Österliches Langohr aus Etrurien – Über ein etruskisches Salbölgefäß in Hasengestalt aus den Antikensammlungen des Lindenau-Museums

Hätten Sie es gewusst? Der Hase war das Jagdwild des Altertums! Und das zeigt unser museumseigenes Langohr – ein antikes Gefäß in Hasengestalt – auf ganz besondere Weise: Wie bei einer Jagdbeute hängen Kopf und Löffel nach hinten, die Vorderläufe sind ausgestreckt. Als träge ihn ein Jäger über die Schulter geworfen hinfort oder hätte den frisch Erlegten an den Vorderläufen zum Zeichen des Jagdglücks aufgehangen. Eine solche Szene ist auch auf einer attischen Trinkschale des Tleson-Malers aus der Sammlung des British Museum in London abgebildet. Der grimmig blickende weiße Hund des Jägers hat neben einem Hasen sogar einen Fuchs zur Strecke gebracht.

Umzeichnung nach einer Trinkschale des Tleson-Malers aus der Sammlung des British Museum in London, Grafik: Dr. Ronny Teuscher

Das „Corpus Vasorum Altenburg“ von 1959, das erste Nachschlagewerk für antike Gefäßkeramik im Lindenau-Museum, vermutete noch eine ostgriechische Manufaktur hinter dem hasengestaltigen Altenburger Gefäß. Unser Hase aber ist ein Italiener. Er stammt aus dem mittelitalienischen Etrurien – der Heimat der Etrusker. Hervorzuheben sind die Etrusker am Haus unter anderem deswegen, weil viele der griechischen Vasen der Museumssammlung aus Gräbern der Etruskerstadt Vulci stammen. So auch der Hase.

In Altenburg befindet sich unser Hase seit dem Winter 1845/46. Er hatte dabei eine lange Reise hinter sich: Von der Toskana aus ging es zu einem römischen Kunsthändler, von Rom – Hauptstadt der Welt – führte ihn sein Weg dann mit dem Schiff von Livorno über Hamburg und schließlich per Eisenbahn nach Thüringen in die Residenzstadt Altenburg.

In Rom für die Sammlung Lindenaus erfolgreich erjagt hatte den Hasen Emil Braun (1809–1856), Erster Sekretär des Instituto di Corrispondenza Archeologica in Rom, Landsmann Lindenaus und sein „Kunstagent“. Dieser stellte dem sächsischen Politiker und Mäzen Bernhard August von Lindenau (1779–1854) eine Kollektion von etwa 200 «alt griechisch–etrurische[n] bemalte[n] Vasengefäße[n]» für 2404 Scudi zusammen, die seit 1848 in dem von Lindenau gegründeten Museum gemeinsam mit Gipsabgüssen nach antiken Skulpturen und frühitalienischer Tafelmalerei öffentlich ausgestellt waren. An ihren Formen und Vasenbildern sollten die Schüler der dem Museum angeschlossenen Kunstschule ihren Geschmack sowie ihre künstlerischen Fertigkeiten ausbilden.

Emil Braun sprach das zoomorphe Gefäß in Hasengestalt noch als Reh an. Vielleicht brachte sein getüpfeltes Fell ihn zu dieser Zuschreibung. Doch auch andere figürliche Gefäße der sogenannten etrusko-korinthischen Keramik, die gänzlich in die 1. Hälfte des 7. Jh. v. Chr. datieren, zeigen diese Punktierung. Funktionell dienten sie als Parfümflakons, die kostbare Salböle beinhalteten und dies durch ihre besondere Gestalt zur Schau stellten. Neben Hasen gab es auch Wasservögel, Affen, Panther, Rehe, Hirsche und Igel.

Es ist gut möglich, dass Bernhard August von Lindenau während seines Aufenthaltes in Rom ein Pendant zu unserem Hasen gesehen hat. Lindenau schreibt am 10. Dezember 1850 von Altenburg an Braun in Rom: «Bei meiner großen Vorliebe für die Etrusker, frage ich an […] ob nichts über dies merkwürdige mit Ihnen im Vatican besehene Grab von Caere erschienen ist».

Die Briefstelle zeigt, dass Lindenau auf seiner Italien-Reise, die insbesondere den Erwerbungen für sein zukünftiges Museum galt, Ende 1843 unter der fachlichen Begleitung Emil Brauns das weltweit erste Etruskermuseum Museo Gregoriano (gegründet 1837 unter Papst Gregor XVI.) besucht haben muss. Glanzstück des Museums war und ist das Grabinventar der Tomba Regolini-Galassi, des für Lindenau ganz nach der ursprünglichen Wortbedeutung «merkwürdigen» Tumulusgrabbaus aus der Orientalisierenden Phase der etruskischen Kultur (7. Jh. v. Chr.).

Braun offerierte, die beiden Bände des «Museo Gregoriano-Etrusko des Vatican's» für Altenburg zu erwerben. Beide Werke zieren noch heute die Lindenausche Kunstbibliothek, die Lindenau wiederum für den Unterricht an seiner Kunstschule mit der seinerzeit wichtigsten Fachliteratur zum Klassischen Altertum ausstattete. Der zweite Teil des erwähnten Bandes bildet ein Salbölgefäß aus eben genannter Tomba Regolini-Galassi in Cerveteri ab, das stark unserem Altenburger Exemplar ähnelt. Es ist augenscheinlich, dass sie aus ein und derselben Werkstatt stammen.

Etruskisches Salbölgefäß in Hasengestalt, 600-550 v. Chr., Inv.-Nr. CV 21 (240), Lindenau-Museum Altenburg

Unser Hase soll in der künftigen Dauerausstellung des Lindenau-Museums Altenburg zusammen mit einem zeitgleichen Vorratsgefäß (Pithos), einer älteren Bronze-Fibel, einer subgeometrischen Kanne und einem Skarabäus die etruskische Früh- und Hochzeit, also den Zeitraum von etwa 650 bis 550 v. Chr., präsentieren. Da sie innerhalb der Vasensammlung Lindenaus eine schwergewichtige Rolle einnehmen, ist geplant, den Etrusker einen eigenen Raum zukommen zu lassen. Unser Hase kann dabei aufgrund seiner besonderen Gestaltung als auch seiner Vatikanischen Schwester und seiner Herkunft eine geeignete Vermittlerrolle einnehmen.

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