Ton, Steine, Scherben - Die Schenkung Sinn

Was haben ein Wasserkrug, Wandmalereifragmente aus Pompeji, eine Terrakottafigurine und ein grotesker Priesterkopf aus Ägypten gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch sie alle gehören zu einer kleinen, aber feinen Antikensammlung, die das Lindenau-Museum von Professor Ulrich Sinn, ehemaliger Lehrstuhlinhaber für Klassische Archäologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, im vergangenen April als Schenkung erhalten hat.

Die Objekte stammen aus dem Nachlass des 1980 verstorbenen Dr. Curt Luckow, einem Berliner Lebensmittelchemiker, der sich scherzhaft auch als „Schnapspapst von Deutschland“ bezeichnete. Zusammen mit seiner Ehefrau Hildegard, die eine Vorliebe für das Altertum hegte, baute er die Privatsammlung sukzessive in den 1930er Jahren auf. Als Beraterin bei ihren Ankäufen stand ihnen die Klassische Archäologin Gerda Bruns zur Seite.

Nach dem Tod seiner Frau 1969 nahm Luckow im Folgejahr an einer Studienreise nach Griechenland teil, die von Ulrich Sinn, damaliger Student der Klassischen Archäologie an der Universität Freiburg im Breisgau, geleitet wurde. Im Verlauf der Reise entwickelte sich zwischen Luckow und Sinn ein Verhältnis der gegenseitigen Wertschätzung, das bis zu Luckows Tod andauern sollte. Nachdem er bereits einen Teil seiner Sammlung verschiedenen Institutionen überlassen hatte, setzte er in seinem Testament Sinn als Erben seiner verbliebenen Antiken ein.

Terrakottafigurine von einem canosinischen Askos
Terrakottafigurine von einem canosinischen Askos, rote Farbreste erhalten, spätes 4. Jh./3. Jh. v. Chr., Fundort: Canosa di Puglia? (Unteritalien), Foto: Lindenau-Museum Altenburg

Sinn, der an der Universität Bonn habilitiert wurde, verlieh die Objekte bis 1992 an das Akademische Kunstmuseum der Universität. Danach blieben sie in privater Obhut, die von einigen Auftritten im Rahmen von Sonderausstellungen des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg unterbrochen wurde. Zudem wurde der Bronzehelm korinthischen Typus bereits im Jahr 2013 als Leihgabe während der Ausstellung „Dionysos, Gott des Weines – Hüter des Theaters“ im Lindenau-Museum präsentiert.

Bei der Sammlung handelt es sich um antike Kunst- und Gebrauchsgegenstände der unterschiedlichsten Art aus unterschiedlichsten Regionen und Zeiten. Über 2500 Jahre liegen zwischen der Entstehung des ältesten und des jüngsten Exponats. Dabei ist die kyprische Schnabelkanne mit einem Alter von etwa 4000 Jahren nicht nur das älteste Objekt der Schenkung, sondern auch des ganzen Museums. Ein weiteres Gefäß, das aus Zypern stammt, ist die restaurierte geometrische bzw. früharchaische Kanne, die mit Streifendekor und einem Paar Augen an der Gefäßmündung verziert ist.

Neben dem korinthischen Bronzehelm stellen die drei Appliken, die als plastischer Dekor eines canosinischen Gefäßes aus dem 4./3. Jh. v. Chr. dienten, ein besonderes Highlight dar. Sie bestehen aus zwei Terrakottafigurinen, die eine Frau mit zum Gebet erhobenen Armen (Orantenhaltung) darstellen sowie einem Gorgoneion (Medusenhaupt).

Kyprische Kanne
Kyprische Kanne, sog. „bichrome Ware“, spätgeometrisch/früharchaisch, 750 - 600 v. Chr., Fundort: Zypern, Foto: Lindenau-Museum Altenburg

Nach einiger Recherche konnten die gleichen Figurinen desselben Typus an einem vermutlich aus Canosa di Puglia (Süditalien) stammenden Askos, einem bauchigen Tongefäß zur Aufbewahrung von Öl und anderen Flüssigkeiten, im Louvre ausfindig gemacht werden. Es liegt also nahe, dass auch unsere Appliken ursprünglich zu einem solchen canosinischen Askos gehörten.

Die Keramikherstellung in Canosa di Puglia erlebte während des 4. und 3. Jhs. v. Chr. eine erneute Blütezeit, sodass die Stadt mit dem Beginn des Hellenismus zu einer der wichtigsten Produktionsstätten aufstieg. Typisch für die Vasen dieses regionalen Stils sind die meist der mythischen Sphäre entstammenden Figuren, die mitunter aus dem Gefäßkörper herauszuwachsen scheinen. Nike, Eros, Pegasus und andere Mischwesen tummeln sich oft zuhauf auf der oberen Gefäßhälfte, auf Henkeln, kleinen Auflageflächen und Basen – überall, wo sie Halt finden. Ein Askos mit solch fragilem, feingliedrigem plastischen Dekor fand sicherlich nicht im alltäglichen Gebrauch des heimischen Haushalts Verwendung, sondern diente kultischen Zwecken bzw. als Grabbeigabe.

Frühchristliches Relief
Frühchristliches Relief, Kalkstein, byzantinisch, 4./5. Jh. n. Chr. Fundort: Syrien (?), Foto: Lindenau-Museum Altenburg

Noch unbeantwortete Fragen werfen zwei andere Objekte der Schenkung auf: Wen stellt der nicht datierte männliche Porträtkopf aus Kalkstein dar? Wie kann die ungewöhnliche altgriechische Inschrift auf dem frühchristlichen Relief aus der Spätantike entschlüsselt werden? Handelt es sich dabei um ein monotheistisches Glaubensbekenntnis? Um den Objekten ihre Geschichten zu entlocken, sind weitere Nachforschungen nötig. Im Falle des Kopfes bietet ein Bohrloch am Hinterkopf, mit dem die Skulptur möglicherweise als Bauschmuck an einem architektonischen Element befestigt war, einen ersten Ansatzpunkt, dem wir auf der Spur bleiben…

Die Ausstellung der Sammlung, die am 11. Oktober unter dem Titel „Archäologische Kostbarkeiten – Die Schenkung Ulrich Sinn“ in der Gipsabguss-Sammlung des Lindenau-Museums eröffnete, kann noch bis 27. Januar 2019 besichtigt werden.

Victoria Kubale

Zurück

Diesen Artikel teilen