahm dieser erste Versuche, zu einem „lebendigen Strich“ und einer „kupfernen Erzählung“. Er entwickelt hauchfeinste, leichte Nadelstriche – trotz des Widerstands, den die Hand bei der Kaltnadelradierung überwinden muss. Eine frohgemute, beschwingte Sinnlichkeit lächelt aus diesen Bildern – eine unendliche Seelenfreiheit und Herzenslust.</p> <p>Nach und nach fand Altenbourg mehr Gefallen an der Radierung, benötigte weitere Platten und skizzierte den Plan zur „Suite Berlin“, die später zur „Schnepfenthaler Suite“ wurde. Er druckte sie jedoch nicht selbst, sondern beauftragte Thomas Ranft damit, woraufhin eine intensive, langjährige Zusammenarbeit beider Künstler entstand. Über vier Jahre hin trafen sie sich und arbeiteten abwechselnd in Altenburg und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Chemnitz" target="_blank" rel="noopener">Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz)</a>, fertigten schließlich noch die zehn Kaltnadelradierungen „Aus dem Hügelgau“ an (bis 1989). Sie sprachen über Techniken, Mischung der Farben, Druckstärke der Linien, Plattenton und Papierqualitäten (die auch in der Suite variieren). Alle Blätter der Suite, die in einer limitierten Auflage von 14 Exemplaren gedruckt wurden, haben eine gebrochene Farbgebung in Schwarz, <a href="https://freie-kunst-akademie-augsburg.de/lexikon/sepia" target="_blank" rel="noopener">Sepia</a>, Terrakotta, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bister_(Malerei)" target="_blank" rel="noopener">Bister</a>, Magenta, Zinnober, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ocker" target="_blank" rel="noopener">Ocker</a>, Orientblau, Dunkelgelb und Weiß. Insgesamt wurden 122 Platten bearbeitet, da noch die Suite „Aus dem Hügelgau“ hinzukam.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Altenbourg war besonders die Schärfe der Linie wichtig, die bei jedem Abzug die gleiche Qualität erreichen sollte. Dafür arbeitete er auf beschichteten und besonders harten Zinkplatten, wodurch jede Linie sehr klar hervortrat und gut sichtbar wurde. Manchmal benutzte er sogar Scheren, Messer und andere scharfe Gegenstände oder bezog selbst Fehler auf der Platte mit in seine Arbeit ein.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2022_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" title="Blatt 22: "'Komm, mein Bote', sprach Selene, 'Schlafwittchen mag sich gedulden.'"" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2022_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" width="1422" height="1776" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Gerhard Altenbourg, Schnepfenthaler Suite, Blatt 22, Stiftung Gerhard Altenbourg © VG Bild-Kunst, Bonn 2022</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p style="text-align: right;"><strong>„klein aber kostbar, voll heiterer Wehmut, schmerzender Schönheit und lächelnder Trauer. Ein ironisch gezeichneter Garten der Lüste, ein irdisches Paradies der Liebe. Altenbourgs Himmel und Hölle. Abschluß und Anfang.“ (Dieter Brusberg, 1989)</strong></p> <p>Sicher war Gerhard Altenbourg erfüllt von vielen Ideen und Projekten, die er gerne noch verwirklichen wollte – zumal sich 1989 der „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eiserner_Vorhang" target="_blank" rel="noopener">Eiserne Vorhang</a>“ endlich hob. Leider wurde er kurz vor Jahresende sehr plötzlich durch einen Autounfall aus dem Leben und aus seiner Arbeit gerissen. Er bleibt uns in seinen Werken erhalten.</p> <p>Am 27. Oktober 2022 war Thomas Ranft im Lindenau-Museum zum Treffen der Gerhard Altenbourg Gesellschaft eingeladen, um die Originale zu sehen und über die Suite zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit überreichte er dem Museum eine Radierplatte Altenbourgs und eines seiner Kunstwerke. Hierfür sei ihm herzlich gedankt.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2047_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" title="Blatt 47: "Kalypso, Kalypso; Rauschen und Hoffen"" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2047_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" width="1203" height="1714" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Gerhard Altenbourg: Schnepfenthaler Suite, Blatt 47, Stiftung Gerhard Altenbourg © VG Bild-Kunst, Bonn 2022</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Einige Blätter der Suite lassen direkt auf das Vogelgeflatter des Schnepfenthals schließen. So etwa Blatt 6 mit dem Titel „Piepe, mein Vogel, piepe: die Zügel, ja die Zügel“ oder Blatt 13 mit „Wieviele kleine Kosmoi: Lusthuber / Greif=Arm / Lüsteklein / Tänzi Tänzi / Flappenzieher Stehbereit / vor Flatter=Gehege; / immerhin Armleuchter rennt geduckt davon / subtil und unvermischt gierig“.</p> <p>Mit Titeln wie „‘Komm, mein Bote‘, sprach Selene, ‚Schlafwittchen mag sich gedulden.‘“ auf Blatt 22 konstruierte Altenbourg zudem mythologische Bezüge. Als Tochter von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hyperion_(Titan)" target="_blank" rel="noopener">Hyperion</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Theia" target="_blank" rel="noopener">Theia</a> sowie als Schwester von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Helios" target="_blank" rel="noopener">Helios</a> (Sonne) und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eos_(Mythologie)" target="_blank" rel="noopener">Eos</a> (Morgendämmerung), ist Selene in der griechischen Mythologie die Verkörperung des Mondes. Als sie sich (nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sappho" target="_blank" rel="noopener">Sappho</a>) in den irdischen Fürsten <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Endymion_(Mythologie)" target="_blank" rel="noopener">Endymion</a> (von Altenbourg augenzwinkernd als „Schlafwittchen“ bezeichnet) verliebt, wird dieser von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zeus" target="_blank" rel="noopener">Zeus</a> vor die Wahl gestellt, zu sterben oder auf ewig (geschützt vor Tod und Alter) schlafend an Selenes Seite zu leben. Er entschied sich entgegen seiner irdischen Leidenschaften für Selene.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2087_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" title="Blatt 87: "Im Kopf ein pfiffiges Luder; schau, schau"" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20221122_Gerhard%20Altenbourg_Schnepfenthaler%20Suite_Blatt%2087_Stiftung%20Gerhard%20Altenbourg%C2%A9VG%20Bild-Kunst_Bonn_2022.png" width="1462" height="1430" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Gerhard Altenbourg: Schnepfenthaler Suite, Blatt 87, Stiftung Gerhard Altenbourg © VG Bild-Kunst, Bonn 2022</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Blatt 47 trägt den Titel „Kalypso, Kalypso; Rauschen und Hoffen“. Mit wenigen Nadelstrichen wird ein nach oben blickendes, arm- und beinloses Wesen von einer weiteren Gestalt umfangen, das gegen eine schwamm- oder korallenähnliche Struktur gelehnt scheint. Die Betitelung Altenbourgs spielt auf den fünften Gesang der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Odyssee" target="_blank" rel="noopener">Odyssee</a> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Homer" target="_blank" rel="noopener">Homers</a> an, in welchem sich die schöngelockte Göttin und Zauberin in den schiffbrüchigen Helden Odysseus verliebt, diesen betört und mehrere Jahre auf der Insel <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ogygia_(Insel)" target="_blank" rel="noopener">Ogygia</a> festhält. Mit „Rauschen und Hoffen“ dürfte auf dessen missliche Lage angespielt sein, da er immer wieder in einen rauschähnlichen Zustand gerät und nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Auf Befehl von Zeus muss <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kalypso_(Mythologie)" target="_blank" rel="noopener">Kalypso</a> dem Wunsch nach Freilassung aber letztlich nachkommen.</p> <p>Das 87. Blatt „Im Kopf ein pfiffiges Luder; schau, schau“ trägt dagegen selbstreflexive Züge; Kopf (angedeutetes Selbstbild?) und durch quer gezogene Linien angedeutete Landschaft (des Schnepfenthals?) werden durch die Kombination mit dem „Luder“ ironisch aufgeladen.</p> </div> </div> </div> 2022-11-22T08:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/zum-geburtstag-von-gerhard-altenbourg-die-schnepfenthaler-suiteLindenau MuseumManege frei! – Kunstvermittlung im Zirkuszelt <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Vom 8. Mai bis 3. Juli 2022 fand die Sonderausstellung „Manege frei! – Das Lindenau-Museum Altenburg zu Gast im Museum Burg Posterstein“ statt, in deren Rahmen etwa 50 Arbeiten aus den Beständen der Grafischen Sammlung des Lindenau-Museums zu sehen waren. Die Werke von u. a. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Ahner" target="_blank" rel="noopener">Alfred Ahner</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Altenbourg" target="_blank" rel="noopener">Gerhard Altenbourg</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Felixm%C3%BCller" target="_blank" rel="noopener">Conrad Felixmüller</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Grundig" target="_blank" rel="noopener">Hans Grundig</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Hegenbarth" target="_blank" rel="noopener">Josef Hegenbarth</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Metzkes" target="_blank" rel="noopener">Harald Metzkes</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Mueller" target="_blank" rel="noopener">Otto Mueller</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Schwimmer" target="_blank" rel="noopener">Max Schwimmer</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Uhden" target="_blank" rel="noopener">Maria Uhden</a> zeigten Artistinnen und Artisten sowie Clowns oder Zirkustiere auf Papier, als <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Radierung" target="_blank" rel="noopener">Radierung</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holzschnitt" target="_blank" rel="noopener">Holzschnitt</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zeichnung_(Kunst)" target="_blank" rel="noopener">Zeichnung</a>, aber auch in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bronze" target="_blank" rel="noopener">Bronze</a>.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220818_Zirkuswoche.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220818_Zirkuswoche.png" width="1306" height="980" alt="Kinder und Eltern unter bunten Sonnenschirmen sitzen im Kreis um eine Bühne"> </a> <figcaption class="caption">Das Publikum während der Abschlussaufführung am Ende der Zirkuswoche</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>„Manege frei!“ hieß es auch vom 13. bis 17. Juni 2022. Zusammen mit dem <a href="https://tasifan.de/" target="_blank" rel="noopener">Kinder- und Jugendzirkus Tasifan</a>, dem <a href="https://www.burg-posterstein.de/" target="_blank" rel="noopener">Museum Burg Posterstein</a> und der <a href="https://gs-grossstechau.de/" target="_blank" rel="noopener">Grundschule „Theodor Körner“ Großstechau</a> wurde das Zirkusleben für rund 90 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren praktisch erlebbar. Nach einer Führung durch die Sonderausstellung konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Woche lang in die Welt des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zirkus" target="_blank" rel="noopener">Zirkus</a>‘ eintauchen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Während die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Artist_(Darsteller)" target="_blank" rel="noopener">Artistinnen und Artisten</a> vormittags mit den Kindern der Grundschule übten, trainierten die Kinder und Jugendlichen nachmittags Luftartistik am <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Trapez_(Sport)" target="_blank" rel="noopener">Trapez</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Clown" target="_blank" rel="noopener">Clownerie</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Akrobatik" target="_blank" rel="noopener">Akrobatik</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jonglieren" target="_blank" rel="noopener">Jonglage</a> sowie Balancieren auf Bällen und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Seiltanz" target="_blank" rel="noopener">Seiltanz</a>. Fünf Tage lang wurde fleißig ausprobiert und geübt, damit zur öffentlichen Aufführung am Ende der Woche alles klappte. Gespielt, gesungen und Pause gemacht wurde natürlich auch.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Neben den sechs Zirkusworkshops konnten sich zwei Gruppen unter Anleitung von drei Kunstvermittlerinnen des Lindenau-Museums und der Künstlerin Julia Penndorf kreativ betätigen, wodurch einerseits künstlerisch gestaltete Plakate und eine Bühneneinlage, andererseits eine Dokumentation der Zirkuswoche entstanden. Eine Fotoausstellung wurde ebenfalls verwirklicht.</p> <p>Am Freitag war es dann endlich so weit: Das einstudierte Programm wurde zum krönenden Abschluss bei bestem Wetter vor zahlreichen Besucherinnen und Besuchern präsentiert. Über 200 Verwandte, Freundinnen und Freunde waren gekommen, um die große Zirkusshow vor der beeindruckenden Kulisse von Burg Posterstein zu sehen. Der donnernde Applaus für die jungen Clowns, Artistinnen und Artisten, Künstlerinnen und Künstler sowie Reporterinnen und Reporter bejubelte eindrücklich, was die Kinder und Jugendlichen in nur einer Woche auf die Beine bzw. auf die Hände gestellt hatten.</p> </div> <!-- indexer::stop --> <div class="ce_youtube block"> <figure class="video_container"> <iframe width="640" height="360" src="https://www.youtube.com/embed/o1LhW9AiUP8" allow="autoplay; encrypted-media; picture-in-picture; fullscreen" allowfullscreen></iframe> </figure> </div> <!-- indexer::continue --> <div class="ce_text block"> <p>Die Zirkuswoche war ein gemeinsames Projekt des <em>studios </em>des Lindenau-Museums, des Kinder- und Jugendzirkus Tasifan und des Museums Burg Posterstein mit Unterstützung des <a href="https://www.altenburgerland.de/" target="_blank" rel="noopener">Landkreises Altenburger Land</a>, des Museumsvereins Burg Posterstein e. V., des <a href="http://lindenau-museum.de/engagement/foerderverein-studio-bildende-kunst-im-lindenau-museum-altenburg-e-v.html" target="_blank" rel="noopener">Fördervereins „Studio Bildende Kunst im Lindenau-Museum Altenburg“ e. V.</a> und des Fördervereins Grundschule „Theodor Körner“ Großstechau.</p> </div> </div> </div> 2022-08-18T10:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/manege-frei-kunstvermittlung-im-zirkuszeltLindenau MuseumErste (Amts-)Hilfe für vier Flurkarten – Ein Papierrestaurierungsprojekt der Jahrespraktikantinnen <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Neben Objekten aus den Sammlungen des Lindenau-Museums selbst finden gelegentlich auch Objekte von außerhalb ihren Weg in die Restaurierungswerkstätten des Museums. Vor Kurzem handelte es sich beispielsweise um vier handgezeichnete <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Flurkarte" target="_blank" rel="noopener">Flurkarten</a> aus dem 19. Jahrhundert, die den Flussverlauf der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Plei%C3%9Fe" target="_blank" rel="noopener">Pleiße</a> abbilden und aus den Beständen des <a href="http://www.archive-in-thueringen.de/de/archiv/view/id/199" target="_blank" rel="noopener">Kreisarchives</a> stammen. Dieses ist zuständig für die Aufbewahrung von Archiv- und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schriftgut" target="_blank" rel="noopener">Schriftgut</a> wie Akten, Urkunden, lokalen Zeitungen, Karten und Plänen. Das Archiv umfasst ca. 1.800 lfm Akten und 45 wertvolle <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Urkunde" target="_blank" rel="noopener">Urkunden</a>.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die vier Flurpläne waren jahrelang eingerollt in Schubladen untergebracht und hatten eine entsprechende Form angenommen. Es war nicht möglich, sich die Pläne im Ganzen anzuschauen, denn sobald man sie plan auf einen Tisch legen wollte, rollten sie sich sofort wieder zusammen. Außerdem kam es durch die Lagerung – neben vielen kleinen Rissen entlang der Ränder – zur Bildung langer Risse, die teilweise bis in die Zeichnungen hineinreichten. Mit jedem Aufrollen wurden diese Risse größer. Das Kreisarchiv übergab dem Restaurierungsteam des Museums die Karten daher mit der Zielstellung, diese wieder benutzen zu können, ohne dabei jedes Mal weitere Schäden zu verursachen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220715_Flurkarte_1.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220715_Flurkarte_1.png" width="1228" height="1647" alt=""> </a> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Dieses Projekt habe ich zusammen mit einer Kollegin vom <a href="https://www.residenzschloss-altenburg.de/residenzschloss-altenburg.html" target="_blank" rel="noopener">Residenzschloss Altenburg</a> übernommen. Gemeinsam mit zwei weiteren Jahrespraktikantinnen absolvieren wir derzeit ein einjähriges studienvorbereitendes Praktikum – das „<a href="https://www.altenburger-praxisjahr.de/" target="_blank" rel="noopener">Altenburger Praxisjahr für Kunstgut- und Denkmalrestaurierung</a>“. In diesem Rahmen haben wir täglich mit Kunstwerken sowie Objekten und Materialien verschiedenster Art zu tun, darunter auch ebendiesen Flurkarten. Die Papierrestauratorinnen und -restauratoren des Museums standen uns bei Fragen und für Anleitung während des gesamten Restaurierungsprozesses stets zur Verfügung.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Nachdem der Handlungsbedarf festgestellt worden war, konnten wir mit der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Restaurierung" target="_blank" rel="noopener">Restaurierung</a> der Flurkarten beginnen. Auf den Papieren war meist an den Rändern ein offensichtlicher Schmutzstreifen zu erkennen. Das sind die Stellen, die bei der Lagerung aus den Rollen herausgeschaut hatten und somit Staub und Schmutz am meisten ausgesetzt waren. Um die Karten von den Verschmutzungen zu befreien, sah der erste Schritt der Restaurierung eine <a href="https://www.buch-papier-restaurierung.de/buchrestaurierung/methoden/" target="_blank" rel="noopener">Trockenreinigung</a> mit einem Natur-Latex-Schwamm vor. Mit diesem „radiert“ man den Oberflächenschmutz weg. Der Schwamm reinigt das Papier aufgrund seiner porigen Struktur und Elastizität mit wenig Druck effektiv und sanft, wobei er keine Krümel auf der Oberfläche hinterlässt.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220715_Flurkarte_2.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220715_Flurkarte_2.png" width="1275" height="1383" alt=""> </a> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>In gereinigtem Zustand konnten die Papiere danach planiert werden. Dafür befeuchteten wir diese leicht mit Wasser und beschwerten sie mit Gewichten zwischen Hollytex-Vlies, Finnpappe und großen Glasplatten. Dort blieben sie über Nacht, wodurch sie wieder ihre ursprüngliche Form annehmen konnten, ohne dabei beschädigt zu werden. In ihrer nun geglätteten Form konnte auch die Rissbehandlung angegangen werden. Dafür wurden die Risse und Fehlstellen, die am Rand entlang entstanden sind, mit dünnem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Japanpapier" target="_blank" rel="noopener">Japanpapier</a> und Weizenstärkekleister hinterklebt, um dann zwischen Hollytex-Vlies und Löschkarton mit Gewichten beschwert zu werden. So können die behandelten Stellen gut trocknen ohne irgendwo festzukleben. Beim Schließen der Risse besteht die größte Herausforderung darin, das Papier wieder genauso zusammenzukleben, wie es auch gerissen ist. War die Rissbehandlung erfolgreich, können die nun stabilen Flurkarten wieder problemlos betrachtet werden. Natürlich gilt es trotzdem eine entsprechende Vorsicht an den Tag zu legen. Schließlich handelt es sich nach wie vor um alte Papierobjekte, die zur Vermeidung zukünftiger Schäden dieser Art nicht mehr eingerollt, sondern nun in passenden Mappen aufbewahrt werden.</p> </div> </div> </div> 2022-07-25T14:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/erste-amts-hilfe-fuer-vier-flurkarten-ein-papierrestaurierungsprojekt-der-jahrespraktikantinnenLindenau Museum"Liebe in Zeiten des Hasses" – Familie und Freunde im Werk des Künstlers Conrad Felixmüller (Part III/III) <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Conrad Felixmüller beschrieb einen kalten Herbsttag im Jahr 1917, an dem die sogenannten Kunstfreunde in sein Atelier kamen, sich Bilder und Blätter zeigen ließen und kauften. Dazu notierte er, dass nicht immer nur bar bezahlt wurde, sondern auch die Erzeugnisse der Kunstfreunde willkommen waren. Man tauschte Kleidung, Schmuck und Stiefel, Möbel oder Esswaren sowie Kunst gegen Kunst.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220623_Felixm%C3%BCller_Der%20M%C3%A4cen%20%28Heinrich%20Kirchhoff%20zur%20Erinnerung%29.png" width="1062" height="1356" alt=""> <figcaption class="caption">Conrad Felixmüller, Der Mäcen (Heinrich Kirchhoff zur Erinnerung), 1920, Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Über seine Sammeltätigkeit sagte <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Kirchhoff" target="_blank" rel="noopener">Heinrich Kirchhoff (1874-1934)</a> selbst: „Ich weiß genau, was Kunst und was Scheißdreck ist“. Seine moderne Kunstsammlung entstand zwischen 1914 und 1934 und gehörte zu den größten ihrer Art in Deutschland. Er sammelte nicht nur Kunst, sondern unterstützte viele Künstler tatkräftig. Den Malern Conrad Felixmüller und Walter Jacob stellte er nötigen Wohnraum in Wiesbaden und kaufte ihnen zahlreiche Arbeiten ab. Seine Sammlung beinhaltete Arbeiten der Künstler des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Blaue_Reiter" target="_blank" rel="noopener">Blauen Reiter</a> wie <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Alexej_von_Jawlensky" target="_blank" rel="noopener">Alexej Jawlensky (1864-1941)</a> oder <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Marc" target="_blank" rel="noopener">Franz Marc (1880-1916)</a>, Werke der Künstler der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCcke_(K%C3%BCnstlergruppe)" target="_blank" rel="noopener">Brücke</a> wie <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Heckel" target="_blank" rel="noopener">Erich Heckel (1883-1970)</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Mueller" target="_blank" rel="noopener">Otto Mueller (1874-1930)</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Nolde" target="_blank" rel="noopener">Emil Nolde (1867-1956)</a> sowie zahlreiche Arbeiten von Expressionisten wie <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Kokoschka" target="_blank" rel="noopener">Oskar Kokoschka (1886-1980)</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Rohlfs" target="_blank" rel="noopener">Christian Rohlfs (1849-1938)</a>, Walter Jacob (1893-1964), Conrad Felixmüller, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/George_Grosz" target="_blank" rel="noopener">George Grosz (1893-1959)</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Beckmann" target="_blank" rel="noopener">Max Beckmann (1884-1950)</a>. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 galten die Werke seiner Sammlung als <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Entartete_Kunst" target="_blank" rel="noopener">„Entartete Kunst“</a> und wurden aus dem <a href="https://www.museum-wiesbaden.de/" target="_blank" rel="noopener">Museum Wiesbaden</a>, in dem sie zuvor ausgestellt worden waren, entfernt. Nach Kirchhoffs Tod wurde die Sammlung aufgelöst und verkauft.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Private und öffentliche Förderinnen und Förderer sind für Künstlerinnen und Künstler immer ein wichtiges Standbein gewesen. Freundinnen und Freunde, Sammlerinnen und Sammler sowie Museumsmenschen waren beliebte Motive, um Dankbarkeit für mentale oder finanzielle Unterstützung zum Ausdruck zu bringen und für die Ewigkeit im Bilde festzuhalten.</p> <p>Die Grafik "Der Mäcen (Heinrich Kirchhoff zur Erinnerung)" entstand ebenfalls für die Mappe "Das Malerleben" aus dem Jahr 1927. Felixmüller zeigt sich selbst seine Kunst anbietend, den Besucher Kirchhoff im schwarzen Anzug mit Hut und mit einer Zigarre in der linken Hand.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Während die meisten Künstlerinnen und Künstler gegenwärtig von Galerien vertreten werden und das Atelier ein kaum sichtbarer Ort geworden ist, war es im beginnenden 20. Jahrhundert ein Treffpunkt des Austausches. Bis Felixmüller den Großen Preis für Malerei bei der Jubiläumsausstellung des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4chsischer_Kunstverein" target="_blank" rel="noopener">Sächsischen Kunstvereins in Dresden</a> für sein Bild "Liebespaar von Dresden" bekommt, welcher ihm zahlreiche Porträtaufträge und ein steigendes Ansehen einbringt, dauerte es noch ein Jahr. Die Mappe "Das Malerleben", die 16 Lithographien beinhaltet, entstand im Folgenden für niemand Geringeren als den bekannten deutschen Dramatiker und Autor <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Sternheim" target="_blank" rel="noopener">Carl Sternheim (1878-1942)</a>. Bald darauf porträtierte Felixmüller dessen dritte Ehefrau – <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pamela_Wedekind" target="_blank" rel="noopener">Pamela Wedekind (1906-1986)</a>. Das gleichnamige Gemälde "Pamela Wedekind" ist eines der Herzstücke der Sammlung des Lindenau-Museums und wird einen besonderen Platz in der Neupräsentation der Institution bekommen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Ein weiterer wichtiger Unterstützer, Förderer und Freund von Conrad Felixmüller war der Kunsthistoriker und Museumsleiter <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns-Conon_von_der_Gabelentz" target="_blank" rel="noopener">Hanns-Conon von der Gabelentz (1892-1977)</a>, den er auch gern porträtierte. Eine Grafik zeigte von der Gabelentz im Profil mit einem Buch von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Frans_Masereel" target="_blank" rel="noopener">Frans Masereels</a> "Die Sonne" als belesenen kunstinteressierten Menschen. Im Hintergrund sind eine reich verzierte <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Fayence" target="_blank" rel="noopener">Fayence</a> und eine Schale dargestellt, womit der Künstler auf die Sammeltätigkeit des Freundes anspielt.</p> <p>Für Hanns-Conon von der Gabelentz fertigte Felixmüller sehr persönliche Grafiken an, wie z. B. die "Letzte Stunde" – ein Blatt, das den Komponisten <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Clemens_Braun" target="_blank" rel="noopener">Clemens Braun (1862–1933)</a> auf dem Sterbebett zeigt. Aber auch freudige Ereignisse wie die Geburt des eigenen Kindes hielt er im Bilde fest und signierte es für von der Gabelentz. Seinen Eltern widmete Felixmüller – erst sehr spät in den 1960er Jahren – Holzschnitte aus der Erinnerung. Der Katalog mit dem Titel "Aus der Erinnerung" wurde jedoch nie publiziert. Sein wichtigstes und liebstes Motiv blieb bis zu seinem Lebensende seine Frau Londa (1896-1979). </p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Felixmüller war der Überzeugung, dass man schon sehr unglücklich veranlagt sein müsse, wenn man mit sich und der Welt hadere und sein Glück nicht aus dem eigenen Umfeld ziehen könne:</p> <blockquote> <p>„Die herrliche Erscheinung lebensfroher Kinder enthusiasmiert das Malerherz in trüben wie in frohen Tagen […] und jede Situation ist recht. Ist´s nicht die vielgeliebte Frau – sind´s die Kinder. So richtig himmlische Rosen im irdischen Leben.“</p> </blockquote> <p>(Part III/III)</p> </div> </div> </div> 2022-06-23T08:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/liebe-in-zeiten-des-hasses-familie-und-freunde-im-werk-des-kuenstlers-conrad-felixmueller-part-iii-iiiLindenau Museum"Liebe in Zeiten des Hasses" – Familie und Freunde im Werk des Künstlers Conrad Felixmüller (Part II/III) <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Es ist das Jahr 1927: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Lema%C3%AEtre" target="_blank" rel="noopener">Georges Lemaître (1894-1966)</a> präsentiert seine These vom Beginn des Universums, die später als <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Urknall" target="_blank" rel="noopener">Urknall</a> bezeichnet wird. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Lindbergh" target="_blank" rel="noopener">Charles Lindbergh (1902-1974)</a> fliegt non-stop von New York nach Paris. Es gibt eine <em><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenfinsternis#Totale_Sonnenfinsternis" target="_blank" rel="noopener">Totale Sonnenfinsternis</a></em> in Nord-Europa. Der Dirigent <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Masur" target="_blank" rel="noopener">Kurt Masur (1927-2015)</a> sowie der Schriftsteller, Maler, Bildhauer und Literatur-Nobelpreisträger <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Grass" target="_blank" rel="noopener">Günter Grass (1927-2015)</a> werden geboren, der spanische Maler des Kubismus <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Juan_Gris" target="_blank" rel="noopener">Juan Gris (1887-1927)</a> sowie der Autor und Biograf <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Ball" target="_blank" rel="noopener">Hugo Ball (1886-1927)</a> sterben. Im <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ufa-Palast_am_Zoo" target="_blank" rel="noopener">Ufa-Palast am Berliner Zoo</a> findet die Premiere von Fritz Langs dystopischem Sciencefiction Drama <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Metropolis_(Film)" target="_blank" rel="noopener"><em>Metropolis</em></a> statt. Schauplatz ist eine futuristische Großstadt mit einer ausgeprägten Zwei-Klassengesellschaft. Ein Jahr später wird die Arbeitslosenrate um knapp eine halbe Million auf 1.862.000 steigen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220622_Conrad%20Felixm%C3%BCller_Der%20Dichter%20Walter%20Rheiner%20liest%20im%20Atelier_1927_LiMA.png" width="750" height="967" alt=""> <figcaption class="caption">Conrad Felixmüller, Der Dichter Walter Rheiner liest im Atelier, 1927, Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die Grafik "Der Dichter Walter Rheiner liest im Atelier" zeigt Felixmüllers geliebten Freund bei einer Zusammenkunft im Atelier des Künstlers. Felixmüller selbst wendet sich Rheiner zu, er hält Feder oder Pinsel und Skizzenbuch in seinen Händen – Utensilien, die ihn als Künstler auszeichnen. Am unteren linken Bildrand dreht sich eine rauchende Frau den Betrachtenden oder weiteren Anwesenden im Raum zu. Das Fenster im Atelier ist schräg geneigt, dahinter hängt der Mond am Himmel, es ist Nacht in der Großstadt. Felixmüller trifft Rheiner das erste Mal im Jahr 1916 in einer kleinen Buchhandlung in Dresden, Rheiner ist zu diesem Zeitpunkt kaufmännischer Angestellter in Leipzig. Der Verkäufer im Laden ist <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Stiemer" target="_blank" rel="noopener">Felix Stiemer (1896-1945)</a>. Von dieser Begegnung an verband die drei eine enge Freundschaft. Was Rheiner als Dichter schrieb, illustrierte Felixmüller, Stiemer druckte und publizierte es. Gemeinsam gründeten sie die Zeitschrift "Menschen".</p> <blockquote> <p><em>„Mitten im Krieg, in Not, Kälte, Hunger. Wir waren ergriffen von allem, was um uns war. Zutiefst erschüttert litten wir mit den Menschen um uns. Wovon wir lebten, wie wir uns wärmten, ich weiß es heute nicht mehr. Das Atelier war, ungeheizt, der Treffpunkt vieler, immer mehr Gleichgesinnter.“ </em>– Conrad Felixmüller</p> </blockquote> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Zu zweit fuhren Rheiner und Felixmüller im kalten Winter 1917 nach Berlin, um finanzielle Unterstützung für ihre Geschäftsideen zu bekommen, erfolglos kamen sie zurück nach Dresden und schlossen einen Vertrag mit einer Dresdner Kunsthandlung. In Felixmüllers Atelier fanden die expressionistischen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Abendgesellschaft" target="_blank" rel="noopener">Soiréen</a> statt:</p> <blockquote> <p><em>„Walter Rheiner las im dichtgedrängten Besucherkreis vor, was seine Feder schrieb: fast weinende Gesänge, empathisch die Hymnen an die Nacht, an Frauen, Lieder, Gebete; an den Frieden, Sternenhimmel – seine Hoffnung auf einen neuen Tag – in Liebe zu Menschen unter Menschen. […].“ </em>– Conrad Felixmüller</p> </blockquote> </div> <div class="ce_text block"> <p>Mitten in der Inflation, die Arbeitslosigkeit und Armut zur Folge hatte, zerstoben Freunde und Kameraden. Felixmüller lebte mit seiner Familie weitab in einem Vorort von Dresden. <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Rheiner" target="_blank" rel="noopener">Walter Rheiner</a>, den es in einen Berliner Vorort verschlagen hatte, fand keinen Verlag, keine Arbeit, blieb erfolglos und zog sich in seiner Not von allen Freunden zurück. In einem Berliner Absteigequartier, verlassen und einsam, mit Flasche und Spritze in den Händen, brach er zusammen und starb am 12. Juni 1925 an einer Überdosis Morphium. Noch im selben Jahr widmete Felixmüller seinem Freund das Gemälde <a href="http://rijksmuseumamsterdam.blogspot.com/2013/02/conrad-felixmuller-death-of-poet-walter.html" target="_blank" rel="noopener">"Der Tod des Walter Rheiner"</a>, das sich künstlerisch von vorherigen Porträts deutlich abhob. Es gleicht einem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kaleidoskop" target="_blank" rel="noopener">Kaleidoskop</a> voller Details, Farben und einem leuchtenden Hintergrund aus Häusern, Licht und dem Himmel mit Wolken. Die Betrachtenden sehen die Szene aus dem Raum, in dem auch der Maler zu stehen scheint. An den Seiten befinden sich schwere grüne Vorhänge sowie Pflanzen im unteren Bildrand, die auf einem Fensterbrett stehen könnten. In der Mitte des Bildes schwebt Walter Rheiner im schwarzen Anzug. Mit der rechten Hand scheint er nach den Sternen zu greifen, in der anderen hält er die tödliche Spritze, die ihn auf seinem letzten Weg in den Himmel begleitet. Die friedlichen Gesichtszüge Rheiners sind in ein warmes Licht getaucht.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Noch ehe die Öffentlichkeit Notiz von einem Künstler nimmt, stehen wie Schutzengel gegen Not und Mutlosigkeit die Freunde neben ihm. Die heftigsten Verzückungen des Schaffens überstürzen auch sie, und oft genug teilen sie ihre meist knappen Mittel, um dem Schaffenden den Magen zu stopfen oder die Materialien zu bezahlen.</p> <blockquote> <p><em>„Was wären wir Künstler alle ohne unsere Freunde im Anfang und in der Not.“ </em>– Conrad Felixmüller</p> </blockquote> <p>(Part II/III)</p> </div> </div> </div> 2022-06-22T09:30:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/liebe-in-zeiten-des-hasses-familie-und-freunde-im-werk-des-kuenstlers-conrad-felixmueller-part-ii-iiiLindenau Museum"Liebe in Zeiten des Hasses" – Familie und Freunde im Werk des Künstlers Conrad Felixmüller (Part I/III) <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Conrad Felixmüller wurde am 21. Mai 1897 als Felix Müller in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dresden" target="_blank" rel="noopener">Dresden</a> geboren. Von 1911 bis 1912 bekam er Zeichenunterricht an der Vorschule der Königlichen Kunstgewerbeschule in Dresden, an der zu dieser Zeit auch <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Dix" target="_blank" rel="noopener">Otto Dix (1891-1969)</a> studierte. Gemeinsam mit Dix, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Griebel" target="_blank" rel="noopener">Otto Griebel (1895-1972)</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lasar_Segall" target="_blank" rel="noopener">Lasar Segall (1891-1957)</a> gründete er die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dresdner_Sezession_Gruppe_1919" target="_blank" rel="noopener">Dresdner Sezession Gruppe 1919</a>, die eine expressionistische und gesellschaftskritische Kunst vertrat. Felixmüller wandte sich nie gänzlich einer bestimmten Kunstrichtung wie etwa dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dadaismus" target="_blank" rel="noopener">Dadaismus</a>, dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Abstrakter_Expressionismus" target="_blank" rel="noopener">abstrakten Expressionismus</a> oder den <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kubismus" target="_blank" rel="noopener">Kubisten</a> zu. Stattdessen trieb er all seine künstlerischen Ausdrucksformen auf den Höhepunkt und schuf eindringliche Bilder von Dichter- und Malerfreunden, Familienmitgliedern und befreundeten Arbeitern.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220621_Conrad%20Felixm%C3%BCller%201933.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220621_Conrad%20Felixm%C3%BCller%201933.png" width="818" height="1043" alt=""> </a> <figcaption class="caption">Conrad Felixmüller 1933, Foto aus: Conrad Felixmüller. Monographie und Werkverzeichnis der Gemälde, hrsg.: Heinz Spielmann, Köln, 1996</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Während sich Kollegen wie Otto Dix oder <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/George_Grosz" target="_blank" rel="noopener">George Grosz (1893-1959)</a> den Menschen auf dem Kriegsfeld oder denen am Rande der Gesellschaft widmeten, den Krieg mit all seinen grausamen Facetten darstellten und die Auswirkungen auf die Gesellschaft im Bilde festhielten, fand Felixmüller die größte Freude und Halt darin, seine Familie und Freunde abzubilden. Wie ein Gegensatz zu allem, was die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nachkriegszeit_in_Deutschland" target="_blank" rel="noopener">Nachkriegszeit</a> an Elend, Armut und Not hervorbrachte, erzählen Felixmüllers Bilder vom Glück in der Familie und Zuhause sowie von der Sicherheit und Beschäftigung, die ihm Freunde zu geben vermochten. </p> <p>Kurz nach dem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg" target="_blank" rel="noopener">Ersten Weltkrieg</a> war die vorherige Welt aus den Fugen geraten. Niemand konnte sich vor den Auswirkungen der Zeit schützen oder wegsehen: die Armen, die Kranken, die Arbeitslosen, Frauen ohne ihre im Krieg verwundeten oder gefallenen Männer, Kriegsversehrte und Prostituierte gehörten plötzlich zum öffentlichen Leben und waren im Stadtbild sichtbar. Während Grosz die Menschen entindividualisierte, kroch Otto Dix ihnen mit Stift und Pinsel förmlich unter die Haut, zeigte alles, was er wirklich sah – ungeschönt und direkt. Seine Mappe "Der Krieg", die er im Jahr 1924 veröffentlichte, ist ein Konvolut des Grauens: Tote auf dem Kriegsfeld, Massengräber, verwundete Menschen und Tiere, karges Land und leere Gesichter veranschaulichen nicht nur die Realitäten des Ersten Weltkrieges, sondern auch Dix´ Neugierde an den Abgründen der Menschheit.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Bei Felixmüller stellte sich eine davon abweichende künstlerische Richtung ein: Je mehr Unheil in der Welt passierte oder persönliche Schicksalsschläge den Künstler trafen, desto tiefer zog es ihn in die zeichnerische und malerische Auseinandersetzung mit der eigenen Familie oder häuslichen Alltagsszenen: hier war er sicher, hier fand er Halt und Liebe. Sein Stil war anfänglich noch stark durch die Künstlerinnen und Künstler der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCcke_(K%C3%BCnstlergruppe)" target="_blank" rel="noopener">Brücke</a> beeinflusst, die sich während Felixmüllers Studium bereits in der Auflösung befand. Formensprache und Farbgebung der Künstlervereinigung waren in den Werken von Felixmüller zu erkennen. Nach der Akademie wurde der Stil des Künstlers detailreicher und realistischer.</p> <p>Die Grafik "Malerfamilie" entstand im Jahr 1920 – ein Jahr, das der Autor <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Martynkewicz" target="_blank" rel="noopener">Wolfgang Martynkewicz</a> als Nullpunkt des Sinns beschreibt. Der Friedensvertrag von Versailles trat in Kraft, die NSDAP wurde gegründet, Adolf Hitler präsentierte sein 25-Punkte-Programm, welches den Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus der Gesellschaft beinhaltete.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Im Westen brach der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhraufstand" target="_blank" rel="noopener">Ruhraufstand</a> aus, die erste Internationale DADA-Messe fand in Berlin statt, der expressionistische Film "Das Cabinet des Dr. Caligari" wurde uraufgeführt. Der deutsche Literaturkritiker <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Reich-Ranicki" target="_blank" rel="noopener">Marcel Reich-Ranicki (1920-2013)</a> sowie der deutsche Lyriker <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Celan" target="_blank" rel="noopener">Paul Celan (1920-1970)</a> wurden geboren, der italienische Maler <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Amedeo_Modigliani" target="_blank" rel="noopener">Amedeo Modigliani (1884-1920)</a> und der deutsche Bildhauer und Maler <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Klinger" target="_blank" rel="noopener">Max Klinger (1857-1920)</a> starben. Ein Jahr zuvor wurde <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%A4the_Kollwitz" target="_blank" rel="noopener">Käthe Kollwitz (1867-1945)</a> als erste Frau in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen. Aus den Weltkriegstrümmern erhob sich eine vielfältige Kulturlandschaft während aufgrund von Armut und Arbeitslosigkeit Hungerrevolten und linke Aufstände entstanden.</p> <p>Die Vorstellung von einer bürgerlichen Familie war durch den Ersten Weltkrieg und die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution" target="_blank" rel="noopener">Revolution 1918</a> sowie die damit einhergehenden Arbeiteraufstände, die das Ende der Monarchie einläuteten, erschüttert worden. Werte und Tabus, die sich in der wilhelminischen Gesellschaft durchgesetzt hatten, verloren ihre Gültigkeit. Der gesellschaftliche Wandel und die einsetzende Frauenemanzipation veränderten das traditionelle Verständnis der Rolle der Familie. Frau und Kinder waren für Felixmüller zeitlebens das wichtigste und häufigste Motiv.</p> <p>Die Technik des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Holzschnitt" target="_blank" rel="noopener">Holzschnittes</a> wurde von den Künstlerinnen und Künstlern der Brücke meisterlich beherrscht und im 20. Jahrhundert wiederentdeckt. Felixmüller verstand es, die Themen, die ihn umtrieben und berührten in Holz zu schneiden. Er schuf kantige Porträts, beherrscht von großen Augen, geraden Nasenrücken und deformierten Schädelformen. Im starken Kontrast zur festen Form drücken seine Figuren dennoch Bewegung und Harmonie aus. In einem schlichten Holzschnitt bildet der junge Felixmüller sich selbst, seine Frau und seinen erstgeborenen Sohn Lukas Felix Müller ab. Als Maler hält er die wichtigsten Utensilien – Palette und Pinsel – in den Händen. Als Vater stehen Frau und Kind an seiner Seite. Ein paar wenige Blätter vor einem angedeuteten Fenster im Hintergrund scheinen mit dem Kopf seiner Frau Londa zu verschmelzen. Die Verbindung aus Blatt und Kopf mutet so an, als würde Londa Felixmüller ihrem Mann die Stabilität und Kraft eines Baumes schenken. </p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220621_Zitat_Felixm%C3%BCller_Part%20I.png" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220621_Zitat_Felixm%C3%BCller_Part%20I.png" width="1800" height="1800" alt=""> </a> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Zugleich orientierte er sich motivisch an einer der ältesten Bildtraditionen: der heiligen Unterredung, in der Maria mit dem Jesuskind auf den Armen mit Johannes dem Täufer oder anderen wichtigen Heiligen in einen stillen Dialog tritt. Die bildliche Anlehnung an die heilige Unterhaltung bekräftigt, dass die Familie den höchsten Stellenwert und eine ehrwürdige Bedeutung für Felixmüller hatte. Kinder und Frau zeichnete, malte und druckte er in allen möglichen Alltags- und Lebenssituationen: beim Spielen, beim Flötenspiel, im Porträt, Londa beim Stillen, sich und seine Frau in Dresden und immer wieder Mutter und Kind. </p> <p>Interessant ist die Perspektive, die Felixmüller den Betrachtenden gibt. Sie befinden sich mit dem Maler und seinen Motiven im selben Raum. Gleichzeitig bietet die Aussicht aus einem geöffneten Fenster den Blick des Malers auf seine Umgebung. Er lässt die Betrachtenden ganz nah an sich treten und lässt dabei nicht nur die Familie, sondern auch die Welt nicht aus den Augen. (Part I/III)</p> </div> </div> </div> 2022-06-21T10:30:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/liebe-in-zeiten-des-hasses-familie-und-freunde-im-werk-des-kuenstlers-conrad-felixmueller-part-i-iiiLindenau MuseumDer Kampf gegen unliebsamen Besuch – Integriertes Schädlingsmanagement am Lindenau-Museum Altenburg <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Insekten" target="_blank" rel="noopener">Insekten</a> sind mit über 1 Millionen Arten die artenreichste Klasse der Tierwelt. Sie besiedeln die unterschiedlichsten Lebensräume und sind speziell an diese angepasst. In der Natur sind sie uns willkommen und in unsere Gärten laden wir vor allem die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCtzling" target="_blank" rel="noopener">Nützlinge</a> ein, um so einen Beitrag gegen das Insektensterben zu leisten. Im Museum sind sie uns allerdings nicht erwünscht, denn unsere Sammlungsbestände sind für die kleinen Tiere ein wahres Paradies. Als Feinschmecker sind sie auf bestimmte Nahrung spezialisiert. Das Problem dabei ist: Ihre Nahrung ist unsere Kunst.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220425_Der%20Kampf%20gegen%20unliebsamen%20Besuch_Beim%20Fallenaufstellen.JPG" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220425_Der%20Kampf%20gegen%20unliebsamen%20Besuch_Beim%20Fallenaufstellen.JPG" width="2000" height="3000" alt="Im Museumsdepot stellt jemand eine Insektenfalle auf"> </a> <figcaption class="caption">Das Aufstellen von Fallen hilft beim Monitoring, Foto: Mareike Möller</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Besonders beliebt sind tierische Materialien wie Fell und Hautschuppen, Leime und Leder, aber auch andere Insekten. Das ist problematisch in Sammlungen mit Kleidung, präparierten Tieren, Büchern und Papier, bei dem durch die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Leimung" target="_blank" rel="noopener">Leimung</a> tierisches Material aufgetragen wird. Pflanzliche Bestandteile können für einige Insektenarten ebenfalls verlockend sein, für die Fortpflanzung wird aber in der Regel tierisches Material benötigt.</p> <p>Schäden an Holz, in Rahmen von Gemälden oder den Tafeln der Gemälde, in Buchdeckeln, Möbeln und historischen Innenausstattungen können durch einen Befall von holzzerstörenden Käfern verursacht werden. Die Käfer – meist spezialisiert auf eine bestimmte Holzart – legen ihre Eier in das Holz, in dem sich die gefräßigen Larven meist sehr langsam über mehrere Jahre entwickeln und dabei durch das Objekt fressen. Sichtbar wird der Schaden erst durch herabfallendes Bohrmehl – auch <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nagsel" target="_blank" rel="noopener">Nagsel</a> genannt – und kleine Löcher. Die ausgewachsenen Käfer selbst brauchen übrigens meist keine Nahrung mehr. Sie haben sich als Larve schon satt gefressen.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Abgefressene Farbschichten und Fehlstellen sind die Folge von Insektenbefall. Sie beeinträchtigen nicht nur die Lesbarkeit der Objekte, sie zerstören vor allem historisch relevante Informationen der Künstlerinnen oder der Künstler, die auch durch eine fachgerechte Restaurierung nicht wieder hergestellt werden können. Meist werden ein Befall und der damit einhergehende Schaden zu spät gesehen. Schließlich stehen die Objekte gut gesichert im Depot und werden nur im Bedarfsfall in die Hand genommen. Wenn sie dann gefunden werden, ist die Überraschung groß – ebenso wie der Schaden. Häufig vorkommende Schädlinge sind <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Papierfischchen" target="_blank" rel="noopener">Papierfischchen</a>, verschiedene Mottenarten, wie bspw. <a href="https://schaedlingskunde.de/schaedlinge/steckbriefe/schmetterlinge/pelzmotte-tinea-pellionella/pelzmotte-tinea-pellionella/" target="_blank" rel="noopener">Pelz</a>-, <a href="https://schaedlingskunde.de/schaedlinge/steckbriefe/schmetterlinge/kleidermotte-tineola-bisselliella/kleidermotte-tineola-bisselliella/" target="_blank" rel="noopener">Kleider-</a> oder <a href="https://schaedlingskunde.de/schaedlinge/steckbriefe/schmetterlinge/samenmotte-hofmannophila-pseudospretella/" target="_blank" rel="noopener">Samenmotten</a>, und Käfer, darunter der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Nagek%C3%A4fer" target="_blank" rel="noopener">Gemeine Nagekäfer</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Kabinettk%C3%A4fer" target="_blank" rel="noopener">Museumskäfer</a>, <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Brauner_Pelzk%C3%A4fer" target="_blank" rel="noopener">Pelzkäfer</a> oder <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Teppichk%C3%A4fer" target="_blank" rel="noopener">Teppichkäfer</a>.</p> <p>Um unsere Sammlungen zu schützen, wurde ein sogenanntes IPM-Konzept eingeführt. Die Abkürzung steht für <a href="https://www.romoe.com/de/restaurierung/integrated-pest-management/#:~:text=Der%20Begriff%20%E2%80%9EIPM%20%2D%20Integrated%20Pest,wie%20bei%20konventioneller%20Sch%C3%A4dlingsbek%C3%A4mpfung%20%2D%20auf" target="_blank" rel="noopener">Integrated Pest Management</a>, zu Deutsch: Integriertes Schädlingsmanagement. Dabei handelt es sich um eine präventive Methode, um Schädlingsbefall zu verhindern. Ursprünglich aus der Lebensmittellagerung stammend, wurde es in den 1980er-Jahren auf die Sammlungsbereiche in Museen übertragen. Früher wurde ein auftretender Schädlingsbefall häufig mit gesundheits- und umweltschädigenden Chemikalien bekämpft. So wurde zwar der Befall abgetötet, der Schaden an den Objekten konnte jedoch nicht verhindert werden. Außerdem können manche Objekte noch heute mit den verwendeten Chemikalien kontaminiert sein.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Das Integrierte Schädlingsmanagement ist eine deutlich schonendere und kostensparendere Methode, bedeutet allerdings auch einen kontinuierlichen Zeitaufwand. Es muss nämlich im gesamten Haus auf die Suche nach Insekten und anderen Schädlingen gegangen werden: Wo sind Ritzen und Möglichkeiten sich zu verstecken? Wo liegen Staub und Schmutz? Wo haben Schädlinge Einstiegsmöglichkeiten? Was dient als Nahrung? Sind tote Tiere oder abgeworfene Haut zu finden? All das wird vermerkt und wenn nötig angepasst.</p> <p>Sauberkeit ist das oberste Gebot in Depot und Ausstellungsräumen. Da die Luftfeuchtigkeit in diesen Räumen relativ niedrig gehalten wird und auch sonst kein freies Wasser zur Verfügung steht, greifen Insekten gerne auf sogenannte Staubmäuse zurück. Staub zieht Feuchtigkeit an und kann sie speichern. So entsteht ein <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Klima#Mikroklima_(oder_Kleinklima)" target="_blank" rel="noopener">Mikroklima</a>, in dem sich Insekten ihre benötigte Feuchtigkeit holen können. Eine regelmäßige Reinigung der Räumlichkeiten ist unabdingbar.</p> <p>Ein weiteres Instrument ist das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Monitoring" target="_blank" rel="noopener">Monitoring</a>. Hierfür werden Fallen aufgestellt, die es in den unterschiedlichsten Ausführungen gibt. In der Regel handelt es sich um Klebefallen mit oder ohne Lockstoff. Aber auch Lichtfallen und mit Köder ausgestattete Fallen können zum Einsatz kommen. Die Fallen sollen die Tiere nicht wegfangen, sondern lediglich anzeigen, wo und wie viele Tiere in welchem Entwicklungsstadium vorhanden sind. Sie geben einen groben Überblick und zeigen vor allem Veränderungen an. Aus diesem Grund müssen die Fallen in regelmäßigen Abständen kontrolliert und die wichtigsten Informationen festgehalten werden: Um welche Tiere handelt es sich? In welchem Entwicklungsstadium befinden sie sich? Wie viele Tiere sind auf der Falle? Welche Fallen sind am „besten besucht“?</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <a href="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220425_Der%20Kampf%20gegen%20unliebsamen%20Besuch_Auszug%20aus%20dem%20Dictionnaire%20des%20sciences%20naturelles%20%281816-1830%29.jpg" data-lightbox=""> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220425_Der%20Kampf%20gegen%20unliebsamen%20Besuch_Auszug%20aus%20dem%20Dictionnaire%20des%20sciences%20naturelles%20%281816-1830%29.jpg" width="2593" height="3457" alt="Abbildungen diverser Käferarten in einem Buch aus dem 19. Jahrhundert"> </a> <figcaption class="caption">Auszug aus dem Dictionnaire des sciences naturelles (1816-1830), Bestandteil der Kunstbibliothek von Bernhard August von Lindenau</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Die gesammelten Informationen geben einen Überblick über die Situation in der Sammlung. Landen in bestimmten Fallen mehr Insekten, kann auf Ursachensuche gegangen werden: Befinden sich Ritzen in den Außenwänden, besteht eine höhere Luftfeuchtigkeit oder ist gar ein totes Tier als Nahrungsquelle der Grund? All diese Ursachen müssen behoben werden. Spätere Überprüfungen der Fallen zeigen, ob die Veränderungen etwas gebracht haben. Durch regelmäßige Kontrollen können Überraschungen und der Verlust von Originalmaterial verhindert werden.</p> <p>Kein Haus und kein Museum ist vor (Schad-)Insekten sicher. Sammlungen frei von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4dling" target="_blank" rel="noopener">Schädlingen</a> zu halten, ist nahezu unmöglich. Da die Fortpflanzung und Entwicklung der Tiere stark von ihrer Umgebung abhängt, gilt es, diese durch niedrige Temperaturen und eine geringe Luftfeuchtigkeit so ungemütlich wie möglich zu gestalten. Damit entsteht ein Klima, das in einem Depot ohnehin erwünscht ist.</p> <p>Sollte es trotz aller präventiven Maßnahmen zu einem Befall kommen, gibt es mittlerweile gut erprobte, umwelt- und gesundheitsschonende Methoden, wie bspw. Stickstoffbegasung, Sauerstoffentzug oder Wärme- bzw. Kältebehandlung der Objekte. </p> </div> </div> </div> 2022-04-25T12:00:00+02:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/der-kampf-gegen-unliebsamen-besuch-integriertes-schaedlingsmanagement-am-lindenau-museum-altenburgLindenau MuseumVerschenkt, verkauft, vergessen? – Kunstdetektivinnen im Dienste des Lindenau-Museums <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>In den letzten Jahren hat die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Provenienzforschung" target="_blank">Provenienzforschung</a> in den Kunst- und Kulturwissenschaften erheblich an Bedeutung gewonnen. Doch was ist Provenienzforschung überhaupt? Mit Provenienz wird die Herkunft einer Person oder eines Objektes bezeichnet. Beim Erforschen eines Sammlungsbestandes spielen die Entstehungs-, Auffindungs- und Erwerbskontexte der Kunstwerke sowie mögliche Eigentums- und Besitzwechsel eine wichtige Rolle. Welche Geschichten stehen hinter den Kunstwerken? Wer hat sie erschaffen? Wem haben sie zu welcher Zeit gehört und auf welchem Weg sind sie ins Museum gelangt? Provenienzforscherinnen und Provenienzforscher recherchieren, untersuchen und dokumentieren die einzelnen Schritte auf der Suche nach aufschlussreichen Überlieferungen zu Werken und auch ganzen Sammlungen. Neuerwerbungen, Dauerleihgaben, Schenkungen oder Stiftungen aus fremdem Besitz werden überprüft.</p> </div> <div class="ce_text block"> <p>Das Lindenau-Museum, dessen Vorgängerbau der Staatsmann, Wissenschaftler und Mäzen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Lindenau" target="_blank">Bernhard August von Lindenau</a> 1848 eröffnete, beherbergt heute ca. 60 000 Kunst- und Kulturgüter von der Antike bis zur Kunst der Gegenwart. Die umfangreiche Sammlung von frühen italienischen Tafelbildern, vorchristlichen Keramiken, Gipsabgussfiguren nach der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bildende_Kunst#Kunst_des_Altertums" target="_blank">Antike</a> und der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Renaissance#K%C3%BCnste_und_Kulturleben" target="_blank">Renaissance</a> sowie Gemälden und Grafiken des 15. bis 21. Jahrhunderts stellt die Provenienzforschung vor allem aufgrund der Unterschiedlichkeit der Exponate vor besondere Herausforderungen.</p> <p>Erst vor wenigen Tagen habe ich, Marianne Henke, als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Provenienzforschung am Lindenau-Museum begonnen zu arbeiten. In meiner mehrjährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Kunstauktionshäusern war die Provenienzforschung von Beginn an eine Grundaufgabe. Dazu gehörte insbesondere die Ermittlung der Herkunft von unterschiedlichsten Objektgattungen, angefangen bei Kleinplastiken über Bücher bis hin zu Gemälden und Grafiken.</p> <p>Meine Kollegin Sarah Kinzel, ebenfalls Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin, und ich beschäftigen uns mit Kulturgütern des Lindenau-Museums, bei denen die Herkunft ungewiss ist. Mit detektivischer Wissbegierde nähern wir uns den einzelnen Kunst- und Kulturschätzen des Museums. Wir verfolgen die Spuren der Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer der Werke zurück, im besten Fall bis zu ihrer Entstehung im Atelier der Künstlerinnen und Künstler. Dabei lauten unsere zentralen Fragen: Wie ist das Kunstwerk ins Museum gekommen? Wann und wo ist es in die Sammlung gelangt?</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Bei den wissenschaftlichen Analysen suchen wir zum einen direkt an den Kunstobjekten nach Hinweisen, beispielsweise in Form von Rückseitenbeschriftungen, Künstler- und Eigentümervermerken, handschriftlichen Einträgen, Marginalien, Widmungen oder Stempeln. Zum anderen konsultieren wir für die Herkunftsnachweise Ankaufsakten, Inventarbücher, Ausstellungs- und Auktionskataloge sowie Briefwechsel früherer Besitzerinnen und Besitzer, welche uns in die oft überraschende Historie der einzelnen Kunstschätze eintauchen lassen.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2022/20220211_Kunstdetektivinnen%20im%20Dienste%20des%20Lindenau-Museums.jpg" width="1200" height="746" alt="In abgedunkelter Umgebung untersucht eine Person mit einem LED-Handstrahler ein Gemälde"> <figcaption class="caption">Präzise Untersuchung eines Gemäldes, Foto: Lindenau-Museum Altenburg/Nora Frohmann</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Gefördert durch das <a href="https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Start/Index.html" target="_blank"><em>Deutsche Zentrum Kulturgutverluste</em></a> in Magdeburg liegt Sarah Kinzels Fokus seit dem Frühjahr 2018 auf Sammlungsstücken, deren Verbleib zwischen 1933 und 1945 ungeklärt ist und die deshalb mit dem Verdacht von NS-Raubkunst, Beutekunst oder NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut behaftet sein können.</p> <p>Ich werde mich künftig mit möglichen Unrechtskontexten beschäftigen, die in die Zeit der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetische_Besatzungszone" target="_blank">Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)</a> und der ehemaligen DDR fallen. Im Rahmen des vom Bund geförderten Projekts <em>Lindenau21PLUS</em> setze ich mich mit den Museumserwerbungen aus dieser Epoche ostdeutscher Geschichte auseinander und erforsche deren Provenienz. Dabei gilt es vor allem zu klären, ob Sammlungsstücke in der Folge von „Republikflucht“ und Auswanderungen ehemaliger Eigentümerinnen und Eigentümer ins Museum gelangten.</p> <p>Unser Ziel ist es, Klarheit über die Geschichte des musealen Werkes im Einzelnen zu schaffen, darüber hinaus aber auch die Geschichte der Sammlung zu rekonstruieren und im Detail zu erschließen. Sich dabei ebenso mit den schwierigen Kapiteln der Erwerbshistorie des Museums auseinanderzusetzen, gehört zu den ethischen und sensiblen Komponenten unserer Forschung.</p> <p>Mit Spannung und Vorfreude blicke ich auf die zu erforschenden Kunstschätze der außergewöhnlich vielseitigen Sammlung des Lindenau-Museums. Interessierte können am Tag der Provenienzforschung am 13. April 2022 mehr über unsere Arbeit am Lindenau-Museum erfahren. Wir freuen uns darauf, Sie persönlich kennenzulernen.</p> </div> </div> </div> 2022-02-11T08:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/verschenkt-verkauft-vergessen-kunstdetektivinnen-im-dienste-des-lindenau-museumsLindenau MuseumErdmann Julius Dietrich: Maler und Kustos der Lindenauschen Sammlungen auf dem Pohlhof <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Erdmann Julius Dietrich, Maler und Kustos der Lindenauschen Sammlungen auf dem Pohlhof sowie erster Museumsdirektor nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Lindenau" target="_blank">Bernhard August von Lindenau</a>, wurde am 16. Dezember 1808 als Sohn eines Beamten in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenberg_(Th%C3%BCringen)" target="_blank">Eisenberg</a> geboren. Erhielt Dietrich seinen ersten Zeichenunterricht noch vom Altenburger Modelleur Friedrich Sprenger, lernte der junge Mann ab 1828 die Grundlagen der Porträtkunst bei dem aus Gotha nach Altenburg gekommenen Maler <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_D%C3%B6ll" target="_blank">Ludwig Doell</a>. Sein Anraten war es auch, aufgrund dessen sich Dietrich später einer Ausbildung bei <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Mathias_Grassi" target="_blank">Josef Grassi</a> unterzog. Dem bereits Dreißigjährigen ermöglichte Bernhard August von Lindenau 1838/39 eine Studienreise nach Italien, indem er ihn mit zahlreichen Aufträgen zum Kopieren bedachte. Nach seiner Rückkehr nach Altenburg avancierte Dietrich zum gefragten Porträtmaler in der Region und konnte so auf weitere Förderungen durch Lindenau hoffen. In den 1840er Jahren wurde Erdmann Julius Dietrich sogar zum Professor für Malerei ernannt. Regelmäßig kopierte er für Lindenau, der Dietrichs Engagement für das 1846/47 eingerichtete Museum auf dem Pohlhof schließlich mit seiner Ernennung zum Inspektor honorierte.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2021/Erdmann%20Julius%20Dietrich_Selbstbildnis_1833-35%C2%A9Lindenau-Museum%20Altenburg_Foto_PUNCTUM_Bertram%20Kober.jpg" width="910" height="1200" alt="" title="Giovanni di Paolo di Grazia, Kreuzigung Christi, 1426"> <figcaption class="caption">Erdmann Julius Dietrich: Selbstbildnis, 1833-35, Lindenau-Museum Altenburg, Foto: PUNCTUM/Bertram Kober</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>In seinem 1852 niedergelegten Testament formte Bernhard August von Lindenau seine künftige Stiftung juristisch, inhaltlich und materiell aus. Dabei nahm er zuallererst den Staat in die Pflicht, sodann jedoch auch eine Reihe weiterer Beteiligter. Einer dieser Beteiligten war Julius Erdmann Dietrich. Ihm wurde neben der Verwaltungskommission die wichtigste Aufgabe bei der Sicherung des Hauptbestandteiles der Stiftungsmasse, den Kunstschätzen, zugewiesen. Unter Punkt B II. e) des Testamentes heißt es dazu: „Ein Hundert Thaler – 100 Thlr. – zur jährlichen Besoldung eines ohne Mietgeldentrichtung wohnenden Künstlers (wozu in der rechten Parterre-Abtheilung die erforderliche Räumlichkeit vorhanden ist), der dagegen folgende Verpflichtung zu übernehmen hat: Wöchentlich drei Stunden Unterricht im freien Handzeichnen zu ertheilen; Die Verbindlichkeit, Bücher, kleinere Gemälde und Gypssachen zur Benutzung der Studierenden im Kuppelzimmer [dort wo die Museumsschule ihren Platz hatte] abzugeben; Die Sammlung in Reinlichkeit und Ordnung zu erhalten; Beim öffentlichen Besuch der Anstalt gegenwärtig zu sein. Zur ersten Besetzung dieser Stelle bestimme ich den bereits in der Anstalt wohnenden Maler Professor Dietrich.“ Lindenau spricht hier nicht von einem „Museum“, sondern von einer „Anstalt“ und meinte damit ein Institut, das nach dem Vorbild des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4delsches_Kunstinstitut" target="_blank">Städelschen Kunstinstituts</a> in Frankfurt, welches er umfassend kennenlernen durfte, eine Verbindung von Sammlung und Ausbildung herstellt.</p> <p>Ganz einfach machte es Lindenau dem inzwischen 44-jährigen Maler jedoch zunächst nicht. Am 4. November 1852 nannte er in einem codicillarischen Nachtrag zum Haupttestament seine Bedingungen: „…Wenn mein Testament anordnet, dass der gegenwärtig im Mittelgebäude des Pohlhofs wohnende Professor Maler Dietrich in diesem Verhältnis verbleiben […] soll, so hört die Gültigkeit dieser Bestimmungen auf, wenn derselbe sich verheirathet, oder seine Leistungen nach Ansicht der Verwaltungs-Commission dem Zweck seiner Anwesenheit im Pohlhof nicht entsprechen. In beiden Fällen hört die [...] dermalige Stellung des Professors Dietrich im Pohlhof und dessen Wohnung daselbst auf und [...] [die Verwaltungs-Commission] ist verpflichtet, dessen Obliegenheiten und Emulumente einem anderen befähigten, unverheiratheten Künstler zu übertragen.“ Doch als Dietrich offenbar seinen Dienst quittieren wollte, änderte Lindenau seine Meinung. In einem allerletzten Nachtrag zum Testament vor seinem Tod am 28. Februar 1854, ein halbes Jahr nach Dietrichs Heirat, nahm Lindenau die Bestimmung zurück, hatte er sich doch von der Eignung Dietrichs schon über einige Jahre hinweg überzeugen können.</p> <p>Bereits seit 1847 fungierte der Maler quasi als Lindenaus rechte Hand in Altenburg. Seine Bewährungsprobe hatte Dietrich kurz nach der Eröffnung der Sammlung für die Öffentlichkeit 1848 zu bestehen, als Bernhard August von Lindenau am 27. April desselben Jahres Abgeordneter der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Nationalversammlung" target="_blank">Frankfurter Nationalversammlung</a> wurde und seinen Lebensmittelpunkt für fast fünf Monate dorthin verlegte.</p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Die erwähnten 100 Taler „zur jährlichen Besoldung“ waren nicht viel, schon gar nicht für den Unterhalt einer Familie. Der Umfang des Unterrichts und die Länge der Öffnungszeiten ließen Raum für weitere Beschäftigung und so war es für Dietrich sicher willkommen, als er 1852 den Zeichenunterricht im Gymnasium Josephinum und in der Mädchenschule des Magdalenenstiftes übernehmen konnte. Die Verflechtung zwischen dem hiesigen Gymnasium und der Lindenauschen Sammlung war jetzt und später nicht unerheblich. Immerhin gehörte der jeweilige Gymnasialdirektor qua Amt der Verwaltungskommission der Stiftung an. Ihm blieb es auch überlassen, die für die Erweiterung der Kunstbibliothek vorgesehenen Stiftungsgelder zum Nutzen derselben auszugeben. Er war beteiligt an der Entscheidung über die Vergabe der Prämiengelder für die Schüler der Museumsschule und natürlich an der Vergabe der Stipendien. 1854 hieß der Gymnasialdirektor Dr. Foß, der sofort nach Arbeitsaufnahme der Verwaltungskommission zur Tat schritt und sich vor allem in die Belange der Kunst- und Gewerbeschule einbrachte. Sogleich stellte er eine Ordnung auf für die Erteilung des Unterrichts und führte die Erhöhung der Stundenzahl der Lehrer herbei. Dietrich seinerseits machte die Verwaltungskommission sofort auf notwendige Maßnahmen am Pohlhofgebäude aufmerksam. Sorgsam berichtete er der Stiftungsverwaltung jährlich in einem Jahresbericht über das Erreichte des vergangenen Jahres, über Besucher, Restaurierungen, die über das normale Maß hinaus reichten, und über die Prämienverteilung in der Museumsschule. Die Verwaltungskommission ihrerseits rechnete die Verwendung der Stiftungsgelder jährlich beim Ministerium in einer ausführlichen Berichterstattung ab. Aus beiden Dokumentationen lassen sich sehr genau die Namen der prämierten Schüler, aber auch die der Stipendiaten verfolgen.</p> <p>In der Museumsschule standen Dietrich die schon von Lindenau 1847 eingesetzten Lehrer Franz Hesse im Fach Modellieren und Friedrich Sprenger im Fach archietektonisches Zeichnen zur Seite. Dietrich unterrichtete fünf, die beiden anderen Lehrer vier Stunden wöchentlich. Der Unterricht fand an den Wochenenden statt, denn schließlich kamen die Schüler nicht nur aus dem örtlichen Gymnasium oder dem Seminar, sondern waren vor allem Lehrlinge ganz unterschiedlicher Berufe. Darunter fielen im Übrigen nicht nur die „kunstverdächtigen“ Professionen wie Lithographen, Maler, Zisselierer, sondern vor allem Zimmerer und Maurer.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2021/Erdmann%20Julius%20Knabenbildnis_1842%C2%A9Lindenau-Museum%20Altenburg_Foto_PUNCTUM_Bertram%20Kober.jpg" width="928" height="1200" alt=""> <figcaption class="caption">Erdmann Julius: Knabenbildnis, 1842, Lindenau-Museum Altenburg, Foto: PUNCTUM/Bertram Kober</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Inwieweit Erdmann Julius Dietrich in jener Zeit selbst noch künstlerisch tätig war bzw. zur Bereicherung des Museums mit Kopien beigetragen hat, kann nicht ermittelt werden. Aus seinen Berichten gehen keine entsprechenden Sammlungszuwächse hervor. Dafür lag sein Aufgabenschwerpunkt neben dem Unterricht und der Aufsicht vor allem in der Sammlungsbetreuung. Die Bedingungen im Pohlhofgebäude müssen mehr als schwierig gewesen sein. Vom Hang drückte das Wasser in das nicht unterkellerte Gebäude und bereitete im Erdgeschoss Probleme. Im Kuppelraum stürzten mehrmals Abgüsse herab und auch für die Gemälde war es offenbar zu feucht. Dietrich ließ nicht nach, die Verwaltungskommission auf die Missstände aufmerksam zu machen.</p> <p>Über viele Jahre kämpfte der Maler bei den herzoglichen Behörden um einen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Lindenau-Museum " target="_blank">Museumsneubau</a>, der auch tatsächliche Verbesserungen der Bedingungen bringen würde. 1876 war es schließlich so weit: Der vom herzoglichen Baurat Robert Enger konzipierte Bau wurde eröffnet. Erdmann Julius Dietrich durfte die Überführung der Lindenauschen Kunstschätze in das neu errichtete Museum noch erleben und dieses leiten. Am 26. November 1878 starb er hoch geehrt in Altenburg.</p> </div> </div> </div> 2021-12-11T14:00:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/erdmann-julius-dietrich-maler-und-kustos-der-lindenauschen-sammlungen-auf-dem-pohlhofLindenau MuseumWeihnachts- und Wintertage im Leben Lindenaus um 1850 <h1 class="ce_headline"> </h1> <div class="rs-columns ce_rs_columns_start"> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-first -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-first -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last -small-first-row"> <div class="ce_text block"> <p>Im Altenburgischen <em>Amts- und Nachrichtsblatt</em> künden die Anzeigen Anfang Dezember 1853 die nahende Weihnachtszeit. Verführerisch klingen die annoncierten Weihnachtsausstellungen der Altenburger Konditoren, wie die von Friedrich Kuschmann am Weibermarkt, der seine Kunden mit <em>Eistorte</em> lockt, oder der Konditor Oertel hinter der Post mit seinen <em>bekannten kleinen Zuckerbrezeln</em>. Puppen- und Spielwaren-Ausstellungen reihen sich ein, Buchbinder und Luxuspapierhändler preisen ihre wohlassortierten Lager, die Schnuphase’sche Buchhandlung empfiehlt ihre belletristischen Weihnachtsgeschenke. Und auch unter Bernhard August von Lindenaus erhaltenen Papieren findet sich eine Bestellung über <em>besten Nürnberg Pfefferkuchen</em> und Marzipan.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2021/Ernst%20Geitel%3A%20Die%20Roten%20Spitzen.jpg" width="972" height="1200" alt="" title="Giovanni di Paolo di Grazia, Kreuzigung Christi, 1426"> <figcaption class="caption">Ernst Geitel: Die Roten Spitzen, 1. Hälfte 20. Jh., Foto: Bertram Kober</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p><em>Da die zu gefälliger Verwendung in Ihre Hände gelegte Geldspende zur Neige geht und es bei herannahender Weihnachtszeit an Ansprüchen wohl nicht fehlen dürfte, so erlaube ich mir, anliegend wieder 10 Reichstaler zu gleichem Zweck zu übersenden</em>, schreibt Lindenau einem namentlich nicht genannten Hilfsverein. Denn der Winter war in früherer Zeit immer auch eine besonders entbehrungsreiche Zeit und die angepriesenen weihnachtlichen Köstlichkeiten und Geschenke konnten sich nur die Wohlhabenderen leisten.</p> <p>War Lindenau 1847 aufgrund des <em>unerwartet gute[n] Ergebnis[ses] der Leipziger Messe</em> noch bester Dinge, <em>daß der nächste Winter in Sachsen keinen Nothstand mit sich führen werde, da es den Fabrikarbeiten nicht an Beschäftigung fehlt</em>, ließ der Winter 1853 Böses erahnen: <em>Wir gehen einem schwierigen, ja bedrängten Winter entgegen, da die hohen Bodenpreise für die ärmeren Volksclassen um so drückender sind, als es an Arbeit und Gewerbe fehlt.</em> Und eben auf Arbeit und Gewerbe zielte stets Lindenaus gemeinnütziges Bestreben, das schließlich in der Gründung der im Lindenau’schen Kunstmuseum integrierten Kunstschule und der Lindenau-Zach’schen Stiftung aufging.</p> <p>Für die von Lindenau auf dem Altenburger Familiengut, dem Pohlhof, zusammengetragenen Kunstsammlungen wurden Eintrittskarten in der Regel letztmalig Ende Oktober ausgegeben, und das Museum öffnete für seine Besucher erst wieder in der wärmeren Jahreszeit. Doch im Dezember 1853 meldet das <em>Amts- und Nachrichtsblatt</em> die tägliche Öffnung. Für die Schüler der dem Museum angeschlossenen Kunstschule sollte der <em>diesjährige Unterricht […] mit dem 21.</em> Dezember <em>seine Endschaft erreichen und die Schüler eingeladen werden, sich zum Behuf der Preisvertheilung am 31. vormittags 11 Uhr im Kuppelsaal einfinden zu wollen</em>. Für den 22. Dezember bat Lindenau die Preisrichter, den Oberbürgermeister Hempel und seine Lehrer, den Maler Dietrich (freies Zeichnen), den Bildhauer Hesse (Modellieren) und den Maurermeister Sprenger (architektonisches Zeichnen) <em>zum Behuf weiterer Besprechung</em> [die Wahl der Preisträger], <em>um zwei Uhr eine Suppe bei ihm verzehren zu wollen</em>.</p> <p>An einem dieser fröhlichen Wintertage schreibt Julie von Friesen, Stiftspröbstin des Freiadligen Magdalenenstifts in Altenburg, an Bernhard August von Lindenau: <em>Nur in der Voraussetzung, daß auf den Winter Excellenz tägliche Spaziergänge nicht behindert, erlaube ich mir die Bitte, ob Sie wohl heute in Gesellschaft meiner lieben Schwestern Gräfin von Schulenburg aus Weimar und Gräfin Vitzthum den Café bey mir trinken wollten? Sollte es mir nicht erlaubt seyn, zur Abholung Ihnen den Schlitten zu schicken […]?</em></p> </div> </div> <div class="ce_rs_column_start rs-column -large-col-2-1 -large-last -large-first-row -medium-col-2-1 -medium-last -medium-first-row -small-col-1-1 -small-first -small-last"> <div class="ce_text block"> <p>Im Winter 1852/53 war in Altenburg so viel Schnee gefallen, dass man <em>durch die gewaltigen Schneemassen kaum durch unsern</em> Hof hatte gelangen können, berichtete Lindenau seinem Bruder im Württembergischen. <em>Wären winterliche Reisen nicht mit zu viel Beschwerden für mich verbunden</em>, schreibt er vier Tage vor Heiligabend 1853 an Thekla von Petrikowsky, <em>so würde ich die Erinnerung</em> froher gemeinsamer Zusammenkünfte <em>auch wieder einmal in Schneeberg aufzufrischen bemüht seyn</em>. Seinem Kunstagenten in Rom, dem Archäologen Emil Braun klagt Lindenau: <em>Der letzte Theil des langwierigen Winters hat mich aus Schnupfen und Husten nicht herauskommen lassen, so daß ich mich des langsam herankommenden Frühjahrswetter lebhaft erfreue: Ueberhaupt wird mir mit zunehmendem Alter unser langer nordischer Winter immer lästiger, so daß ich manchmal an eine Versetzung nach Süden denke, wenn ich anders meinen Pohlhof und alles darinnen befindliche mitnehmen könnte</em>. Doch auf dem Pohlhof hatte Lindenau nicht so gefroren wie im Winter 1844/45 in Rom, das auf kalte Wintertage unvorbereitet war: <em>Sehne ich mich oft nach einem nochmaligen Aufenthalt in Ihre ewige Stadt zurück; so bin ich doch froh in dieser Temperatur nicht dort zu seyn, da Ihre Heizungs-Apparate […] sehr mangelhaft waren</em>.</p> <p>In jüngeren Jahren, als Bernhard August von Lindenau seiner Profession als Astronom in der Sternwarte auf dem rauen, abgeschiedenen Seeberg bei Gotha nachging, als er noch <em>in der Kraft des Mannesalters war, die Wind und Wettertoben liebt</em>, wünschte er sich in einem Brief an seine Cousine Marianne von der Gabelentz aber doch nach <em>dem Lande[,] wo Orangen blühen, während ich hier schon jetzt im tiefen Schnee sitze und von diesen undurchdringlichen Nebeln wie von einem Meer umgeben werde</em>.</p> </div> <div class="ce_image block"> <figure class="image_container"> <img src="http://lindenau-museum.de/files/0_Blog/2021/Franz%20Wilhelm%20Richter%3A%20Der%20Weihnachtstraum.png" width="1180" height="1173" alt=""> <figcaption class="caption">Franz Wilhelm Richter: Der Weihnachtstraum, 1842, Lindenau-Museum Altenburg</figcaption> </figure> </div> <div class="ce_text block"> <p>Der Winter beeinträchtigte auch Lindenaus Kunstsammeln. So mussten 22 Kisten mit Gipsabgüssen nach Antiken, die von Hamburg mit dem Schiff nach Magdeburg spediert werden sollten, um von dort mit der neuen Eisenbahn nach Altenburg zu gehen, <em>wegen befürchteten Einfrierens</em> der Elbe in Hamburg überwintern. Eine von Lindenau im Frankfurter Städel-Museum bestellte Gemäldekopie nach Moretto da Brescia verzögerte sich, weil auch dort in den Sälen nicht geheizt und der beauftragte Maler daher nicht arbeiten konnte.</p> <p>Am Heiligen Abend 1853 – Lindenaus letztem Weihnachtsfest – traf dann schließlich doch ein schon verloren geglaubter Kunsttransport am Pohlhof ein. Lindenaus Tagebuch meldet: <em>Austheilung meiner Weihnachtsgeschenke und Honorare […]. Hatte ich bis jetzt nur gegeben und nichts empfangen, so ging am Abend ein erwünschtes Weihnachts-Angebinde, durch die Ankunft einer längst erwarteten Kiste aus Rom ein, die mir sechs alt italienische Bilder und zwei Mosdorfische Copien der Raffaelschen Fresken im Vatican […] bringt</em>.</p> <p>Der Silvestertag 1853 war für Schüler und Lehrer des Pohlhofs Höhepunkt des zurückliegenden Unterrichts. Am Vormittag wurden unter der gläsernen Rotunde des Zeichensaals die drei besten Schüler-Arbeiten von Lindenau persönlich prämiert, <em>wobei von diesen, den anwesenden Lehrern und Preisrichtern, ein tüchtiges Frühstück nebst 24 Flaschen Wein, vergnügt und lustig verzehrt wurden</em>.</p> </div> </div> </div> 2021-12-01T11:30:00+01:00https://lindenau-museum.de/dtails_blog/weihnachts-und-wintertage-im-leben-lindenaus-um-1850Lindenau Museum