NS-Raubkunst auf Zwischenstation im Lindenau-Museum
Wojciech Kossaks Gemälde „Polnischer Ulan auf Vorposten im Winterwald“ restituiert
Mit sicherem Pinselstrich hat der polnische Schlachtenmaler Wojciech Kossak seinen Ulanen in eine sonnenbeschienene Schneelandschaft gesetzt. Obgleich der Farbauftrag impressionistisch anmutet, verraten die klaren Umrisslinien von Pferd und Reiter die akademische Schulung des Malers. Ein breiter, mit mehreren Schmuckbändern verzierter Profilrahmen fasst das um 1900 entstandene Ölgemälde. Thema, Format und Präsentation lassen das Bild eher im bürgerlichen Wohnzimmer vermuten als im Museum – und dahin gehört es auch, wie Recherchen zur Herkunft des Kunstwerks gezeigt haben. Das Gemälde stammt aus dem Besitz der Familie Petschek in Aussig (heute Ústí nad Labem, Tschechien), in deren Frühstückszimmer es bis zu ihrer Flucht im September 1938 hing. Im Dezember 2019 wurde es den Erben der ehemaligen Eigentümer zurückgegeben.
With steady brushwork the Polish painter of war scenes Wojciech Kossak portrays his lancer amidst a sunlit snowy landscape. Though the use of colours is reminiscent of Impressionism, the clear contours of the horse and rider reveal the painter’s academic training. A broad frame with several decorative bands encases the oil painting that was created around 1900. Subject, format and presentation are more suited to a middle-class apartment than a museum – and that is exactly where the work belongs, as research on the origins of the painting have shown. The painting was owned by the Petschek family in the town of Aussig (now Ústí nad Labem, Czech Republic), and hung in their breakfast room until September 1938, when the family fled. In December 2019 it was returned to the former owners’ heirs.
Im Herbst 1952 kaufte der damalige Direktor Hanns-Conon von der Gabelentz das Gemälde von Frieda Staniszewski aus Mehmels bei Meiningen. Nach eigenem Bekunden war sie beim Tod ihres Mannes durch Erbschaft in den Besitz des Bildes gelangt. Wladislaus Staniszewski, Friedas Ehemann, kann den „Polnischen Ulan“ jedoch nicht, wie von seiner Witwe angegeben, bereits 1938 ersteigert haben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er das Gemälde drei Jahre später auf einer Auktion des Versteigerungshauses Union in Berlin, wo die Staniszewskis damals lebten, erworben hat. Dort kam es nämlich am 28. Mai 1941 unter den Hammer.
Aufgerufen wurden an diesem Tag ausschließlich Besitztümer der Familie Petschek aus Aussig. Durch Investitionen im Braunkohletagebau zu Wohlstand gelangt, galten die Petscheks in ihrer Heimatstadt als eine ebenso kunstsinnige wie um das Gemeinwohl bemühte Familie. Während der Patriarch Ignaz Petschek bereits 1934 starb, flohen seine Söhne Ernst, Karl, Franz und Wilhelm mit ihren Familien 1938 auf Umwegen in die USA. Dabei waren sie gezwungen, nahezu ihren gesamten persönlichen Besitz zurückzulassen. 1939 wurden die Petscheks im Deutschen Reich sowie in den besetzten tschechoslowakischen Gebieten enteignet. Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke wurden in Berlin versteigert.
Nach dem Krieg bemühten sie sich darum, den Verbleib ihrer Besitztümer ausfindig zu machen und stellten 1951 einen Restitutionsantrag, dem jedoch kein Erfolg beschieden war. Die Ansprüche von Überlebenden der NS-Vernichtungsmaschinerie schnell abzuarbeiten und vor allem auch abzuwehren gehörte in den 1950er Jahren zur gängigen Praxis in der Bundesrepublik. So wurden mit den Rückerstattungsgesetzen zwar rechtliche Möglichkeiten geschaffen, Entschädigungen für NS-verfolgungsbedingte Vermögensverluste zu erhalten. Zugleich führten enge Verjährungsfristen, fehlendes Beweismaterial und Bearbeiter, die nicht selten nahtlos aus dem nationalsozialistischen Verwaltungsapparat in den der BRD übergewechselt waren, dazu, dass eine Vielzahl berechtigter Ansprüche offenblieb. Die Familie Petschek aus Aussig hat von ihrer einst mehrere hundert Werke umfassenden Kunst- und Preziosensammlung in der Nachkriegszeit nur sehr wenige Stücke zurückerhalten. Für den Verlust der übergroßen Mehrzahl all dieser ist sie bis heute nicht entschädigt worden.
Das Lindenau-Museum Altenburg und sein Träger, der Landkreis Altenburger Land, haben sich angesichts der geschilderten historischen Umstände verpflichtet gefühlt, das Gemälde „Polnischer Ulan auf Vorposten im Winterwald“ den Erben der Petscheks zurückzugeben. Das Altenburger Bild ist damit das erste Kunstwerk, das auf der Grundlage der Washingtoner Prinzipien zu der Familie zurückkehrt.
Abb.
Wojciech Kossak, Polnischer Ulan auf Vorposten im Winterwald, Öl auf Pappe, 71,5 x 57,5 cm, Signatur rechts unten: Wojciech Kossak, Privatbesitz, von 1952 bis 2019 Lindenau-Museum Altenburg, Inv.-Nr. 1105, Foto: PUNCTUM/Bertram Kober
In the fall of 1952 former museum director Hanns-Conon von der Gabelentz purchased the painting from Frieda Staniszewski from Mehmels (near Meiningen). She said that she inherited the work after her husband’s death. Yet Wladislaus Staniszewski, Frieda’s spouse, could not possibly have acquired the painting in 1938, as the widow claimed. Instead, it is to be presumed that the work was bought three years later at an auction of the Union Auction House in Berlin, where the Staniszewskis lived at the time. The work was sold there on 28 May 1941.
The auction on this day was devoted solely to possessions of the family Petschek from Aussig. Having acquired wealth through investments in coal mining operations, the Petscheks were known in their native town as a family that was interested in both art and the well-being of the community. The family patriarch Ignaz Petschek died in 1934, while his sons Ernst, Karl, Franz and Wilhelm, and their families, fled in 1938, finally ending up in the United States. In the process they were forced to leave behind almost all of their personal possessions. In 1939 the Petscheks were dispossessed of their property both in the German Reich and in the occupied Czechoslovakian territories. Furniture and works of art were auctioned off in Berlin.
After the war the family made efforts to track down their possessions and in 1951 they filed papers requesting restitution – without success. The rapid processing and above all denial of claims made by survivors of the Nazi destruction machine were standard practice in West Germany in the 1950s. Restitution laws created legal avenues for compensation of loss of wealth due to Nazi persecution, but brief statutes of limitation, a lack of evidence and government clerks who not infrequently went directly from the Nazi government administration to that of West Germany led to the rejection of many legitimate applications. After the war the Petschek family from Aussig were only given back a few works from their comprehensive collection of art and valuables, which numbered several hundred pieces. To this day they have not been compensated for the loss of the overwhelming majority of these possessions.
In the light of these historical circumstances, the Lindenau-Museum Altenburg and its managing agency, the Altenburger Land administrative district, feel morally obligated to return the painting ‘Polnischer Ulan auf Vorposten im Winterwald’ to the Petscheks’ heirs. The picture is the first work of art to be returned to the family on the basis of the Washington Conference Principles.
Fig.
Wojciech Kossak, Polish Lancer at an outpost in the winter forest, oil on pasteboard, 71,5 × 57,5 cm (with frame); signed at bottom right: Wojciech Kossak, in private ownership, from 1952 to 2019 Lindenau Museum Altenburg, inv. no. 1105; photo: PUNCTUM/Bertram Kober