Der Himmel über Berlin oder Florenz oder Altenburg… //1 - Vom Goldgrund bis zur Gewitterwolke

2001 wurde bei einer Studie des New Yorker Metropolitan Museum of Art festgestellt, dass der Museumsbesucher durchschnittlich weniger als 30 Sekunden vor einem Gemälde verbringt. Die Devise lautet meist: Möglichst viel sehen, aber nicht zu genau. Besucherinnen und Besucher betrachten Figuren und Gegenstände, achten auf Farben. Sie versuchen die Zusammenhänge schnell zu verstehen, den Inhalt zu begreifen und fokussieren sich auf „das Wichtige“. Vieles bleibt dem Besucher so allerdings verborgen. Und das sind nicht nur Kleinigkeiten.

Gerade der (gemalte) Himmel hat es in dieser Hinsicht schwer. Wird er nicht explizit in den Mittelpunkt des Gemäldes gerückt, zieht er kaum das Interesse der Betrachterinnen und Betrachter auf sich. Offenbar wird seine Anwesenheit als zu selbstverständlich angesehen. Dabei ist gerade der Blick auf den Himmel besonders lohnend.

Durchleuchtet man die Sammlung des Lindenau-Museums Altenburg, findet man schnell außergewöhnliche Himmelsdarstellungen. Mit einer besonderen Opulenz besticht in dieser Hinsicht Giovanni di Paolos „Kreuzigung Christi“. Dass die Künstler der italienischen Tafelmalereien eine besondere Vorliebe für die Arbeit mit Gold hatten, ist bekannt. Umso weniger dürfte es daher verwundern, dass auf di Paolos Gemälde der gesamte Himmel in Gold getaucht ist. Hinter dem gekreuzigten Jesus und den umstehenden Figurengruppen, erstreckt sich eine Himmelsdarstellung, die in ihrer farblichen Wucht den Betrachtenden fast flammend entgegenschlägt. Wurde das Gold in der Farbsymbolik des Früh- und Hochmittelalters noch in Zusammenhang mit dem ersten Schöpfungstag gebracht, wandelte sich dessen ikonographische Bedeutung in der Zeit des ausgehenden Mittelalters, wie man an di Paolos Werk erkennen kann. So folgt das goldene Kolorit des Himmels in seinem Gemälde wohl eher der Idee, dass es sich bei dieser Himmelsdarstellung um den Lichtraum des Göttlichen handelt. Auch nach beinahe 600 Jahren hat das Werk nichts von seiner sprichwörtlichen Strahlkraft verloren. Derzeit wird es in der Dauerausstellung des Lindenau-Museums in der Kunstgasse 1 ausgestellt.

Giovanni di Paolo di Grazia, Kreuzigung Christi, 1426

In der Darstellung der „Krönung Mariens mit Engeln und Heiligen“ vom Maestro di San Lucchese – ebenfalls Teil der Sammlung des Lindenau-Museums – wird der Himmel durch ein besonderes Element der religiösen Malerei gekennzeichnet: die Mandorla – eine Umrahmung einzelner Figuren durch eine Lichthülle, meist durch Mandel- oder Kreisformen. Sie zeigt sich in zentraler Position dieses Altarbildnisses und zeigt Christus während er Maria krönt. Gehalten wird die Mandorla von acht Cherubim (blaue Engel). Besonders eindrucksvoll zeigt sich auch hier der Goldgrund, der die Mandorla umgibt und bis zum Boden reicht. Sie wird von vier Engeln zu beiden Seiten flankiert, darunter blicken zwei Figurengruppen zu ihr empor. Sie stellen jeweils acht männliche und acht weibliche Heilige dar.

Maestro di San Lucchese, Krönung Mariens mit Engeln und Heiligen, um 1365 - 1370

Dass der Himmel in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Göttlichen stehen muss, zeigt sich auch in späteren Darstellungen von Naturgewalten. Donner und vor allem der Blitz gelten in der Malerei um 1500 als eine Verlautbarung Gottes, als Signal des Zorns. Aus Perspektive des Humanismus verweist der Blitz beispielsweise auf den römischen Göttervater Jupiter. In einer Illustration der Übersetzung des Horapollo (1512) für Kaiser Maximilian zeichnete Albrecht Dürer als Zeichen der herkommenden Stimme Gottes eine Gewitterwolke mit Blitzen.

Bereits kurze Zeit später fertigte Leonardo Arbeiten an, die versuchen, Naturphänomene in ihrer Naturrichtigkeit darzustellen. Sein „Sturm über Reitern und Bäumen“ von 1518 kann als Beispiel dafür gelten. Obschon sich noch immer naturwidrige Darstellungen darin widerfinden, zeigen sich hier bereits erste Tendenzen einer „wissenschaftlicheren“ Auseinandersetzung mit der Darstellung des Himmels – eine Entwicklung, die sich in der Malerei der kommenden Jahrhunderte verfestigen wird. Unter dem Eindruck einer Abkehr der religiösen Darstellung, wird der Himmel in der Kunst gewissermaßen „verweltlicht“.

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