Heldinnen vor der Haustür

Es ist eine halbe Stunde nach eins. Die Schulklasse, die ich seit heute früh betreut habe, hat gerade das Museum verlassen. Jetzt heißt es, die Kollegen beim Aufräumen unterstützen, damit anschließend alle Zeit für eine Mittagspause haben. Vor etwas über einem Jahr habe ich die auf zwei Jahre angelegte Stelle als wissenschaftliche Volontärin für Vermittlung angetreten, um die Vermittlungsarbeit im Lindenau-Museum zu stärken und ihr einen höheren Stellenwert einzuräumen. Allerhöchste Zeit also für einen ersten Blick zurück.

Die Einrichtung dieser Stelle wurde ermöglicht durch die lab.Bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit an Museen, welche von der Kulturstiftung des Bundes und den Staatlichen Museen zu Berlin ins Leben gerufen wurde. Gefördert werden bundesweit insgesamt 23 solcher Volontariatsstellen. Grund hierfür ist, dass die Vermittlungsarbeit im Museumsbetrieb eine immer gewichtigere Rolle einnimmt, insbesondere kleinere und mittelständige Museen aber häufig nicht über die Mittel verfügen, sie adäquat auszubauen. Denn was von außen nicht immer wahrgenommen wird: Museen sind sehr bemüht, ihrem öffentlichen Auftrag nachzukommen und einen Beitrag zur inklusiven kulturellen Bildung als gesellschaftlicher Zielstellung zu leisten.

Anders als andere

Das Volontariat für Vermittlung ist insofern etwas Besonderes, als dass man nicht nur im Museum arbeitet, sondern parallel dazu an einem Weiterbildungsprogramm im Berliner Bode-Museum in Berlin teilnimmt. Dieses setzt sich aus sieben thematischen gewichteten Veranstaltungen, Module genannt, zusammen. In den Modulen werden grundsätzliche Fragen zum Stellenwert und Inhalt der Vermittlung an Museen erörtert und besprochen. Welche Rolle spielt die Vermittlungsarbeit in meinem Museum? Was zeichnet sie aus? Wie können junge Menschen angesprochen und auch zukünftig für das Museum interessiert werden? Daraus entstehen Impulse, die die eigene Arbeit inspirieren. Darüber hinaus fördert die lab.Bode-Initiative mit der Vergabe eines Budgets die freie Umsetzung eines eigenen Schulprojekts. Unabhängig von der Situation im eigenen Museum, wo Geld, Zeit, Raum und Personal häufig knapp bemessene Güter sind, ermöglicht es mit diese Unterstützung, lang gehegte Ideen in die Tat umsetzen.

Neue Impulse

Seit Beginn des Volontariats habe ich bereits an den ersten vier Modulen teilgenommen, in denen sich mein Wissen um Vermittlungsarbeit gefühlt entsprechend vervierfacht hat. Drei Module folgen noch. Wir arbeiten in einer Gruppe von zwölf Volontärinnen und haben uns von Anfang an gut verstanden, da uns als Vermittlerinnen ähnliche Aufgaben, Fragen und Probleme beschäftigen. Die Inhalte der Module haben mir persönlich schon viele Impulse für meine Arbeit gegeben. So habe ich im vergangenen Jahr diesen Blog für die Webseite des Lindenau-Museums angeregt. Seit Beginn dieses Jahres wird dort regelmäßig über interessante Themen rund um das Museum berichtet. Die Angebote für Familien haben wir um das Format der Familienführung erweitert. Hier konnte ich schon die eine oder andere Anregung aus Berlin ausprobieren. Etwa die „Wortkarten“ von Claudia Ehgartner, Kuratorin für Kunstvermittlung am mumok in Wien, mit denen ich den Einstieg in eine Führung am Familiensonntag und in einen Workshop über die Künstlerin Pia Fries und das Thema „Farben“ gestaltet habe. Die Besucher waren angehalten mit Hilfe von Karten, auf denen Begriffe für in den Bildern vorkommenden Farbtönen standen, zusammengesetzte Substantive zu finden und die Farben genauer zu beschreiben. Schließlich ist ein Rot nicht gleich ein Rot. Während der Führung wurden Bezeichnungen wie „Himbeer-Rot“, „Paprika-Rot“, „Blut-Rot“ und so weiter gefunden. Die Wortkarten halfen mir auch dabei, mit Schülergruppen über die Werke ins Gespräch zu kommen, so wie es uns Volontärinnen im Weiterbildungsprogramm bei der gegenseitigen Annäherung geholfen hat.

Eine andere wichtige Inspirationsquelle für meine Tätigkeit als Kunstvermittlerin war die Hospitationszeit im Partnerschulprojekt „Schneller! Höher! Weiter!“ mit Achtklässlern der Schule am Rathaus im Rahmen von lab.Bode. Hier gab es ideale Bedingungen für ein Schulprojekt: Die Schüler bestimmten selbst das Thema, zu welchem sie arbeiten wollen. Da konnte die Motivation später im Museum nur entsprechend groß sein. Ein Team aus zwei bis drei Spezialisten arbeitete mit zwölf Schülerinnen und Schülern zusammen. Zum Vergleich: Im Museum betreut in der Regel eine einzige Fachkraft eine etwa dreißigköpfige Schülergruppe. Es wurde in kleinen Gruppen gearbeitet, was die Intensität der Arbeit erhöhte, viel Kreativität und offene Methoden zuließ. Schließlich standen den Schülern ausreichend Tage zur Verfügung, an denen sie sich ihrem Projekt widmen konnten. Es gab zu Beginn ein oder zwei Treffen und Gespräche in der Schule, danach verbrachten sie vier produktive Vormittage im Museum. Gespräche und Feedbacks begleiteten die Arbeit von Anfang bis Ende. Als besonderen Bonus erhielten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, für einen Tag die von ihnen geschaffenen Objekte in der Eingangshalle des Bode-Museums auszustellen und den Besuchern ihre Sicht auf das dort aufgestellte Reiterstandbild des „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu präsentieren. Damit wurde ein wichtiges Anliegen von lab.Bode in die Realität umgesetzt: die Erhöhung der Sichtbarkeit von Vermittlung und Vermittlungsräumen im Museum.

© Staatliche Museen zu Berlin / Foto: Ute Klein, 2018

Auf zu neuen Heldentaten

Mittlerweile ist auch mein eigenes Schulprojekt geplant und in der Organisationsphase. Dabei waren sowohl das Partnerschulprojekt „Die Garde der Superheld_innen“ als auch die Trickfilme, die in den Vermittlungsräumen der lab.Bode-Initiative und in den Ausstellungsräumen gezeigt wurden, eine Anregung. Der Projekttitel „Held_innen vor der Haustür“ spielt darauf an, dass jede und jeder von uns Vorbilder oder Helden hat, die einen sowohl als Kind, Jugendlicher, oder auch als Erwachsener prägen und motivieren. Dass es das schon immer gab und keine Erfindung unserer Zeit ist, soll in dem Projekt erarbeitet werden und mittels Videos in den Ausstellungsräumen für Besucher sichtbar und hörbar sein. Für mich ist das ein weiterer wichtiger Schritt, die Vermittlung im Museum stärker in die Öffentlichkeit zu rücken. Es gab in der Vergangenheit bereits ähnliche Ansätze. Etwa 2016, als 26 Arbeiten von Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 6 des Christlichen Spalatin-Gymnasiums Altenburg zum Leben von Bernhard August von Lindenau in der Ausstellung „Ein ebenso schöner, wie geistreicher Mann... - Bernhard August von Lindenau im Dienste der Wettiner“ gezeigt wurden. Die Besucher der Ausstellung waren davon begeistert. Die jüngst in diesem Jahr initiierte Kindermuseumsnacht war mit ihrem auf den Nachwuchs zugeschnittenen Programm ebenfalls ein großer Erfolg. Mit den Kindern kamen auch ihre Familienmitglieder ins Museum, für die es zum Teil seit Langem der erste Museumsbesuch war. Hierin liegt ebenfalls ein wichtiges Ziel der lab.Bode-Initiative. Es gilt die Frage zu beantworten: Wie soll das Museum von Morgen aussehen, damit es jeder wahrnimmt und kennt? Das Projekt „Held_innen vor der Haustür“ wird uns gewiss zu weiteren Antworten auf diese Frage führen.

Jacqueline Glück

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