Quadratisch-praktisch-gut?

Das erste Lindenau-Museum

Heute zeigt das Lindenau-Museum die bedeutende Sammlung seines Stifters in einem eindrucksvollen, repräsentativen Gebäude, das 1876 eröffnet wurde. Weniger bekannt ist, dass Bernhard August von Lindenau bereits 30 Jahre zuvor seine Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. Auf dem Gelände des elterlichen Guts, des Pohlhofs, am Rande von Altenburg, ließ er Mitte der 1840er Jahre ein Museumsgebäude errichten.

Im November 1847 durfte bereits Fachpublikum die Sammlung bestaunen. Doch schon bald nach der offiziellen Eröffnung 1848 wurde ersichtlich, dass Lindenaus Kunstsammlung darin nur unzureichend Platz fand. In seinem Testament vermachte Lindenau daher dem Staat Sachsen-Altenburg seine Sammlungen mit der Auflage, ein größeres Museumsgebäude am Fuß des Schlossparks zu erbauen. Da der sogenannte Mittelbau des Pohlhofs als Präsentationsort nun überflüssig geworden war, wurde er kurz nach Auszug der Sammlung abgerissen. Die immerhin fast 30 Jahre währende Geschichte des wichtigen kleinen Galeriegebäudes soll aber nicht in Vergessenheit geraten!

Hedwig von Lindenau, Der Pohlhof in Altenburg, 1875, Öl auf Leinwand, 24,5 x 33,5 cm, Lindenau-Museum Altenburg

Bernhard August von Lindenau wurde 1779 auf dem Pohlhof, einem Rittergut, das damals am Rande der Stadtmauer lag, in Altenburg geboren. Nach einer erfolgreichen wissenschaftlichen und politischen Laufbahn in Altenburg, Gotha und Dresden beschloss er Anfang der 1840er-Jahre, seiner Heimatstadt ein Museum samt Kunstschule als Bildungsstätte zu errichten. Das Wohnhaus selbst, das heute – aufwendig restauriert – als Standesamt genutzt wird, war dafür nicht geeignet. Auch das restliche Gelände des Anwesens schien wenig Raum für einen Galeriebau zu bieten. Friedrich Schadewitz (1779-1847), ehemaliger Hofwagnermeister und Laienmaler, hielt in seiner typischen Darstellungsweise die Situation um 1844 fest.

Friedrich Schadewitz, Die innere Ansicht des Pohlhofes nach der Süd und Ost Seite bis 1845, Aquarell auf Papier, 41,5 x 25,5 cm, Residenzschloss Altenburg

Als Architekt wählte Lindenau den Leipziger Rats- und Universitätsbaumeister Geutebrück (1801–1868), der in Altenburg aufgewachsen war. 1839 veröffentlichte Geutebrück in der Bauzeitung seine Idee von einer variablen Familienvilla auf quadratischem Grund. Zur Illustration seines Konzepts stellte er drei Häuser inklusive Grund- und Aufriss vor. Einen der Entwürfe realisierte er für seinen Bruder, den Altenburger Regierungs- und Obersteuerrat Karl Geutebrück (Langengasse 13). Diese Villa sieht, nach den Worten von Thomas Topfstedt, „wie ein etwas bescheidener Vorläufer des Museumsgebäudes auf dem Pohlhof“ aus.

In einem ersten Bauabschnitt wurden alle alten Wirtschaftsgebäude abgerissen. So entstand der Platz für den Galeriebau, der um das Jahr 1846 fertiggestellt wurde. Im Katalog von 1848 ist ein Bild des Mittelgebäudes zu sehen, welches die Sammlung beherbergte. Hier wird auch die Ähnlichkeit zur Geutebrück-Villa deutlich. Der Stich zeigt ein quadratisches, zweigeschossiges Gebäude mit klarer vertikaler und horizontaler Fassadengliederung und einer abschließenden Glaskuppel; allerdings detaillierter ausgearbeitet als sein Vorgängerbau. Ebenfalls im Katalog abgedruckt wurde der Grundriss der drei Etagen. Die erste und zweite Etage waren zur Präsentation der Kunstwerke vorgesehen. Im Dachgeschoss befand sich die angeschlossene Schule. Daneben gab es zunächst im Erdgeschoss noch eine Wohnung für den Kustos, die aber schon bald aus Platzmangel den Kunstwerken weichen musste. Zwar war die Grundfläche eines Salons mit ca. 78 m² angegeben, doch die Liste der dort ausgestellten Kunstwerke war schier endlos: Im westlichen Saal des ersten Obergeschosses hingen 166 altitalienische Tafelbilder, auf Tischen standen ein großer Teil der umfangreichen antiken Gefäßsammlung, sowie die Architekturmodelle. Nicht zu vergessen sind etliche Gipsabgüsse, die in Eckregalen beziehungsweise auf schweren Tischen in der Mitte des Raumes oder unterhalb der Gemälde (meist Reliefs) aufgestellt waren. Dementsprechend war kaum Platz für viele Besucher und die Zahl der Eintrittskarten folglich stark limitiert. Eine begrenzte Anzahl von Freikarten konnte beim Bürgermeister oder beim Kustos vor Ort bezogen werden. Von April bis November war das Museum für die Öffentlichkeit geöffnet, wobei Lindenau dem Besucher strenge Verhaltensregeln auferlegte.

Albert Geutebrück, Entwurf für ein Privathaus in Altenburg, abgebildet in: Ueber Wohngebäude mit quadratischen Grundriss, in: Bauzeitung, 1839, S. 158

„Nichterwachsene Personen“, also Kinder und Jugendliche, waren nicht erwünscht. Weiterhin – und das ist weniger überraschend – durfte nichts berührt und auch nicht geraucht werden. Hunde waren ebenfalls in den Ausstellungsräumen verboten.

Leider gibt es keine Innenansichten vom Pohlhof-Museum. Um einen Eindruck der Präsentation zu gewinnen, müssen Hinweise aus verschiedenen Beschreibungen und Artikeln herausgefiltert werden. So wird berichtet, dass die Sammlung zwar eine der besten des Landes sei, doch sehr ungeordnet aufgestellt wäre. Lobend wird dagegen die große und umfangreiche Sammlung der Kopien erwähnt, die vor Ort einen breiten Überblick der Kunstgeschichte biete. Professor Stab aus Jena etwa schreibt in der Kunstchronik von 1852 (Nr. 52, S. 410): „Es muss diese Copiensammlung als ein besonders glücklicher Gedanke bezeichnet werden, da in ihr das Beste, das nur zerstreut im Original zu sehen ist, […] hier ein reiches Feld fruchtbarer Vergleichungen […] öffnet.“

Ansicht des Pohlhofs mit neuem Mittelgebäude nach Friedrich Sprenger, in: Quandt/Schulz, Beschreibung der im neuen Mittelgebäude des Pohlhofs befindlichen Kunst-Gegenständ, Altenburg 1848

Die Gemäldekopien und Gipsabgüsse von weltberühmten Meisterwerken wurden von Lindenau höher geschätzt als seine altitalienischen Tafelbilder, die heute internationalen Ruhm genießen. Da für Lindenau ein aufklärerisches didaktisches Bildungsideal im Vordergrund stand, schrieb er ihnen für sein an das Museum angeschlossenes Institut einen großen Stellenwert zu. In dieser Schule sollten Lehrlinge und Gymnasiasten ausgebildet und gefördert werden, um sie auf die Anforderungen der fortschreitenden Industrialisierung in Thüringen vorzubereiten. Der Abwertung des Handwerks und den hohen Arbeitslosenzahlen wollte Lindenau mit einer qualifizierten Ausbildung seiner Schützlinge entgegentreten. Die Kunst sollte „als Mittel zur Vervollkommnung des technisch-gewerblichen Antriebs“ genutzt werden. Bildung als Form der Wirtschaftsförderung, ein durchaus moderner Gedanke. Außerdem wollte Lindenau durch eine gute Ausbildung auch verhindern, dass die jungen Leute politisch auf Abwege gerieten.

Grundriss des nach den Plänen des Leipziger Universitätsbaumeisters Albert Geutebrück (1801–1868) errichteten Gebäudes auf dem Pohlhof, in: Quandt/Schulz, Beschreibung der im neuen Mittelgebäude des Pohlhofs befindlichen Kunst-Gegenstände, Altenburg 1848

Als 1848 auch in Altenburg die Revolution ausbrach und vielerorts Barrikaden errichtet wurden, konnte das gerade eröffnete Museumsgebäude am Pohlhof erfolgreich gesichert werden. 30 Jahre später war gegen die Abrisspläne leider kein Kraut gewachsen.

Joana Brauhardt ist Studentin der Kunstgeschichte an der Universität Leipzig und schreibt ihre Masterarbeit über den heute nicht mehr existierenden Museumsbau auf dem Pohlhof. Für das Lindenau-Museum Altenburg hat sie einen Teil ihrer Forschungen in diesem Blogtext aufbereitet, wofür wir ihr herzlich danken!

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