Ein kostbares Buch aus dem Reich der Mitte

Bernhard August von Lindenau war Astronom, Politiker und Kunstsammler. Seiner Stiftung verdankt das Lindenau-Museum eine weltberühmte Sammlung, die vor allem Kunst der Antike und der Renaissance umfasst.

Lindenau war von italienischer Kunst fasziniert, aber nicht minder von den schöpferischen Leistungen der Chinesen, Japaner und Inder. Er legte auch eine ansehnliche Porzellansammlung an, die genau wie eine kleine Anzahl von Plastik und Malerei asiatischer Herkunft Teil seiner Lindenau-Zach’schen Stiftung wurde. Da sich seine Kunstschule und sein Museum aber vorrangig am abendländischen Kunstideal orientieren sollten, übergab er seine Sammlung asiatischer Porzellane noch zu Lebzeiten an die Rüstkammer des Herzogs, so dass sie heute im Altenburger Residenzschloss präsentiert wird.

 

Historische Bibliothek des Lindenau-Museums, Pietzsch, 2011

Das Interesse Lindenaus an asiatischer Kultur geht auf die allgemeine Chinabegeisterung im 17. Jahrhundert zurück, die auf enger werdende Beziehungen zwischen dem Chinesischen Kaiserreich und Europa zurückzuführen ist. Im Rahmen der Monatlichen Correspondenz offenbarte Lindenau bereits 1805 sein Interesse an der Geografie Chinas, womöglich richtete sich so auch sein Blick auf die Kunst aus Fernost. In den folgenden Jahrzehnten gelangten über 600 Exemplare chinesischen und japanischen Porzellans, 20 Specksteinfiguren und chinesische Malerei in Lindenaus Besitz. Den größten Teil seiner asiatischen Sammlung erwarb Lindenau während seines Staatsdienstes in Gotha und Dresden. Möglicherweise gehen einige Exponate aber auch auf die Beziehungen der mit Lindenau verwandten Sprachforscher aus der Familie von der Gabelentz zurück.

 

Tafel 2, The Way like the Herb Chi, and the Banks like the Clouds of Heaven

In der Abteilung K „Geschichte und Geographie mit ihren Hilfswissenschaften“ der Historischen Bibliothek des Lindenau-Museums befinden sich heute 350, zum Teil sehr seltene Titel über Forschungsreisen. Die Beschreibungen asiatischer Länder sind dort prominent vertreten.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der kleine, 1753 erschienene Band mit dem überaus prunkvollen Namen:
“The emperor of China's palace at Pekin, and his principal gardens, as well in Tartary, as at Pekin, Gehol, and the adjacent countries. With the temples, pleasure-houses, artificial mountains, rocks, lakes, &c. As disposed in different Parts of those royal gardens. With an exact Elevation of the Great Mogul's superb throne.” Gedruckt wurde er von Thomas Bowles (1695-1767), dem damals führenden Londoner Drucker.
Das Buch gehört zu den kostbarsten Exemplaren in Lindenaus Kunstbibliothek. Außer in Altenburg ist es öffentlich nur noch in der British Library in London, in der Yale University Library in New Haven und im Getty Research Institute in Los Angeles zu finden.

Die meisten der darin versammelten 20 Radierungen gehen zurück auf Stiche des Italieners Matteo Ripa (1682–1746). Ab 1711 hielt sich dieser im vatikanischen Missionsdienst stehende Jesuit 13 Jahre am Hof des Mandschu-Kaisers Kangxi in Peking auf und unterrichtete gemeinsam mit anderen Jesuiten Chinesen in europäischer Leinwandmalerei. Außerdem führte er die Kaltnadelradierung in die chinesische Kunst ein. 1724 ging Ripa gemeinsam mit vier missionierten Chinesen über Kanton nach London, wo er von König Georg I. empfangen wurde. Der Italiener übergab dem berühmten Architekten und Mäzen Lord Burlington eine Kopie seiner Drucke. Diese Serie wird jetzt im British Museum verwahrt. Insgesamt umfasste Ripas gestochene Serie sechsunddreißig Ansichten nach Gemälden des sogenannten „Großsekretariats“ des Kaisers Shen Yu. Sie zeigen die opulenten Kaiserpaläste und angelegten Gärten, begleitet von italienischen Übersetzungen Ripas von Gedichten, die der Kaiser selbst verfasst hatte.

Tafel 6, The Figure of Heaven is all delightful

Dreißig Jahre nachdem das Burlington-Album nach Großbritannien gebracht worden war, radierte Thomas Bowles zwanzig von Ripas Ansichten neu und versah sie jeweils mit einem Titel Ripas, der ins Englische übersetzt wurde. Tafel 7 heißt beispielsweise „Das Wasser wie ein Spiegel und die Berge wie Wolken", während Tafel 2 den Titel trägt „Der Weg wie das Kraut-Chi und die Ufer wie Wolken des Himmels". Neben Palästen und Höflingen des Kaisers zeigen die Drucke Tempel, Lusthäuser, künstliche Berge, Felsen und Seen in Peking und angrenzenden Gebieten. Die abgebildeten Chinesen sind schwimmend in einem See zu sehen oder beim Betrachten einer Landschaft. Fischer navigieren mit kleinen Booten durch kristallklares Gewässer, einheimische Wildtiere wie Kraniche fangen am Flussufer Fische, Schwalben fliegen hoch am Himmel. Die Ansichten sind sehr malerisch und aufwändig gearbeitet.
Die Tafel 6 „The Figure of Heaven is all delightful“ zeigt beispielsweise eine kaiserliche Sommerresidenz inmitten eines Sees. Der Kranich am Himmel steht für die Unsterblichkeit. Die Spiegelungen auf der Wasseroberfläche verraten, dass es sich um das Werk eines Europäers handelt, denn diese Art der Darstellung erlernten die Chinesen erst von abendländischen Künstlern. Die chinesische Gartenkunst unterschied sich mit ihrem Hang zur Nachahmung der Natur grundsätzlich von den gestalteten Gärten in Frankreich oder Italien. Sie hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der englischen Landschaftsarchitektur.

Ausführliche Informationen zum Thema enthält der im Lindenau-Museum für 10 Euro (plus Versandkosten) erhältliche Katalog: Asien in Altenburg. Bernhard August von Lindenaus „chinesische Schätze“, Altenburg 2014, ISBN 978-3-86104-107-8

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